Mitten in Absurdistan:So wird man auch reich

In Dubai machen Millionäre den Ölwechsel und in Hamburg sind kleine Jungs zu schlau für die Vegan-Falle.

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Go east! - Spannende Stop-over-Städte von Dubai bis Bangkok

Quelle: dpa-tmn

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Mitten in ... Dubai

Andrew, der Barkeeper im Hochglanzhotel, sagt: "Cove Beach." Das sei der beste Strand-Club in Dubai. Also hin. Mittwoch. "Ladies Day". Für 100 Dirham, 25 Euro, trinken Frauen, was sie wollen. Yaser, ein Hüne, hat sich an der Bar in Position gebracht. Yaser wird gleich viel erzählen, über seine Kinder, sein Geschäft namens "Superfix Garage". Keiner tune Luxusautos besser. Sagt Yaser. Er zieht an der Wasserpfeife. Bässe brummen. Yaser zeigt einen Handyfilm. Ein Sportwagen zieht rauchend Kreise. "Mein Lieblings-BMW, gehörte mal einem Scheich." Was Yaser nicht sagt, aber man findet es später im Internet: Er ist eher einfach nur Autohändler. Im Angebot bei ihm auch: Ölwechsel, Reifenlagerung, Inspektion. Das scheint hier fürs Nötigste zu reichen. "Ich bin reich", sagt Yaser. Beim Lächeln fällt auf: Seine Zähne sind schneeweiß.

Gerald Kleffmann

SZ vom 28. April 2017

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Quelle: Stephan Rumpf

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Mitten in ... Hamburg

Sonntagmittag, Flohmarkt in Eimsbüttel. Eine lange Schlange aus großen und kleinen Menschen steht am Crêpes-Stand. Der ist eine Art Holzverschlag, rustikal hip. Mit bunter Kreide sind die Pfannkuchen-Variationen auf grobe, schwarze Tafeln geschrieben: Dinkel-Crêpe mit Rucola, Ziegenkäse und Honig oder Vollkorncrêpe mit Chorizo. Normale Crêpe mit einfach nur Zucker drauf gibt es nicht. Eine Mutter steht mit ihrem Sohn an; der ist sicher schon in der Schule, aber noch nicht in der Pubertät. "Welche möchtest du?", fragt sie ihn. Er liest laut von der Tafel ab. "Die vegane Crêpe", sagt er. Die Mutter streicht ihm über die neonpinke Mütze, ganz sicher? Da gebe es auch eine mit Lachs und Schmand. Nein, er will vegan. Sie lächelt einer anderen Frau in der Schlange zu. "Das war ein Test", sagt die Mutter, sie klingt stolz. Der Sohn hat bestanden.

Anne Backhaus

SZ vom 28. April 2017

Paris Frankreich Palais du Luxembourg

Quelle: Frank Sorge/imago

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Mitten in ... Paris

Tägliche Freude beim Vorbeigehen: der Jardin du Luxembourg mit den hohen Stahlgittern und den prächtigen Bäumen dahinter, derzeit gerade mit blühenden Krokussen, und ganz ohne Kunst. Genauer: ohne Künstelei. Bald werden aber auf den Gitterstäben wieder die Fotos für eine neue Ausstellung installiert werden. Die halbe Gartenpracht wird eine Saison lang hinter den Bildern verschwinden. Die Touristen werden sich vor den Ansichten malerischer Landschaften oder seltener Tiere stauen und vergessen, dass die Kunst in Wirklichkeit auf den Gehwegen und Rasenstücken hinter den Bildern liegt. Die reale Stadt ist Unterlage für Event und fantastische Parallelwelten geworden, bis ... Hoppla. Pardon! Da prallten gerade ein Bildbetrachter und ein Smartphone-Benutzer gegeneinander. Ist aber bedeutungslos. Hat ja nicht wehgetan.

Joseph Hanimann

SZ vom 28. April 2017

Schlüsselbund

Quelle: Daniel Bockwoldt/dpa

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Mitten in ... Trier

Die erste Woche in der neuen Wohnung. Kahle Wände, leere Räume, ewiges Wühlen in Umzugskisten. Dann ein ungewohntes Geräusch, die Klingel, vor der Tür steht der Nachbar. Er hat Brot und Salz und einen Ersatzschlüssel zu seiner Wohnung dabei, er will wissen, ob er ihn abgeben darf. Darf er. Kurzer Plausch über Dinge, die wir mal verloren haben. Seine Schwäche: der Schlüssel. Einmal hat er sein Fenster aufgehebelt, vier Mal den Schlüsseldienst gerufen, zig Mal gewartet, dass sein Freund nach Hause kommt. Man selbst: Schon so ziemlich alles mal verloren, den Schlüssel aber noch nie. Vier Tage später ein Wiedersehen im Flur. Der Nachbar starrt auf den Inhalt der Handtasche, ausgebreitet auf der Fußmatte. Handy, Portemonnaie, Bonbons, der Flyer vom Boxstudio, Labello, Flasche Wasser. Der Nachbar: Suchst du was? Ja. Den Schlüssel.

Gianna Niewel

SZ vom 28. April 2017

Ovunque tu sarai

Quelle: M2 Pictures

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Mitten in ... Fiumicino

Sonntagabend vor den Toren Roms, nach dem ersten warmen Wochenende des Jahres. Stau vom Meer bis in die Stadt. Also wieder runter von der Autobahn und zurück nach Fiumicino, ins Kino. Zur Überbrückung eine seichte italienische Komödie. Beginn 19.55 Uhr, heißt es. Die 27 Zuschauer im Saal wirken verloren. 20.30. 20.45. Nichts passiert, nicht mal Werbung. Dann richtet eine Angestellte aus, der Regisseur und die Schauspieler wollten kurz vorbeischauen, stünden aber im Stau. 21.05 sind sie endlich da, auch Sancho ist dabei, der Hund aus dem Film. Knapper Applaus. Dann beginnt die Vorstellung, unterste Schublade. Nach zwanzig Minuten gehen wir, Sancho war noch nicht einmal dran. Die Managerin des Kinos ist untröstlich, dass wir wegmüssen, sie stellt vier Gratistickets aus. 21.30 Uhr, der Stau hat sich aufgelöst, alles ist gut.

Oliver Meiler

SZ vom 21. April 2017

SWITZERLAND -JEWEL-HELLO KITTY; Hello Kitty Baselworld

Quelle: AFP

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Mitten in ... Basel

Der Markt in Basel bietet frisches Brot, ein bärtiger Barista serviert Latte Art, die Sonne scheint. Der Schweizer Kollege aber wirkt unglücklich: "Du bist underdressed" bricht es aus ihm heraus. Bei der Luxusmesse sei Abendgarderobe Pflicht. Er, selbst Basler, fährt zur Messe stets ein Ausnahmeprogramm: Mit Frau und Kindern zieht er zu Freunden aufs Sofa, die wohlhabenden Zwischenmieter hinterlassen dann Tüten voller Mitbringsel in seiner Wohnung. Auf der Messe dann die Überraschung: Mädchen in bauchfreien Hello-Kitty-Shirts schlendern zwischen Diamanten und Uhren umher, Verkäuferinnen tragen Jeans und Sneakers. Der Kollege sagt, er sei länger nicht mehr hier gewesen. Später erzählt er zerknirscht, die Zwischenmieter hätten diesmal keine Aufmerksamkeiten dagelassen. Die Tage des Luxus scheinen vorüber zu sein.

Charlotte Theile

SZ vom 21. April 2017

Stau in Mumbai

Quelle: dpa

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Mitten in ... Mumbai

Nichts geht mehr auf dieser Straße unter den mächtigen Bäumen, die Autos schieben sich nur zentimeterweise voran, Stoßstange an Stoßstange, Rushhour im Süden der indischen Metropole Mumbai. Am schnellsten geht es noch zu Fuß. Gehsteige gibt es nicht, also schlängeln sich die Leute, so gut es geht, durch das Blech. Doch was ist das? Ein lautes Klackern auf Asphalt. Man dreht sich erschrocken um. Zwischen den Autos trabt ein stolzer Schimmel heran. Der Reiter führt gekonnt die Zügel und schnalzt mit der Zunge. Los jetzt. Vor bis zur roten Ampel. Und Hoooooh! Dann ist auch schon wieder Grün. Der Schimmel trabt los, setzt ungestüm über die Kreuzung, er ist jetzt der Schnellste von allen. Stolz blickt sich der Reiter noch mal um. Ein kleiner indischer Junge auf einem sehr großen Pferd. Und alle blicken neidisch hinterher.

Arne Perras

SZ vom 21. April 2017

Helmut KOHL und Hannelore KOHL im Urlaub bei St Gilgen in Oesterreich August 1992 Helmut KOHL and

Quelle: imago/Rainer Unkel

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Mitten in ... St. Lorenz

Ein trauriger Anblick, so ein sterbender Gigant. Man ist beim Wandern am Mondsee zufällig zur Kirche St. Lorenz gelangt, davor steht eine mächtige Linde, kahl, dem Tod geweiht. Wie alt der Baum ist? 350 Jahre, geschätzt, sagt die Mesnerin, die gerade mit einer Nachbarin geplaudert hat. "Der Herr Kohl hat das Alter bestimmen lassen." Kohl? "Na, der deutsche Kanzler. So ein guter Mensch." Bei seinen Urlauben in St. Gilgen ist er auch hierhergekommen, 1992 zum Fototermin. Ehepaar Kohl mit Mesner-Familie unter der Linde, damals noch in voller Pracht. "Die weißen Katzerl haben wir auch eingefangen", sagt die Mesnerin. Die Kätzchen vom Mesner-Hof durften mit aufs Bild. Danach ist der Kanzler noch mit ins Haus gekommen, um die Journalisten abzuschütteln. Die Mesnerin schüttelt den Kopf. "Furchtbar", sagt sie, "diese Zeitungsmenschen."

Josef Kelnberger

SZ vom 21. April 2017

Donald Trump

Quelle: AP

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Mitten in ... Aliquippa

Eine heruntergekommene Kleinstadt in der Nähe von Pittsburgh. In der stillgelegten Stahlfabrik arbeiteten früher 1500 Menschen, heute rosten die Lagerhäuser, die Straßen sind löchrig; wer das amerikanische Elend sehen möchte, muss nach Aliquippa. Von einst 22 Bars gibt es nur noch den Panther Club, wo übergewichtige Typen am Tresen sitzen und seichtes Bier trinken. Hinter dem Tresen ein Bild von Silvio Ciccone, "das ist Madonnas Vater", sagt der Wirt stolz. Man verehrt Ciccone hier, nicht für seine Tochter, sondern dafür, dass er es geschafft hat, "aus diesem Drecksloch rauszukommen", sagt der Wirt. Madonna habe Clinton unterstützt, raunzen jetzt die Männer am Tresen, alle stramme Trump-Anhänger. Ob mit Trump denn alles besser werde? "Und ob!", rufen sie im Chor. Auch Aliquippa? Nein. Das schaffe nicht mal "The Donald".

Sacha Batthyany

SZ vom 13. April 2017

Dolly Buster schaut selbst keine Pornofilme

Quelle: Harald Tittel/dpa

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Mitten in ... München

Achtung, Witz zum Totlachen: Auf der Liste der Arten, "standesgemäß zu sterben", steht der Gärtner, der ins Gras beißt; der Spachtelfabrikant, der abkratzt; der Gemüsehändler, der sich die Radieschen von unten anschaut. Die Liste ist noch länger, die deutsche Sprache geizt nicht mit Todesmetaphern (wenn, dann geizt sie eher mit Jobbeschreibungen wie Spachtelfabrikant). Die Aufzählung schließt mit der voll heißen Pointe der abnippelnden Dolly Buster. Das kann man nun amüsant finden oder auch nicht. Was man nicht kann: den Innenarchitekten der Harlachinger Klinik ihren Humor absprechen. In einem Krankenzimmer hängt ein Gag-Kalender mit dem Motto "Heitere Tage", und zumindest einen heiteren Apriltag lang war sein Gag ebenjene Liste. Der sterbende Mathematiker auf dem Kalenderblatt sagt: Damit war nicht zu rechnen.

Martin Wittmann

SZ vom 13. April 2017

Rauchen

Quelle: Jens Meyer/dpa

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Mitten in ... Pjöngjang

Wer nach Nordkorea reist, ist nie allein. Am Flughafen in Pjöngjang wird man von zwei Begleitern in Empfang genommen, die einem nicht von der Seite weichen und natürlich im selben Hotel übernachten. Mit Mühe kann man ihnen ein paar Stunden Ruhe abtrotzen, wenn man sich mit anderen Ausländern zum Abendessen verabredet. Punkt 22 Uhr erscheint der Aufpasser im Restaurant. Man bittet um zehn Minuten, die Rechnung muss noch bezahlt werden. Er trollt sich. Aschfahl trifft man ihn dann in der Lobby an, als sei Kim Jong-un gestorben. "Es ist es etwas Schreckliches passiert", wimmert er. 34 Jahre ist der Mann alt, er raucht zwei Schachteln am Tag - zu Hause aber gab er den Nichtraucher. Und jetzt: hat seine Frau ihn erwischt. "Sie kam zufällig vorbei, als ich auf dich gewartet habe", sagt er. "Wären wir doch pünktlich gegangen."

Christoph Giesen

SZ vom 13. April 2017

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Quelle: Jens Meyer/AP

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Mitten in ... Wörlitz

Im Herbst 1517 ließ Martin Luther seine "95 Thesen" an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg nageln, zum 500. Jahrestag dieses Ereignisses wird in dieser Gegend alles aufgeboten, was irgendwie an den Reformator erinnert. Das Bemühen stößt jedoch auf die Schwierigkeit, dass die Bewohner hier wenig mit Religion im Sinn haben. In der St.-Petri-Kirche in Wörlitz wird deshalb eine Ausstellung gezeigt, die den Heiden das Kirchenjahr und seine Feste nahebringen soll. Dazu eine Erklärung der Regionalzeitung, die einer Enthüllung gleicht: "Entscheidend für die Berechnung des Kirchenjahres ist das Osterdatum, das auf dem ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond liegt", die meisten Feiertage resultierten daraus, auch der "Weihnachtsfestkreis". Ja, richtig: Lag der 24. Dezember im vergangenen Jahr nicht ungewöhnlich früh?

Thomas Steinfeld

SZ vom 13. April 2017

Fans klatschen Beifall Jubeln ihrem Star zu Publikum Stimmung Emotion Amtmosphäre Events Konz

Quelle: imago/foto2press

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Mitten in ... Nashville

Ein Abend in Nashville in der "Grand Ole Opry", der großen Country-Show, die seit 1925 im Radio in alle Ecken des Landes übertragen wird. 4400 Menschen sind im Saal. Vorn auf der Bühne wird der Sänger T. Graham Brown ernst. "Unsere Helden", sagt er, wir schulden ihnen so viel, "wir sollten sie ehren." Also, alle Soldaten, Polizisten und Feuerwehrleute: "Bitte steht auf!" Vierzig, fünfzig Leute erheben sich, die anderen applaudieren wie bei keinem Song vorher. Auch der Mann auf dem Nachbarsitz ist aufgestanden, graue Haare, Polohemd, er drückt die Lippen zusammen, er nickt ernst. Der Beifall will kaum enden. Später, beim Verlassen des Saals, Frage an den Nachbarn, was er sei, Soldat oder Polizist. "Gott bewahre", sagt der Mann. "Ich bin nichts von all dem. Ich wollte nur mal wissen, wie das ist, wenn 4000 Leute für dich klatschen."

Roman Deininger

SZ vom 7. April 2017

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Quelle: imago stock&people

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Mitten in ... Kairo

Eine Kuh auf einem Pick-up ist in Kairo zwar kein grundsätzlich ungewöhnlicher Anblick. In Zamalek aber schon, einem eher distinguierten Viertel, wo viele wohlhabende Ägypter wohnen. Man wundert sich also, was die Schwarzbunte da tut vor einem leer stehenden Möbelgeschäft, als man am Samstagmorgen, was hier wie Sonntag ist, mit Sohn und Lebensgefährtin zum Frühstück gen Nil-Terrasse läuft. "Muh, muh!", macht der Sohn eine Stunde später beim Verlassen des Restaurants. Der Pick-up ist noch da, nicht aber die Kuh. Dafür kommen aus dem Möbelgeschäft Hackgeräusche. Da liegt die Kuh auf einer Steinplatte, die mal die Verkaufstheke war - ohne Fell und Kopf. Der Metzger zerteilt sie, trennt die Steaks aus dem Rücken. Wir hatten uns noch gewundert, warum der Mann bei schönstem Frühlingswetter weiße Gummistiefel trägt.

Paul-Anton Krüger

SZ vom 7. April 2017

BLWX022146 Copyright xblickwinkel McPhotox www BilderBox comx

Quelle: imago/blickwinkel

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Mitten in ... München

Um 0:59 Uhr kommt der Bus, jedenfalls behauptet das der Fahrplan an der Haltestelle. Um die Ecke geschossen kommt er schon um 0:56 Uhr, und man muss sehr mit den Armen fuchteln, damit er hält. Kein einziger Fahrgast an Bord. Mit Vollgas geht es weiter durchs Wohngebiet, Schlüsselbergstraße, Altöttinger Straße, rechts, links, links, rechts, eine Fahrt wie auf der Rennstrecke, schließlich steuert der Fahrer den Bus in einem Industriegebiet unter einen Baum und schaltet die Lichter aus. Und jetzt? "Ostbahnhof 100 Meter zu Fuß und dann rechts", ruft der Busfahrer nach hinten. Wie? Fährt er nicht bis zur Haltestelle? "Doch, doch, aber später, wir sind zu früh." Also raus in die Nacht, hilft ja nichts. Spaziergang. "Hast Glück gehabt", sagt der Fahrer zum Abschied und grinst, "wir waren ganz schön schnell."

Claudio Catugno

SZ vom 7. April 2017

Baku

Quelle: Rene Vigneron/dpa

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Mitten in ... Baku

Baku leuchtet, immer nach Sonnenuntergang. Hinter der Altstadt schlagen riesige Flammen in den Himmel: eine Lichtinstallation auf den "Flame Towers", 10 000 Hochleistungs-LEDs. Das Feuer könnte einen erschrecken - wäre in Baku nicht an jeder Ecke eine Lichtinstallation. Stromsparen? Im Ölförderland Aserbaidschan kein Thema. Vor Kurzem war "Earth Hour", an vielen Orten der Welt wurden die Lichter gelöscht, um auf den Klimawandel und die Endlichkeit der Ressourcen hinzuweisen, weshalb der Hoteldirektor schrieb: Baku werde an diesem Abend nicht leuchten, nicht zwischen halb neun und halb zehn. Eine Stunde Licht aus, den Rest des Jahres Bling-Bling: klingt logisch. Aber dem Direktor war es ein Anliegen. Er hat seinen Hinweis (Endlichkeit der Ressourcen, pff), auf Papier ausgedruckt. Einzeln, für alle 248 Zimmer.

Claudio Catuogno

SZ vom 31. März 2017

Shooting Day 8: Baku 2015 - 1st European Games

Quelle: Getty Images for BEGOC

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Mitten in ... Moskau

Niemand hat mit der spanischen Inquisition gerechnet, aber plötzlich steht sie da, am Schießstand eines Moskauer Einkaufszentrums. Dieser rote Mantel und dieser Hut dazu, dafür gibt es keine andere Erklärung. Ungewohnt nur, dass sie jetzt Frauen haben bei der Inquisition, aber gut, unter dem neuen Papst ist ja vieles möglich. Die Frau dürfte etwa 70 sein, ihre Augen wirken eulenhaft hinter den dicken Brillengläsern. Aber ihre Haltung: professionell, der Körper gespannt, als sie mit einer Gaspistole Plastikkügelchen auf die elektronische Zielscheibe feuert. 20 Schuss für umgerechnet vier Euro. Bäng, bäng, bäng - neun Punkte, zehn Punkte, neun Punkte. Pardon, wo hat sie so gut Schießen gelernt? "Das ist mein Geheimnis", sagt die Dame in Rot und zwinkert. Ach, ganz vergessen, bei der Inquisition stellen ja die anderen die Fragen.

Julian Hans

SZ vom 31. März 2017

STIB MIVB employees on strike

Quelle: Julien Warnand/dpa

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Mitten in ... Brüssel

Der unaufhaltsame Fortschritt hat inzwischen sogar den öffentlichen Nahverkehr in Brüssel erreicht. An fast allen Haltestellen tauchten elektronische Tafeln auf, die in Echtzeit darüber informieren, wann der nächste Bus kommt. Es schien der Sieg zu sein über einen Fahrplan, der sowieso nie stimmt. Am Anfang ging alles gut. Der Bus der Linie 36 kommt in zwei Minuten, sagte die Tafel, und - ja! - zwei Minuten später kam der Bus. Aus rätselhaften Gründen fingen die Tafeln aber dann mit der Lügerei an. Verhalten zuerst. Eine Minute, sagte die Tafel. Es wurden drei. Später entwickelten die Tafeln eine sehr böse Art von Humor. 22 Minuten, sagten die Tafeln, da lief man lieber zu Fuß. Sobald man weit genug weg war von der Haltestelle, kam der Bus doch. Manche wollten dann ein fieses Lächeln auf dem Gesicht des Busfahrers gesehen haben.

Daniel Brössler

SZ vom 31. März 2017

Frauen mit Kindern

Quelle: Felix Kästle/dpa

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Mitten in ... München

"Wissen Sie eigentlich", unterbricht eine Männerstimme von hinten die Kinderwagenschieberei, sie klingt schnoddrig und aufgebracht. "Wissen Sie eigentlich", schnoddert es noch einmal, "dass Ihr Kinderwagen Krebs verursacht?" Der verneinenden Antwort folgt ein selbstzufriedenes Nicken. "Stiftung Warentest hat Erschreckendes herausgefunden. Lesen Sie keine Zeitung?" Der Mann, ausgetretene Turnschuhe, tiefe Augenringe, ist nicht zu stoppen. "Die Griffe sind chemikalienverseucht. Und Sie haben daran ständig Ihre Hände. Und mit Ihren Händen berühren Sie andere Hände. Und Ihr Kind!" Im Bus haftet sein Blick an den Händen am Kinderwagen. Zwischendurch empörtes Augenrollen und Seufzer. "Unverantwortlich!", zischt der Besorgte, als der Bus endlich hält. Schimpft, steigt aus und zündet sich eine Zigarette an.

Laura Hertreiter

SZ vom 31. März 2017

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Quelle: imago stock&people

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Mitten in ... Praiano

Auf einer Barterrasse in Italiens Küstenstadt Praiano, die Beine gestreckt, die winterliche Morgensonne im Haar. Keine Touristen, kein Verkehr. Nirgendwo auf der Welt legen sich Meer und Himmel sanfter auf die Seele als hier, an der steilen Costiera Amalfitana, auf halbem Weg zwischen Positano und Amalfi. Ein Arbeiter treibt Maultiere die Straße hinauf. Auf der Ladefläche eines Jeeps schläft ein alter Hund auf einem noch älteren Sofa. Mit etwas Fantasie riecht man Zitronen. Dann setzt sich ein Herr an den Nebentisch, beugt sich über den Sportteil von Il Mattino, der Zeitung aus Neapel, und zischt leise: "Questa Juventus!" Schon wieder gab es einen fragwürdigen Elfer für die Turiner, ach was, einen frei erfundenen. "Inesistente!" Und so dräut plötzlich ein Komplott über der Idylle. Der zarte Duft der Zitronen? Wie weggeblasen.

Oliver Meiler

SZ vom 24. März 2017

Cordoba Fair

Quelle: picture alliance / dpa

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Mitten in ... Córdoba

In den Gassen zwischen all den prächtigen Kirchen, maurischen Palästen, ehemaligen Moscheen und Synagogen Córdobas wollen mehrmals täglich Hunde aller Rassen Gassi gehen. Aber kein Baum, kein Strauch, kein Stück Rasen weit und breit. Da besann man sich darauf, dass einst die Mauren wunderbare unterirdische Abwasserkanäle bauten. Die gibt es also nun auch für den Hund. Und damit es jeder richtig macht, steht da in Großbuchstaben: "Pipi hier!" Es kommt eine elegante Dame mit einem Dalmatiner daher. Der schnüffelt an den gelben Lettern, läuft dann aber drei Meter weiter zu einem Fahrradständer und hebt dort sein Bein. Die Dame spürt die missbilligenden Blicke der Gäste im Straßencafé daneben. Da dreht sie sich zu ihnen um und sagt: "Ein dummer Hund, schon acht Jahre alt und kann immer noch nicht lesen!"

Thomas Urban

SZ vom 24. März 2017

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Quelle: imago stock&people

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Mitten in ... Guangzhou

Im südchinesischen Guangzhou kommt der Müllmann zweimal täglich mit dem Handwagen, jedenfalls in den alten Vierteln. Er klingelt mit seiner Glocke und steigt sogar die Treppe hoch. Erklärt wird das mit der Hitze, es stinke sonst. Womöglich hatten Chinas Kommunisten das jedoch von den Sowjets. In Leningrad trafen die Hausbewohner sich jeweils um fünf Uhr abends vor Tür, um gemeinsam auf den Müllwagen zu warten. In Tokio wird Müll an vier Wochentagen geholt, getrennt Hausmüll, "Nichtbrennbares", Altpapier, Pappkarton, Glasflaschen und Dosen. Taiwan war ein halbes Jahrhundert eine japanische Kolonie. Wenige Schritte vom Dongmen-Markt in Taipei stellen sich Nachbarn kurz nach sechs Uhr abends mit vielen Tüten getrennten Mülls hin; und ein Laster nach dem andern fährt vor. Für jede Müllsorte einer.

Christoph Neidhart

SZ vom 24. März 2017

© SZ/ihe
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