Kräuterkunde:Die Kraft des Gänseblümchens

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Kräuterwanderung mit Christiane Martin am Faschinajoch, Großes Walsertal, Vorarlberg. (Foto: Johanna Pfund)

Die Alchemilla-Kräuterfrauen im Großen Walsertal geben untereinander und bei geführten Wanderungen altes Wissen um die Wirkung der einzelnen Pflanzen weiter.

Von Johanna Pfund

Eine echte Kräuterfrau scheut den Regen nicht. Christiane Martin, gelernte Floristin, Bergbäuerin und Kräuterexpertin, marschiert mit ihrem Regenschirm in der Hand den schmalen Pfad vom Faschinajoch hinauf Richtung Stafel Alpe. Sie lenkt den Blick auf die Allerweltskräuter in den Wiesen, die jeder kennt und die doch so speziell sind. Das Gänseblümchen, den Wegerich, die Schafgarbe, den Klee. Die extensiv genutzten Weiden und Wiesen im Biosphärenpark Großes Walsertal sind eine wahre Schatzkammer für diejenigen, die sich mit allem, was da so wächst, auskennen.

Der Spitzwegerich etwa lindert den Juckreiz bei Insektenstichen, er lässt sich in getrockneter Form auch mit anderen Pflanzen zu Tee verarbeiten. Schafgarbe oder Braunelle können generell das Wohlbefinden steigern. Die Schafgarbe ist nahezu ein Wundermittel, in ihr sind alle Wirkstoffe der Schüssler-Salze enthalten, erklärt Christiane Martin. Das gelb blühende Johanniskraut, das roten Saft absondert, wenn man es zwischen den Fingern zerreibt, ist gut gegen Depressionen - aber auch mit Vorsicht zu genießen, betont die Kräuterexpertin. Denn nach dem Genuss von Johanniskraut kann die Haut empfindlich auf Licht reagieren.

Ihr Wissen teilt Christiane Martin im Rahmen des Projekts Alchemilla Kräuterfrauen. Seit zwölf Jahren gibt es dieses Vorhaben im Großen Walsertal, die Frauen geben das alte Wissen um die Kräuter weiter. "Es ist ein gegenseitiges Lernen", sagt die Bäuerin. Man trifft sich, tauscht Kenntnisse aus, verarbeitet Kräuter, oder führt eben Gruppen durch die Bergwiesen, um ihnen die Augen zu öffnen für die oft unbeachteten Schätze am Wegesrand - und auch dafür, wie gewirtschaftet wird.

Christiane Martin zeigt auf dem Weg zur Stafel Alpe auf eine blütenreiche Kräuterwiese, daneben eine sattgrüne, gedüngte Wiese mit deutlich weniger Artenreichtum. Auf Letzterer wird intensiv gedüngt, das Gras wächst schneller, andere Arten verschwinden stattdessen. Mit der Einrichtung des Biosphärenparks Großes Walsertal sei das Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften bei den Landwirten geschärft worden, erzählt Martin. "Der Unesco-Biosphärenpark macht auch uns Landwirten bewusster, was nachhaltige Entwicklung ist."

Am Wegesrand hat Martin inzwischen ein anderes Kraut erspäht. Die spitz zulaufenden Blätter des Guten Heinrich. Wilder Spinat, die jungen Blätter sind ebenso zu verwenden wie handelsüblicher Spinat. Ansonsten verwendet die Kräuterexpertin die gesammelten Pflanzen des Sommers als Tee, als Heilpflanze oder zum Räuchern. Allerdings sollte man, betont Martin, nie eine Pflanze zu Kurzwecken länger als sechs Wochen nutzen. An diesem Regentag aber ist klar, in welcher Darreichungsform es eine Kostprobe der Kräuter gibt: als heißen Tee.

Weitere Informationen: grosseswalsertal.at/Alchemilla_Kraeuterfrauen

© SZ vom 17.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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