Langlauf:Präpariert für nordisches Gold

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In den Loipen von Oberstdorf erfahren Langläufer, was Weltmeister leisten müssen. Als Normalsportler gerät man schnell aus der Puste. Aber das macht nichts - es hilft, die Stärke der Besten besser zu verstehen.

Thomas Hahn

Unschuldig liegt das Allgäuer Alpenland im Schnee, als wolle es niemandem etwas zuleide tun, aber der Anstieg zum Burgstall ist giftig, und der drahtige Graubart, der sich auf halber Strecke eine Trinkpause gönnt, untertreibt maßlos, als er ruft: "Der geht ganz schön in die Beine, was?"

Auf den Loipen in Oberstdorf erfähr man den Unterschied zwischen Übereifer und Können. (Foto: Foto: ddp)

Werbung und Wirklichkeit prallen hier aufeinander, und zwar so nachhaltig, dass man schmerzhaft den Unterschied zwischen Übereifer und Können erfährt.

"Auf den Spuren der Weltmeister", verheißt die Loipen-Kampagne der Oberstdorfer Tourismusvermarkter, und das ist man hier tatsächlich, denn genau hier, wo sich technisch ungeschulte Durchschnittsskisportler nur schnaubend und stürzend den Berg hinaufschieben können, werden in den Tagen der Ski-Nordisch-Weltmeisterschaften von Oberstdorf die kommenden Sieger vorbeilaufen.

Elegant und schnell statt außer Puste

Allerdings werden sie nicht zwischendurch anhalten, um Luft zu schöpfen, und ständig über die eigenen Bretter stolpern, sondern elegant und schnell dahineilen, und diese Passage vor allem nur als kleinen Teil ihres Tagwerks verstehen, weil sie hier mehr als einmal hinauf müssen.

Auf den Spuren der Weltmeister kommen Normalsportler jedenfalls ziemlich in Bedrängnis, aber das macht natürlich nichts. So häufig kommt es schließlich nicht vor, dass man am eigenen Leib erleben kann, was die internationale Langlaufelite mit den deutschen Hoffnungen um den Lobensteiner Axel Teichmann zu bewältigen hat. Das hilft, die Stärke der Besten besser zu verstehen.

Und zumindest bis eine Woche vor der WM-Eröffnung am 16. Februar, ehe also die Wettkampfstrecken abgesperrt wurden, konnte das Publikum im Oberstdorfer Ortsteil Ried sogar ein bisschen von dem Flair nachempfinden, das den Einlauf in ein leibhaftiges WM-Stadion umgibt.

Schweres Gerät im Hang

Der Unterschied zwischen einer gewöhnlichen Touristenloipe und einer WM-Loipe ist gewaltig. Einerseits, andererseits gibt es ihn gar nicht, denn natürlich haben die Oberstdorfer Sportplaner die WM-Strecken nicht nur für das Großereignis angelegt, sondern auch als zukünftige Attraktion für ihre Gäste.

Jeder wird sie nützen können und feststellen dürfen, dass sie breiter sind als die üblichen Pfade, dass die Spurrillen bei den Abfahrten die Ideallinie beschreiben, und vor allem dass sie technisch anspruchsvoller sind, viele Kurven, Bergauf- und Bergab-Passagen aufweisen und kaum Abschnitte, in denen man die Ski einfach mal bequem laufen lassen kann.

Es ist wichtig, dass der Schwierigkeitsgrad hoch ist in einem WM-Parcours, denn die Titelkämpfe sollen tatsächlich den stärksten Langläufer hervorbringen, und nicht den, der am Ende eines flachen Kurses am besten taktiert. Und der Schwierigkeitsgrad der Oberstdorfer Strecken ist hoch, Fidel Joas, Technischer Leiter für Langlauf bei der WM, sagt: "Den kann man im oberen Bereich ansiedeln."

Anders als bei einer reinen Touristenloipe reicht dazu die natürliche Topografie eines Gebietes allerdings nicht aus. Schon gar nicht nach den Spielregeln des Weltskiverbandes Fis, der mittlerweile großen Wert darauf legt, dass die einstige Waldsportart Langlauf für Publikum und Fernsehen perfekt einzusehen ist. Und der seine Langlaufdisziplinen in den vergangenen Jahren um Massenstartrennen, Sprints und den Skiathlon erweitert hat.

Auch fürs Fernsehen geeignet

Also haben die Oberstdorfer in enger Zusammenarbeit mit örtlichen Umweltgruppen Teile ihres Bergwaldes abgeholzt, mit schwerem Gerät Trassen in die Hänge gegraben und ein modernes Streckennetz angelegt, das die Veranstalter komplett künstlich beschneien können, genügend Platz bietet und vom Stadion aus gut überschaubar ist.

Bei einer gewöhnlichen Touristenloipe sind lange Landschaftsrunden erwünscht für ausgedehnte Ausflüge in die Natur. Eine WM-Loipe dagegen hat auch circensischen Aspekten gerecht zu werden. Deswegen haben die Oberstdorfer Loipenbauer sich bei den jüngsten Großveranstaltungen genau umgesehen, um möglichen Schwachstellen vorbeugen zu können und auch das Fernsehen, die Haussender ARD und ZDF, in die Arbeiten mit einbezogen.

Containerburgen im Zeichen der WM

Außerdem hat die Fis mitzureden, in deren Auftrag Oberstdorf die WM veranstaltet. Fis-Experte Christian Egli hat die Strecken ausgesucht und in langen Begehungen mit den Fis-Normen abgeglichen. 2004 folgte die Endabnahme, seither sind die verschiedenen Runden zwischen 900 m und 7,5 km in den Gebieten Burgstall und Zimmeroy offiziell anerkannt.

Für Touristen allein hätte niemand so viel Aufwand betrieben. "Man würde für Touristen keine Loipen vorbereiten, indem man sie neu baut", sagt Joas, "man würde die im Gelände anlegen mit Schnee."

Die verschneiten Wälder und Wiesen südlich von Oberstdorf stehen nun ganz im Zeichen der WM. Mächtige Containerburgen sind gewachsen im Start- und Zielgelände, dazu Tribünen aus Stahlrohr, und man fragt sich, wie es wohl im Sommer hier aussehen wird, wenn der Schnee geschmolzen und die WM vorbei ist.

Im Sommer verschwinden die Tribünen

Bleiben die Tribünen als Ruinen zurück und die Hänge als kahle Zeugen eines strapaziösen Winters? Nein, nein, sagt Fidel Joas. Das Stadion wird abgebaut und die Loipen verschwinden im Grün. "Es fällt nur auf, dass das Gelände unnatürlich eben ist."

Auf die Wiesen am Burgstall kehrt dann das Allgäuer Landleben zurück. Für Skiamateure wird der Aufstieg etwas einfacher. Und wo Axel Teichmann sich demnächst vielleicht den entscheidenden Vorteil verschafft, werden wieder die örtlichen Kühe weiden, bis sie satt sind.

© SZ vom 10.2.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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