Italien:Wackliges Weltkulturerbe

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Kein anderes Land schmückt sich mit so viel Stätten in der Unesco-Liste wie Italien. Und kein anderes geht so schlampig damit um. Jetzt droht einigen Orten die Aberkennung.

"O Bella Italia!", seufzen die Touristen wenn sie am Kolosseum in Rom stehen oder auf dem Canal Grande in Venedig gondeln. Das dachte sich wohl auch die UNESCO, die im Laufe der Jahre 41 Stätten Italiens in die Liste des Weltkulturerbes aufnahm - so viele, wie in keinem anderen Land der Welt. Jedoch geht Italien alles andere als pfleglich mit all der Schönheit um, die schon Goethe so bewunderte.

Das Städtchen Amalfi an der gleichnamigen Küste südlich von Neapel (Foto: Foto: dpa)

Hotel-Betonklötze wachsen neben antiken Gemäuern, zerfetzte Plastiktüten hängen in den Pinien und von wertvollen Gemälden rieselt die Farbe. Deshalb droht jetzt einigen Orten, die bisher als Weltkulturerbe gelten, die Aberkennung dieses Status - wegen Vernachlässigung, Verfall und Verbauung.

"Einzigartigkeit, Authentizität und Integrität" sind die Kriterien, mit denen die UNESCO besondere Orte der Welt auf ihre Liste setzt. Zwar sei Italien hier zahlenmäßig absoluter Spitzenreiter - jedoch gebe es gleichzeitig eine "alarmierende Nachlässigkeit" zu beklagen, warnte jüngst Giovanni Puglisi, Präsident der italienischen UNESCO-Kommission.

Naturlandschaften wie die Amalfi-Küste würden vom Massentourismus verunstaltet, antike Kunstwerke wie die Mosaike in der Villa del Casale auf Sizilien verwahrlosten. "Manche Orte könnten tatsächlich aus der Liste ausgeschlossen werden, so zum Beispiel die äolische Insel Lipari oder die Villen Palladios in Venetien, wo eine Autobahn quer durch die Stätte gebaut werden soll", befürchtet Puglisi.

Schwarzbauten auf geschütztem Gelände

Auch in Deutschland, wo 32 Orte auf der Liste stehen, kennt man das Problem. Der Kölner Dom war bis vor kurzem gefährdet, dem Dresdner Elbtal droht nach wie vor die Aberkennung. Ein besonderes italienisches Problem sind illegal gebaute Gebäude in Gebieten wie dem Tal der Tempel in Agrigent auf Sizilien oder dem Nationalpark von Cilento in Kampanien. Im "Land wo die Zitronen blühen", wie Goethe schrieb, blüht das Geschäft mit dem Schwarzbau. Aber auch genehmigte Bauten würden die schönen Orte verunstalten, berichtete die Zeitung La Repubblica zuletzt. In den Cinque Terre, der berühmten Kulturlandschaft in Ligurien, sollten zum Beispiel rund 40 Villen mit Pools entstehen, hieß es.

Da kann Franco Bonanini nur lachen. Der Präsident des Nationalparks der Cinque Terre sagte: "Diese Behauptung ist schlichtweg falsch. Wir haben hier einige Baracken stehen. Die sollen renoviert und verschönert werden, von Neubauten ist gar keine Rede." Cinque Terre sei weit davon entfernt seinen Status als Weltkulturerbe der UNESCO zu verlieren, meint Bonanini entrüstet. Es gebe einen ausgetüftelten Erhaltungsplan für die Naturlandschaft, erklärt er. Ein solcher Plan ist eine weitere Voraussetzung für alle Stätten, die auf der Liste stehen.

Invasion an den Oster-Feiertagen

"Wir haben ein Problem", räumt hingegen Marco Lisi ein, der Bürgermeister der mittelalterlichen Stadt San Gimignano in der Toskana. Hier lautet der Vorwurf, das Örtchen würde vom Massentourismus verunstaltet. "Das stimmt - allerdings nur an zehn Tagen im Jahr", meint Lisi. Besonders schlimm sei der Einfall der Besucher zu Ostern, und das "macht uns ziemliche Sorgen". Die Situation sei aber keineswegs so gravierend, wie sie dargestellt wird und an 355 Tagen im Jahr völlig in Ordnung, betont er.

Umweltminister Alfonso Pecoraro Scanio will jetzt die Carabinieri - die italienische Militärpolizei - an die bedrohten Stätten schicken, um nach dem Rechten zu sehen und den Streit zu klären. "Und um herauszufinden, wie es überhaupt zu der scharfen Verurteilung seitens der UNESCO kommen konnte."

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