Mailänder Dom:Ein Gotteshaus als Plakatwand

Lesezeit: 2 min

Der Mailänder Dom wird erneut als großformatige Werbefläche benutzt. Anders sind die Renovierungskosten nicht zu bezahlen.

Henning Klüver

Jetzt glänzt er wieder, der Dom hat sein Gesicht zurückbekommen. Mailands bekannteste Fassade ist nach über fünfjähriger Restaurierung von den letzten Gerüsten befreit worden. Jahrelang prangte hier ganz unchristliche Werbung für Energieunternehmen und Telefonbetreiber. Dahinter hatten Arbeiter auf einer Oberfläche von 3500 Quadratmetern 270 Kubikmeter brüchigen Marmor ersetzt und 190 verkrustete Statuen und 47 Reliefarbeiten gesäubert.

In ihrer merkwürdigen Stilmischung aus Spätrenaissance, Barock und Pseudogotik war zumindest die Fassade seinerzeit nach einem Machtwort von Napoleon fertiggestellt worden. Der Korse ließ sich hier im Mai 1805 zum König von Italien krönen.

Jetzt wurde der Dom zum ersten Mal komplett restauriert - für 20Millionen Euro. Dass die Fassade vor ein paar Tagen angebetet wurde, führte zu Missverständnissen. Es waren Gruppen der islamischen Gemeinschaft, die aus Protest gegen den Krieg im Gaza-Streifen auf der Piazza Duomo auf die Knie fielen und sich gegen Osten wandten - dorthin, wo der Dom steht.

An der christlichen Kathedrale selbst baut man seit 1386. Bis heute ist sie nicht komplett fertig. Aus der Ferne scheint es, als sei der Dom "aus weißem Postpapier geschnitzelt", so schrieb Heinrich Heine. "In der Nähe erschrickt man, dass dieses Schnitzwerk aus unwiderlegbarem Marmor besteht."

Die Veneranda Fabbrica del Duomo, die ehrwürdige Dombauhütte, sorgt noch heute mit 126 Angestellten für die Pflege von 3400 Statuen auf und an den 135 Türmchen bis zur vergoldeten Madonnina in 108 Metern Höhe.

Chor und Seitenfassaden müssen im smogverseuchten Mailand kontinuierlich gesäubert werden. Der Fußboden der Kathedrale soll demnächst in Gänze restauriert und das Dommuseum, das zur Zeit geschlossen ist, neu geordnet werden. Dazu kommen archäologische Ausgrabungen.

Keine Zuschüsse von Staat und Stadt

Doch die Dombauhütte hat kein Geld, in der Kasse klafft ein Loch von 1,5 Millionen Euro. Die Stadt Mailand, die sie seit 1935 regelmäßig unterstützt hatte, hat bereits vor einigen Jahren ihre Zuschüsse gestrichen. Und auch der Staat, der bislang fünf Millionen Euro pro Jahr zuschoss, stellt jetzt seine Zahlungen ein.

Der Dombaumeister, der auf den wohlklingenden Namen Benigno Visconti Mörling Castiglione hört, beklagt sich, dass die Mailänder für alles Mögliche spenden, nur nicht für den Duomo. Und deshalb werden jetzt neue Gerüste hochgezogen.

Diesmal jedoch nur längs der Seitenfassaden des Marientempels. An ihnen sollen Werbeflächen verkauft werden. Die ersten Unternehmen - Banken, Modefirmen, eine iPod-Gesellschaft - haben bereits gebucht. Jetzt fragt sich die Lokalpresse, was verdammenswerter sei: die kommerziellen Botschaften am Dom oder die Gebete Andersgläubiger davor.

© SZ vom 13.1.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: