Kutschen in Rom:Hitzige Debatte um schwitzende Pferde

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Aktivisten wollen Roms Droschkenpferde vor Tierquälerei bewahren. Sie warnen die Kundschaft und rufen zum Boykott auf. Nun wehren sich die verärgerten Kutscher.

Julius Müller-Meiningen

"Wenn die sich noch einmal blicken lassen, dann drehe ich ihnen wirklich den Hals um", sagt Gesù und schickt noch ein paar Flüche hinterher. Seine Kutsche steht im Schatten des Kolosseums, Gesù sitzt auf dem Bock und wartet inmitten des Touristentrubels auf Kundschaft, die sich an den Monumenten der ewigen Stadt vorbeikutschieren lassen will. Doch seit einigen Tagen ist der Frieden vorbei. Italienische Tierschützer haben zum Boykott der ,"botticelle", wie die Kutschen in Rom genannt werden, aufgerufen.

"Schlechte Behandlung, Hitze und am Ende wartet der Metzger." (Foto: Foto: AP)

"Immer wieder kommen diese Idioten hier vorbei und versuchen, die Kundschaft abzuhalten", erzählt Gesù. Die nationale Tierschutzorganisation Enpa hat Touristen aus aller Welt ermahnt, keine der 43 römischen Kutschen mehr zu besteigen. Manche Aktivisten versuchen, die Touristen im Gespräch zu überzeugen, damit diese auf die Fahrt verzichten. Die Pferde litten unter der Hitze und dem Smog, würden schlecht behandelt und endeten am Schluss beim Metzger. "Sie sind zum Tode verurteilt", heißt es in einer Pressemitteilung der Tierschützer.

Auch die Auslandspresse wurde von den Tierschützern zu einer Pressekonferenz eingeladen, seither kursiert der Boykottaufruf zwischen Washington und Peking. Die "vetturini", die römischen Kutscher, sind entsetzt. Am kommenden Mittwoch wollen sie nun selbst vor dem Kolosseum eine Pressekonferenz abhalten und die Wahrheit über Roms Kutschen verbreiten.

Bis dahin spricht keiner. Nur Gesù, den sie Jesus nennen, weil er im Stall geboren wurde, kann nicht an sich halten: "Früher waren die Kutschen die einzigen Taxis in der Stadt. Mein Vater, mein Großvater, seit Jahrhunderten kutschieren wir durch Rom. Klar schwitzen die Pferde, aber ich schwitze ja auch den ganzen Tag. Tierquälerei ist etwas anderes." Im Sommer hätten die Kutschen wegen der Hitze sowieso Fahrverbot von 13 bis 17 Uhr.

Bis zu 100 Euro kostet die Fahrt laut Gesù vom Kolosseum an der Fontana di Trevi vorbei bis zur Spanischen Treppe. Bis zu 250 Euro, behauptet Claudio Locuratolo von der Enpa. Geld, das nur wieder für arme Viecher ausgegeben würde, die die bis zu 700 Kilogramm schweren Kutschen sogar einige der sieben Hügel hinauf ziehen müssten. Sie halten die "botticelle" für eine "mörderische, anachronistische Tradition".

Dass die Kutschen aus einer anderen Zeit stammen, macht sie für die Touristen gerade so attraktiv. "Sie sind ein Symbol der Stadt", so Roms Umweltreferent Fabio De Lillo. "Wir schaffen sie nicht ab."

© SZ vom 12./13.07.2008/lpr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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