Goussainville-Vieux Pays bei Paris:Laute Geisterstadt

Goussainville-Vieux Pays verfällt. In den maroden Häusern und verlassenen Straßen des kleinen Dorfes bei Paris leben nur noch wenige Einwohner. Schuld an der Verwahrlosung ist der Fortschritt.

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Goussainville-Vieux Pays verfällt. In den maroden Häusern und verlassenen Straßen des kleinen Dorfes bei Paris leben nur noch wenige Einwohner, den einzigen Laden betreibt ein Buchhändler. Schuld an der Verwahrlosung ist der Fortschritt. Wer in Goussainville-Vieux Pays wohl einst gelebt hat? Fragen wie diese dürften Reuters-Fotograf Charles Platiau durch den Kopf gegangen sein, als er das kleine französische Dorf besuchte. Denn Goussainville-Vieux Pays wirkt wie ein Geisterdorf.

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Allein ein Dröhnen stört regelmäßig die Stille in dem Ort, der in ländlicher Umgebung 20 Kilometer nördlich von Paris liegt. Es sind die Linienmaschinen, die den Flughafen Roissy-Charles de Gaulle anfliegen. Die Landebahnen sind nur drei Kilometer von Goussainville-Vieux Pays entfernt.

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Paris' Hauptflughafen verzeichnete im vergangenen Jahr mehr als 490.000 Starts und Landungen, mehr als 61 Millionen Passagiere wurden in Charles de Gaulle abgefertigt. Aber der Flughafen ist nicht nur einer der größten der Welt, sondern zugleich Sargnagel für Goussainville-Vieux Pays. Denn auf die Pläne für den Flughafen folgte der Exodus der Dorfbewohner, die Flughafen-Gesellschaft kaufte viele Häuser auf.

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Schon ein Jahr vor der Flughafen-Eröffnung 1974 stürzte eine Tupolev Tu-144 bei der Pariser Flugschau über dem Dorf ab, zerstörte fünfzehn Häuser und eine Schule, 14 Menschen kamen ums Leben. Ein Schock für die Einwohner des verschlafenen Goussainville-Vieux Pays. Viele zogen weg. Noch mehr, als Techniker den Einwohnern mit einem Lautsprecher demonstrierten, wie laut der Fluglärm bald werden würde. Nicht ohne Hintergedanken.

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"Sie sagten uns, dass die Flugzeuge jede Minute genau über unseren Köpfen vorbeifliegen würden und es doch besser sei, zu verkaufen", erinnerte sich Pierre Murillo vor achtzehn Jahren in der Libération. Manche verließen den Ort auch, ohne ihre Häuser zu verkaufen. Übrig sind leerstehende Gebäude, mit Bretterverschlägen an Türen und Toren - ein tristes Bild.

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Vor allem im Vergleich zu früher: Prunkvolle Villen von einst, wie sie diese Postkarte zeigt, ...

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... sind heute Ruinen, die nur noch vage an längst vergangene Zeiten erinnern.

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Ein- und dieselbe Straße in Goussainville-Vieux Pays, im 19. Jahrhundert und heute: Viel hat sich nicht verändert. Aber die Menschen fehlen. Die zogen ins 20 Kilometer entfernte Goussainville um und ließen ihrer alten Heimat das Anhängsel "altes Land". Oder sie gingen gleich nach Paris.

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Und Goussainville-Vieux Pays verfällt. Diese Tür nutzen nur noch Spinnen, denn für die Häuser finden sich keine Käufer. Zu bedrückend ist der Lärm an der Einflugschneise, und nur wenn der Himmel dank eines Streiks oder einer Aschewolke über Island leer bleibt, ist es endlich ruhig.

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Nochmal ein Blick zurück: Angesichts all der verlassenen Häuser, deren Putz bröckelt und Mauern einfallen, könnte der Name des Cafés "Au Paradis" ("Im Paradies") seltsamer nicht anmuten.

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Aber einige wenige sind geblieben. Zu ihnen gehört Nicolas Mahieu, der im alten Ortskern einen Buchladen betreibt (hier können Sie ein Interview mit ihm lesen) - das einzige Geschäft im Dorf. An manchen Tagen kommt kein einziger Kunde zu Mahieu, also verkauft er seine Bücher mittlerweile vor allem übers Internet. Den Fluglärm höre er schon gar nicht mehr, schreibt Fotograf Platiau in einem Blog.

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Vor vier Jahren konnte die Gemeinde das alte Goussainville für einen symbolischen Euro vom Flughafen zurückkaufen. Nun sollen die maroden Gebäude saniert und die Stadt wieder aufgebaut werden. Eine schwierige Aufgabe, wenn man Platiaus Bilder betrachtet.

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Der Fotograf hofft dennoch, dass in Goussainville-Vieux Pays wieder Leben einkehrt: "Der Fortschritt hat das Dorf zerstört, aber er kann es vielleicht auch wieder aufrichten." Wenn Flugzeuge und Autos erst einmal elektrisch betrieben würden, könne das Dorf aus seinem mehr als einem halben Jahrhundert währenden Schlaf erwachen, so Platiau. Bis dahin dürfte es jedoch eine Geisterstadt bleiben.

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