Frisch bezogen:Wie im Raumschiff

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Das Kapselhotel Area 24/7 in Karlsruhe ist das erste seiner Art in Deutschland. Die aus Japan stammende Idee für die kleinräumigen und günstigen Schlafstätten funktioniert so gut, dass es bald auch in anderen Städten welche geben soll.

Von Dominik Prantl

Das fünfte Element"! Das war es, klar, in dem Film hat man diese Schlafkapseln oder zumindest deren Vorläufer schon einmal gesehen, und zwar in jener Sequenz, als der ewig unterhemdsärmelige Raufbold Bruce Willis und die umwerfend orangehaarige Milla Jovovich in einem Kreuzfahrt-Raumschiff auf dem Weg nach Fhloston Paradise ein kleines Nickerchen einlegen. Wobei sie in guter Science-Fiction-Tradition in einen künstlichen Schönheitskälteschlaf oder so etwas Ähnliches versetzt wurden.

Aber dies ist kein Kreuzfahrt-Raumschiff. Dies ist Karlsruhe. Ja, genau jenes Karlsruhe, das als barocke Reißbrettstadt bislang eher nicht für interstellare Flüge bekannt war, sondern vor allem für ehrwürdige Einrichtungen wie das Bundesverfassungsgericht. Es ist auch nicht Milla Jovovich, sondern Elena Rozhkova, eine gebürtige Russin, die in fließendem Englisch durch das erste Kapselhotel Deutschlands namens Area 24/7 führt. Das ist - sofern man den versteckten Eingang zwischen türkischen Restaurants gefunden hat - relativ schnell passiert. Denn obwohl sich das Area 24/7 seit einer Erweiterung im Dezember nun auf zwei Adressen in der innenstädtischen Kaiserstraße verteilt und es damit insgesamt immerhin 42 Kapseln mit 42 Betten zählt, fällt der Futurismus gewohnt minimalistisch und platzsparend aus.

Geräumiger, als es von außen aussieht: die Schlafkapseln im Kapselhotel. (Foto: area247)

Der ältere, im Mai vergangenen Jahres eröffnete Teil bietet 16 Schlafmöglichkeiten auf 100 Quadratmetern im vierten Stock eines schmucklosen Gebäudes. In manchen Suiten großer Hotels hat eine einzige Person so viel Platz. Die mit weißem Kunststoff verkleideten Kapseln sind wie Stockbetten in Zweierreihen angeordnet, was ein wenig an eine Bienenwabe erinnert; darüber verläuft eine Galerie mit Sitzgelegenheiten und Küche. Zu den 16 Kapseln gibt es genau 16 Küchenschränke, 16 Spinde und 16 Stühle. Wenn es still ist, hört man beim Kaffeetrinken, wie jemand unten im Unisex-Sanitärbereich duscht. Davor war er auf dem Klo. Auch das hat man gehört.

Abgesehen von derartigen Kleinigkeiten lässt sich hier durchaus augenreibend registrieren, mit welch einfachen Mitteln heutzutage jede noch so schlichte Immobilie zum Gastbetrieb umfunktioniert werden kann. "War mal ein Kino", sagt Taimuraz Chanansvi über sein erstes Kapselhotel. Wahrscheinlich ist es auch kein Zufall, dass ausgerechnet ein Quereinsteiger wie Chanansvi, Israeli mit Wohnsitz in Heidenheim und Geschäftsführer der Space Development Group, die Grundidee der kleinräumigen Schlafstätten aus Japan für den deutschen Markt adaptiert hat und diese Hotelform nach der Testphase in Karlsruhe nun schon Ende 2020 in Großstädte wie Hamburg und München tragen möchte. Es hört sich auch gar nicht einmal nur nach dem geschäftlichen Kalkül eines professionellen Immobilienentwicklers an, wenn Chanansvi sagt: "Wir geben alten Gebäuden neues Leben."

Innen voll vernetzt: Die Schlafkapseln richten sich vor allem an die digital aktiven Milennials. (Foto: Sahar Aharoni/aera 24/7)

Tatsächlich weist das Area 24/7 jenseits des sterilen Designs auch insofern in die Zukunft, als es dem verzopften Konzept des Schlafsaals eine im Herbergswesen immer wichtiger werdende Komponente hinzufügt: die Intimsphäre. Wer von Duschgeräuschen oder vom Kaffeetrinken mit wildfremden Millennials die Nase voll hat, krabbelt einfach in die vier Wände seines kleinen Raumschiffs, schließt per Knopfdruck die Schiebetür und gewöhnt die Augen an das blaue Licht. Für ein Zimmer mit einem Meter Höhe und der Grundfläche einer Doppelbettmatratze wirkt es erstaunlich geräumig, was wohl vor allem mit dem Spiegel an der Wand zu tun hat. Kurzer Sicherheitscheck: Feuerlöscher, Feuermelder, Lüftungsschächte, alles da. Ein Blick auf die Temperaturanzeige: 25,9 Grad Celsius, aber das lässt sich regeln.

Natürlich ist selbst auf diesem kleinen Raum alles auf die Social-Media-Generation abgestimmt. In der Kapsel befinden sich unter anderem zwei USB-Anschlüsse, ein Kopfhörer, der passende Kopfhöreranschluss, zwei Fernbedienungen, ein Flachbildschirm, Gratis-Wifi. Rozhkova hat beim kurzen Rundgang erzählt, dass sich hier auch schon eine Gruppe Gamer, also Computerspieler, einquartiert habe. Irgendwann hätten sie sich alle in ihre Kapseln zum Daddeln verzogen, was man bei zielgruppengerechten Preisen ab rund 30 Euro pro Nacht schon mal machen kann. Womöglich steht der Kapsel an sich ohnehin noch eine große Karriere als vielseitige Option zur dezenten Abschottung bevor. In Nachtzügen etwa. Für Studentenbuden auf dem überhitzten Münchner Immobilienmarkt. Oder als schalldichte Powernap-Station im Hochhausbüro, womit wir wieder beim Schönheitskälteschlaf wären. Denn sehr bald legt sich der Nicht-Gamer hin. Man fährt das Blaulicht an einer Konsole herunter, als wäre man Scotty am Warp-Antrieb, und fragt sich kurz vorm Einschlafen, wo man wieder aufwachen wird: Alpha Centauri? Fhloston Paradise? Oder auf dem Apfelstern der Augsburger Puppenkiste? Am nächsten Morgen ist es dann aber doch wieder nur Downtown Karlsruhe.

Area 24/7, The Space Hotels GmbH, Kaiserstraße 170, 76133 Karlsruhe, Übernachtung pro Person ab ca. 30 Euro, Tel.: 07214 / 7004 365, www.area247.de

© SZ vom 20.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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