Klettern an der Leine:Das Spinnennetz am Fels

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Klettersteigen wird unter Bergfans immer beliebter. Die Alpenvereine sind dennoch wenig begeistert.

Dominik Prantl

Der Klettersteig steht nicht nur in der Beliebtsheitsskala der Bergsportler ganz oben, sondern auch auf der Agenda der Alpenvereine. So will der Deutsche Alpenverein (DAV), der gemäß seiner Statuten auf den Bau von Klettersteigen bislang verzichtet, bei der Hauptversammlung im November die bisherige Richtung korrigieren. "Wir sind dafür, dass die strikte Ablehnung des Baus neuer Klettersteige seitens des DAV aufgehoben wird'', sagt Jörg Ruckriegel, Ressortleiter Natur- und Umweltschutz des DAV.

Immer sicher am Seil: Klettersteiger gehen auf Nummer sicher. (Foto: Foto: dpa)

Zugleich soll bei der Hauptversammlung ein gemeinsam mit dem Österreichischen Alpenverein (OeAV) erarbeiteter Kriterienkatalog vorgelegt werden, der klare Richtlinien bei der Neuerschließung von Routen durch Klettersteige enthält.

Die Alpenvereine erhoffen sich, dadurch einen stärkeren Einfluss beim Anlegen neuer Klettersteige auszuüben. Für viele der neuen Routen sind derzeit nämlich oftmals die marktorientiert handelnden Tourismusverbände und Gemeinden verantwortlich. Ruckriegel musste feststellen, dass dabei "gravierend in die Natur eingegriffen wurde''.

Während in den italienischen Alpen, dem Geburtsort der Vie Ferrate, mittlerweile eine Stagnation zu verzeichnen ist, scheint sich vor allem in Österreich der Klettersteig zum maßgeblichen Attribut der Fremdenverkehrsregionen zu entwickeln: Wer Abenteuer für Jedermann am Berg bieten möchte, schlägt einfach einen Steig in den Fels. Josef Essl aus dem Ressort Raumplanung und Naturschutz des OeAV konstatiert, dass Klettersteige "wie Schwammerl aus dem Boden schießen''.

Österreich ist damit ein Beispiel dafür, wie gering der Einfluss der Alpenvereine bislang ist. Der OeAV stand neuen Routen schon immer ,,kritisch'' (Essl) gegenüber. Dennoch wurde die Errichtung von Klettersteigen anders als beim DAV nicht kategorisch verweigert. Man wollte über die OeAV-Sektionen als mäßigender Akteur auf geplante Klettersteigvorhaben einwirken. Ähnliches verspricht sich nun der DAV.

Die Realität sieht allerdings anders aus: In Österreich wurden in den vergangenen Jahren etwa 20 bis 30 Klettersteige pro Saison errichtet. Dabei ist nicht nur die bloße Zahl, sondern auch die Art entscheidend. Des öfteren wurden Stahlkonstruktionen in Gestalt von Seilbrücken oder Spinnennetzen als effekthascherische Attraktionen im Fels verankert, anstatt die Kletterhilfen möglichst sparsam anzulegen. Das Argument, dass Klettersteige der Besucherlenkung dienen, lässt Ruckriegel nicht gelten: "Das ist auch ein optischer Faktor''.

Für Jan Gürke von der Schweizer Umweltorganisation Mountain Wilderness kann ein "gut angelegter Klettersteig durchaus eine lenkende Funktion haben''. In seiner Heimat wurde auf Initiative des Schweizer Alpen-Clubs (SAC) bereits im Juni 2005 eine Charta verabschiedet, wonach eine maximale Anzahl von 100 Klettersteigen in der Schweiz als sinnvoll erachtet wird.

Gürke geht das nicht weit genug. Zwar hält er die meisten Ansätze - wie die Berücksichtigung regionaler Konzepte und Schonung unerschlossener Bereich - für richtig, doch sollte die Zahl von derzeit 45Klettersteigen nicht überschritten werden. Das heißt: "Neuerschließung ja, aber nur bei Rückbildung anderer.'' Er sieht die Alpenvereine in der Rolle, eine "Koordination auf nationaler Ebene'' zu leisten.

Wie stark die Alpenvereine trotz neuer Ausrichtung (DAV) und Kriterienpapier (DAV, OeAV und SAC) Einfluss nehmen können, ist ohnehin ungewiss. Essl sagt: "Wenn wir keine Grundeigentümer sind, haben wir keine Möglichkeit, den einzelnen Gemeinden etwas zu verbieten.''

© SZ vom 18.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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