Lifestyle:Es muss nicht immer Parmesan sein

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Käse aus Bayern ist besser als sein Ruf - und außerdem ein echter Exportschlager

Karl Forster

Dialektisch betrachtet hat der Käse in Bayern einen schweren Stand. "Des is ja a so a Kaas!" schimpft der Einheimische gerne, wenn ihm was missfällt. Und wenn es sich dabei beispielsweise um einen jener Sommerfrischler handelt, der aus Berlin oder Hamburg kommt und deswegen alles besser weiß, aber seinen Körper das Jahr über noch kein einziges mal der Sonne ausgesetzt hat, dann lästert der Bayer: "So a Kaasloawe!" Was Käselaib bedeutet und auf die fahle Blässe der Haut anspielt.

(Foto: Foto: DDP)

Auch historisch gibt der Käse im Freistaat, respektive der Freistaat bezüglich des Käses, nicht allzu viel her. Weil seit jeher Kuhland, fehlen in der kulinarischen Geschichte Schaf-, Ziegen-, Esel- und Kamelmilchprodukte, also auch Käse aus deren Milch. Und weil es hierorts zwar eine ganze Menge menschlicher, aber keine richtigen Büffel gibt, gibt es auch keinen bayerischen Mozzarella.

Trotzdem ist Bayern bundesweit das Käseland schlechthin. Auf den Wiesen der Republik weiden 4,2 Millionen Kühe, davon 1,3 Millionen allein in Bayern, in der Molkereiwirtschaft arbeiten mit insgesamt 32.345 Beschäftigten fast die Hälfte (gut 14.000) in Bayern. Den Vogel aber schießt der Käse in der Außenwirtschaft ab: Von fast zwei Milliarden Euro Exporterlösen kommt mehr als die Hälfte aus dem Freistaat.

Bevor jetzt aber so typisch bayerische Sorten wie Emmentaler (jawoll, wird gleich erklärt), Weißlacker oder gar Bavaria Blue auf den Tisch kommen, eine kleine Reminiszenz an die Vergangenheit. Bereits die Sumerer verarbeiteten vor gut 5.000 Jahren Milch zu Käse, die Römer brachten die Kunst der Käsezubereitung zu den Germanen und im Mittelalter wurde in der ganzen Alpenregion gekäst, was die Kuh hergab. In Bayern entwickelte sich das Allgäu zur Käsehochburg, dort selbst lud man Anfang des 19. Jahrhunderts Schweizer Sennen zur Nachhilfe, und so wurde hier 1827 der erste Allgäuer Emmentaler angeschnitten. Heute berichtet die Landesvereinigung der bayerischen Milchwirtschaft stolz von 400 bayerischen Käsesorten mit insgesamt 1.000 Geschmacksrichtungen, worunter sich allerdings viele fremdländische Gäste befinden wie etwa der Gouda (aus dem Umland der gleichnamigen Stadt in Holland), der Tilsiter (aus der ehemals ostpreußischen Stadt, die heute Sowjetsk heißt) oder der Romadur, der wahrscheinlich aus Spanien kommt, aber zeitgleich mit dem Emmentaler von Carl Hirnbein, dem damaligen Käsekönig aus Weitnau, im Allgäu nachempfunden wurde.

Nun beißt zwar fast jeder gerne in ein Stück Käse, weswegen dieser auf keinem bayerischen Brotzeitteller fehlen darf, aber nicht alle wissen, wie aus der Milch so ein Käse wird, noch dazu, weil es da drei grundverschiedene Methoden gibt, also auch drei grundverschiedene Käsesorten: den Sauermilchkäse, den Labkäse und den Molkenkäse. Ersterer wird aus Dickmilch oder Quark hergestellt, die Gerinnung besorgt unter anderem Milchsäure; beim zweiten wird Lab zugegeben, ein Gemisch aus verschiedenen Enzymen; beim dritten spielt die Molke die entscheidende Rolle, diese Käse gelten als besonders fettarm. Prinzipiell ist allen Käsearten gleich, dass sie durch das Gerinnen des Eiweißanteils der Milch entstehen. Dass aus zehn Liter Kuhmilch ungefähr ein Kilo Käse wird, ist zwar möglich, aber recht ungenau, weil sowohl Fett- als auch Wassergehalt extrem stark je nach Sorte variieren.

(Foto: Foto: DDP)

Solcherlei Weisheiten werden auch Thema einer Veranstaltung sein, die bereits jetzt, wenn sie schon nicht ihren Schatten wirft, so doch das eine oder andere Gerüchle verbreitet: Die "Olympiade der Käse aus den Bergen". Der edle Wettstreit findet im Oktober 2007 in Oberstdorf statt, sozusagen im Zentrum des bayerischen Käsezentrums Allgäu. Mehr als 300 Käsereien aus zehn Ländern kämpfen dort um die Medaillen, und man kann sicher sein: Gedopt wird hier nicht, hier zählt allein die Qualität. Mal sehen, wie sich der bayerische Käse dort schlägt. Nun stellt sich gerade deswegen natürlich die Frage, welcher Käse nun wirklich das Prädikat "bayerisch" verdiene, da ja Emmentaler & Co. sich dafür schon durch ihre Namen disqualifizieren. Genaugenommen kommt da nur der "Obazde" in Frage, obwohl dessen Schreibeweise auf den einzelnen Speisekarten oft grausam ist, vom "Opatztn" bis zum "Obazden". Dieser besteht aus reifem Camembert, der mit schaumig gerührter Butter gemischt wird. Dazu kommen sehr fein gehackte Zwiebel, Salz, Pfeffer, großzügig Rosenpaprika, Kümmel nach Geschmack und ein Schuss Weißbier. Eine ideale Brotzeit, zu der Radieschen oder Radi gut passen. Vom Bier ganz zu schweigen.

Und doch hat selbst der Obazde einen kleinen Beigeschmack: Es gibt ihn auch in Franken. Als "Grupfdn". Und in Österreich. Als Liptauer. Und in Hessen. Als Hesseschen.

So empfiehlt sich dem Puristen, zumindest dem der Sprache, beim Kauf eines wie auch immer benannten festen Milchproduktes der Satz: "Und dann gebns ma no a Scheibn Kaas dazu. Derf scho a gscheide sei."

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