Kommentar:Zufriedene Gastgeber

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In Dubrovnik regeln Schilder jetzt den Fußgängerverkehr. (Foto: Jochen Temsch)

Der Tourismus wächst in dem Maße, in dem der Wohlstand steigt. Beliebte Destinationen drohen an ihrem eigenen Erfolg zu ersticken. Höchste Zeit also, dass sie beginnen, die Besucherströme vernünftig zu lenken.

Von Jochen Temsch

Die gute Nachricht ist auch eine heikle: Der Tourismus wächst in dem Maße, in dem der Wohlstand steigt. Heute reisen laut der Welttourismusorganisation UNWTO jährlich 1,3 Milliarden Menschen, bald wird jeder fünfte Erdbewohner unterwegs sein. Beliebte Destinationen ersticken zwangsläufig an ihrem eigenen Erfolg, wenn sie die Besucherströme nicht vernünftig lenken.

Overtourism, das Zuviel an Besuchern, bedeutet: Die Einheimischen fühlen sich im Alltag beeinträchtigt. Die Profite durch den Tourismus sind privat, sie gehen an die Unternehmen - die negativen Folgen des Massenansturms aber sind öffentlich, alle Bürger haben sie zu tragen. Die daraus resultierende schlechte Stimmung bekommen wiederum die Touristen zu spüren, die abgesehen davon auch keine Lust haben, sich gegenseitig auf die Füße zu treten. Irgendwann haben sie genug von einer Destination und fahren woanders hin.

Insofern ist es zu begrüßen, dass in Dubrovnik Lokalpolitiker, staatliche Entscheider, Reederei-Vertreter und Reiseveranstalter miteinander ausloten, wie sich Stoßzeiten vermeiden und Massen entzerren lassen. Es geht vor allem um Kreuzfahrtschiffe. Teils liegt ein halbes Dutzend im Hafen und entlässt Tausende Landgänger zur gleichen Zeit. Der Bürgermeister und die Reedereien haben erkannt, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Die Stadttore schließen könnte man dank der mittelalterlichen Verteidigungsanlage Dubrovniks leicht - aber das möchte niemand. Auch nicht in anderen überlaufenen Städten wie etwa Venedig und Barcelona.

Stattdessen setzt sich die Erkenntnis durch, dass zu viel Tourismus auch zu wenig Management bedeutet und politische Entscheidungen gefordert sind. Instrumente zum Gegensteuern gibt es: versetzte Anlaufzeiten, Slots, Obergrenzen, Kommunikation mit den Besuchern, Investition der Steuern und Gebühren in die Infrastruktur für die Bevölkerung. Politiker und Touristiker dürfen nicht nur an die Zahl der Besucher, sondern müssen auch an die Besuchten denken. Ohne zufriedene Gastgeber gibt es keine zufriedenen Gäste.

© SZ vom 15.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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