Mehr Rechte für Bahnfahrer:Geld zurück ab 60 Minuten Verspätung

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Der Bundestag hat ein Gesetz verabschiedet, das für Fahrgäste bei Verspätungen bares Geld bedeutet. Auch nachts bleiben sie nicht mehr auf der Strecke.

Der Bundestag hat die Rechte der Bahnfahrer gestärkt: Waren sie bisher bei Verspätungen auf die Kulanz der Deutschen Bahn angewiesen, haben die Kunden nun Anspruch auf Entschädigung - und zwar nicht mehr nur in Gutscheinen, sondern wenn gewünscht auch in barem Geld.

(Foto: SZ-Grafik: Michael Mainka)

Der Bundestag beschloss gegen die Stimmen der Opposition neue Fahrgastrechte im Nah- und Fernverkehr. Stimmt der Bundesrat am 15. Mai zu, so treten die neuen Regeln gerade noch zur Hauptreisesaison Mitte Juli in Kraft. Linken, Grünen und Fahrgastverbänden gehen die Rechte nicht weit genug. Sie fordern Erstattungen schon bei mehr als 30 Minuten Verspätungen.

Die neuen Rechte im Überblick

Entschädigung:

Ist ein Zug verspätet oder fällt aus, hat der Reisende Anspruch auf Entschädigung. Erreicht der Fahrgast sein Ziel mindestens eine Stunde zu spät, muss das Bahnunternehmen ihm 25 Prozent des Fahrpreises erstatten, bei zwei Stunden Verspätung sind es 50 Prozent.

Auf Wunsch muss die Bahn die Entschädigung bar auszahlen.

Maßgeblich ist die Ankunftszeit am Zielort - die Verspätung gilt nun für die gesamte Zugkette: Ist also ein erster Zug nur fünf Minuten verspätet und kommt ein Bahnkunde durch einen dann verpassten Anschlusszug über eine Stunde später am Zielort an, erhält er eine Entschädigung.

Wird eine Übernachtung notwendig, muss die Bahngesellschaft eine kostenlose Hotelunterkunft anbieten.

Keine Entschädigung:

Die Bahn muss unterhalb einer Bagatellgrenze von vier Euro nichts rückerstatten. Inhabern von Monats- und Jahreskarten oder der Bahncard-100 müssen die Bahngesellschaften eine "angemessene Entschädigung" zahlen - aber nur, wenn es wiederholt zu Verspätungen kommt.

Der Bahnbetreiber haftet auch nicht, wenn der Grund für die Verspätung nicht im Bahnbetrieb liegt, also beispielsweise bei bestimmten Unfällen.

Rücktritt von der Reise:

Zeichnet sich eine Verspätung von mehr als 60 Minuten ab, kann der Reisende auch von einer Fahrt absehen und den kompletten Fahrpreis zurückverlangen. Ebenso kann er die Reise zu einem späteren Zeitpunkt beginnen und dann auch mit anderer Streckenführung fahren.

Besonderheiten im Nahverkehr:

Ist abzusehen, dass ein Reisender mindestens 20 Minuten später sein Ziel erreicht, darf er einen anderen Zug nutzen - auch Fernverkehrszüge, soweit diese nicht reservierungspflichtig sind wie etwa Nachtzüge.

Wenn die fahrplanmäßige Ankunft zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens ist, können Reisende auf ein Taxi umsteigen, sollte es keine preisgünstigeren öffentlichen Verkehrsmittel mehr geben. Das gilt auch, wenn der letzte fahrplanmäßige Zug ausfällt und sie den Zielort daher nicht mehr vor 24 Uhr erreichen können. Maximal gibt es für den Umstieg aufs Taxi 80 Euro.

Barrierefrei Reisen:

Mehr Rechte im Bahnverkehr sollen zudem Kinder, Alte und Behinderte erhalten. Die Bahnunternehmen sind künftig verpflichtet, gemeinsam mit den entsprechenden Interessengruppen Zugangsregeln für die Beförderung aufzustellen.

Züge, Bahnhöfe und Bahnsteige müssen dann für Menschen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich gemacht werden. Soweit entsprechendes Personal vorhanden ist und Fahrgäste einen Bedarf vorher anmelden, müssen sie kostenlos Hilfe beim Ein- und Aussteigen erhalten.

Hilfe bei Streitfällen:

Die Bahnunternehmen müssen Beschwerden von Fahrgästen nach spätestens drei Monaten bearbeitet haben.

Zusätzlich soll eine Schlichtungsstelle eingerichtet werden, an die sich Kunden wenden können, wenn sie sich nicht zufriedenstellend behandelt fühlen.

Bahnreisende werden die Entschädigungsregelungen bei Verspätungen der Bahn bereits zu Beginn der Sommer-Reisesaison geltend machen können, betonte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Alfred Hartenbach (SPD), im Bundestag.

Weitergehende Entschädigungen für die Verbraucher als jetzt vorgesehen seien nicht möglich: Die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn müsse beachtet werden. Auch sollten die Fahrpreise nicht unnötig steigen.

Das neue Gesetz geht zwar mit dem Recht auf ein Upgrade im Nahverkehr nach 20 Minuten Verspätung über die EU-Regelung hinaus.

Dennoch reicht es nach Ansicht des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) nicht aus: Der Bundesrat sollte die Regelungen bei den Schlussberatungen am 15. Mai nachbessern, forderte der Vorsitzende des Verbandes, Michael Gehrmann. So müsse bereits nach 30 Minuten ein gesetzlicher Anspruch auf Erstattung eines Teils des Fahrpreises bestehen und nicht erst nach einer Stunde.

(Foto: SZ-Grafik: Michael Mainka)

"Auch schon bei geringerer Verspätung entstehen den Fahrgästen wirtschaftliche und persönliche Nachteile", sagte Michael Gehrmann, Vorsitzender des VCD. Andere EU-Staaten verfügten bereits über entsprechende Regelungen.

Auch der Bundesrat hatte ein Viertel des Fahrpreises als Entschädigung bereits bei 30 Minuten Verspätung verlangt. Er konnte sich damit aber in der großen Koalition nicht durchsetzen

Verkehrsclubs und Fahrgastverbände kritisieren, dass die Rechte der Reisenden nicht auch bei Bus, Schiff und Flugzeug gestärkt werden: Wer wegen eines verspäteten Flugzeuges den letzten Bus verpasse, hat weder Ansprüche auf ein Hotel noch auf eine Taxifahrt.

Dies sei weder für den Kunden nachvollziehbar, noch führe es zu einem gerechten Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern, meint der Bundesvorsitzende von Pro Bahn, Karl-Peter Naumann: "Hier muss dringend nachgebessert werden."

Sollte das neue Gesetz am 15. Mai im Bundestag scheitern, tritt am 3. Dezember 2009 automatisch die EU-Verordnung zu Fahrgastrechten in Kraft.

© sueddeutsche.de/AFP/AP/dpa/kaeb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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