Friedrich von Metzler:Der Anstifter

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Der Privatbankier Friedrich von Metzler lobt das Engagement der Frankfurter. Auch er gestaltet gern mit.

Interview von Susanne Höll und Meike Schreiber

Allürenpflege ist die Sache von Friedrich von Metzler nicht. Zum Gespräch am Sitz der Privatbank in Frankfurt hat er auch zwei seiner Mitarbeiter gebeten. Er fragt sie immer mal wieder um ihre Meinung. Der 74-Jährige, Chef der zweitältesten Bank Deutschlands, hat seinerseits pointierte Ansichten - zu den Themen Spenden, Zuwanderung und Folgen des Brexits.

SZ: Wie bezeichnen Sie sich selbst? Als Wohltäter, Stifter, Mäzen? Oder als Bankier mit gutem Marketinggeschick?

Metzler: Am besten gefällt mir Letzteres.

Warum?

Ich war immer fasziniert von Wirtschaftsdingen. Ob es die Familiengene sind oder meine Erfahrungen in der Kindheit, ich weiß es nicht. Unsere Familie hatte die Wohnung in der Bank. Nach der Schule bin ich in die Büros gegangen und habe mich dort umgeschaut. Da waren die Mitarbeiter, aber auch Verwandte - Tante, Onkel und auch mein Vater. Deshalb weiß ich nicht, ob mir dieser Beruf lag oder ich ihn verinnerlicht habe. Oder ob ich sonst einfach zu wenig anderes kannte. Unsere eigenen Kinder drängen wir nicht in die Branche. Aber für mich gilt: Ich kann nichts anderes als Bank.

Was hat Sie damals an den Bankgeschäften fasziniert?

Ich habe schon in der Schule - und das dürfen Sie als Journalisten der Süddeutschen Zeitung nicht übelnehmen - den Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen begeistert studiert. Wahrscheinlich war ich der Einzige in der Klasse. Nach dem Abitur sagte mein Vater zu mir, in Deutschland kannst du nicht Finanzen studieren. Also ging ich nach London, New York und Paris. Das war für mich in der ersten Hälfte der Sechzigerjahre ein Traum. 1969 kam ich zurück. Inzwischen bin ich etwas einseitig, vielleicht auch langweilig geworden. Ich neige dazu, über nichts anderes zu reden als über die Bank. Die ist, wenn Sie so wollen, mein Beruf und mein Hobby.

Genauso aber das Stiften, oder?

Natürlich war ich immer begeistert vom Engagement meiner Vorfahren für die Kultur und Wissenschaft in Frankfurt. Ich bin begeistert von dieser Bürgerstadt. Warum ist das so? Frankfurt war Freie Reichsstadt, und der Kaiser war weit weg, wir kümmerten uns um uns selbst und waren froh darüber. Meine Vorfahren haben 1817 die Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung mit anderen Bürgern zusammen gegründet. Wir engagieren uns schon lange im Museum Städel, einer der Ahnen war eine Art Berater dort. Im Museum für Angewandte Kunst befindet sich ein Teil der Sammlung eines anderen Vorfahren. So engagiert sich jede Generation weiter.

Das ist doch Mäzenatentum?

Nein. Wir sind interessierte, freie Bürger. Wir wollen gern mitgestalten und Neues anschieben. So erfanden wir das System "1+1 = 3": Metzler spendete zehn Kultureinrichtungen der Stadt insgesamt zwei Millionen D-Mark. Dies war jedoch verbunden mit einer Bedingung: Die erste Million wurde sofort gezahlt, die zweite würde aber erst dann fließen, wenn die Museen ihrerseits mindestens eine weitere Million gesammelt hätten. Die Häuser haben im Laufe des Jahres großen Schwung entwickelt. Wir reden über Projekte im Wert von insgesamt sieben Millionen. Wunderbar.

Als Wohltäter sehen Sie sich nicht. Sie wollen nicht herablassend wirken?

So ist es.

Mäzen klingt Ihnen zu pompös?

Ja, in meinen Ohren schon. Stifter, das ist besser. Oder eben Anstifter.

Wie entscheiden Sie, was finanziert wird?

Meine Mitarbeiter sagen, ich sei zu großzügig, daher entscheidet ein Kuratorium. Dort sitzen Familienmitglieder und die Partner aus der Bank. Einst hatten wir überlegt, wie wir etwas für Europa machen können. Da entstand die Idee, ein Sprachstipendium für junge Arbeitslose in Südeuropa zu organisieren, die hier ihre Berufslaufbahn starten wollen, weil es in ihrer Heimat keine Stellen für sie gibt. Seit sechs Jahren kommen nun jedes Jahr 15 Stipendiaten für fünf Monate nach Frankfurt. Am Goethe-Institut erwerben sie ein Sprachdiplom. Mehr als 90 Prozent finden dann eine Stelle, die meisten hier, andere in anderen EU-Ländern, manche gehen auch in ihre Heimat zurück.

Wer betreut die Projekte?

Jedes Projekt hat im Haus einen Paten. Wir fahren regelmäßig hin, erkundigen uns, kümmern uns. Und die Organisationen, die wir unterstützen, haben nicht das Gefühl, sie seien Bittsteller, weil sie oft selbst ihr fachliches Know-how beisteuern für das jeweilige Projekt. Metzler ist eine Art Gütesiegel, unsere Spender bekommen regelmäßig Auskunft über den Stand der Projekte und die Verwendung ihrer Gelder. Die Spendenbetreuung obliegt der Kommunikationsabteilung der Bank, das spart Geld. Wir haben aber auch schon Enttäuschungen erlebt, etwa dann, wenn Mitarbeiter einer Organisation kein Interesse hatten, zusätzliche Spender zu werben.

Ist Ihnen Ihr Stifter- Engagement sozusagen in die Wiege gelegt, so wie der Hang zur Bank?

Ja. Wenn die Vorfahren so viel getan haben, kann ich mich doch nicht zurücklehnen und nichts tun. Es ist keine lästige Pflicht. Es ist Freude. Es ist Teamarbeit, es geht durch das ganze Haus.

Stiften Sie auch persönlich?

Wir leben nie über unsere Verhältnisse. Nur bei den Spenden (lacht).

Erhalten Sie Bittbriefe?

Sicher. Und wir schreiben viele Absagen. Meine Mitarbeiter sagen, es seien einige Hundert pro Jahr. Auch das gehört zum Stifterwesen. Schließlich erhalten auch wir selbst Absagen, wenn wir um Geld für Projekte bitten. Wenn möglich, geben wir Tipps fürs Fundraising und weisen auf passendere Spender hin.

Ist Stiftertum nicht anachronistisch, Zeichen von Staatsversagen?

Nein. Der Staat kann nicht alles gestalten. Die Bürger müssen einspringen. Die Frankfurter haben das immer gemacht. Die Universität wurde von engagierten Bürgern gegründet, die Senckenberg-Gesellschaft auch. Die Frankfurter denken, es ist gut, wenn sich der Staat nicht in alles einmischt.

Ist solches Engagement also auch ein Zeichen von Bürgerstolz?

Ja, wenn Sie Stolz im positiven Sinne meinen. Wir sind alle stolz auf Frankfurt. Ich auch. Es gibt andere Städte, die sind sehr stolz und reden über ihre Schätze. In Frankfurt redet man viel zu wenig darüber.

Ist Frankfurt eine geschlossene Gesellschaft?

Im Gegenteil. Wir waren immer eine Einwanderungsstadt. Wenn jemand neu in die Stadt kommt, laden wir ihn - oder sie - ein, bei uns mitzumachen. Hier stehen die Türen offen. Das hat Tradition: Als die Spanier Antwerpen im 16. Jahrhundert überfielen, kamen viele Kaufleute aus Antwerpen zu uns, und zwölf von ihnen gründeten hier 1585 die Börse. Allein ein Frankfurter soll dabei gewesen sein. Die Zuwanderer mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen taten der Stadt gut.

Wie hat sich Frankfurt verändert in den letzten 20, 30 Jahren?

Als ich Schüler war, war Frankfurt eine Provinzstadt ...

Manche Leute sagen, sie sei das bis heute.

Ach was. Mit dem Flughafen ist Frankfurt gewachsen. Nach dem Krieg war Düsseldorf bedeutsam, das Rheinland, das Ruhrgebiet, Hamburg auch. Frankfurt war fern der industrialisierten Gebiete. Und seither haben wir aufgeholt.

Spazieren Sie manchmal durch Frankfurt?

Ich fahre meistens. Und wundere mich, wie es sich verändert hat, verschönert. Auch ich sollte mir mehr Zeit nehmen, mich umzusehen.

Wie wird der Brexit Frankfurt verändern?

Der Brexit ist eine Katastrophe. Nicht für Europa, aber für Großbritannien. Die Briten werden erkennen, dass sie einen Fehler gemacht haben. Ich liebe die Briten, aber sie sehen sich nicht als Teil des Kontinents. Dagegen rücken jetzt einige EU-Länder wieder näher zusammen - das wiederum ist ein positives Zeichen für Europa. Ich bin letzten Endes ein hoffnungsloser Optimist. Und die jüngere Geschichte hat mir oft genug recht gegeben, wie zum Beispiel die friedliche Überwindung der deutschen Teilung zeigt. Und so hoffe ich auch diesmal: Wenn sich die Briten mit den Einzelheiten und den Folgen des Austritts beschäftigen, kommen die zurück. Nicht morgen, nicht übermorgen. Längerfristig, irgendwie, hoffentlich.

Und vorher kommen die Banker von London nach Frankfurt?

Die Stadt wird profitieren. Neue Banken werden kommen, interessante neue Menschen, auf die wir uns freuen. Sorge macht mir dagegen, dass wir mit wachsender Konkurrenz nicht mehr so leicht gute Mitarbeiter finden. Und vermutlich wird die Lage am Wohnungsmarkt schwieriger. Allerdings sind die Probleme mit den hohen Mieten auch hausgemacht. Der starke - ich würde sagen: übertriebene - Mieterschutz hat dazu geführt, dass nicht mehr genug Mietwohnungen gebaut werden, nun sind es hauptsächlich Eigentumswohnungen.

Aber eine Stadt wie Frankfurt muss es doch auch einer Krankenschwester ermöglichen, im Zentrum zu leben.

Sicher. Alle müssen in Frankfurt leben können. Aber dass sie es nicht können, ist nicht die Schuld der Stadt, sondern der Bundesregierungen mit den Mieterschutzbestimmungen.

Manche, übrigens auch Banker, klagen, Frankfurt sei nicht weltstädtisch genug, jedenfalls im Vergleich zu London.

Also: Unsere Oper ist eine der besten Europas. Unser Schauspiel ist gut. Und wir haben auch das English Theatre. Die Fahrtwege hier sind kurz, selbst wenn man außerhalb der Stadt lebt. Familien mit Kindern leben hier leichter als in London. Es gibt internationale Schulen. Man muss dort bezahlen, aber weit weniger als in London.

Wird hier bald noch mehr Englisch gesprochen?

Ich hoffe sehr. Vielleicht gelingt es uns, dass in der übernächsten Generation die jungen Leute die englische Sprache genauso gut beherrschen wie die deutsche. Wie sollen wir uns denn ansonsten verständigen auf dieser Welt, mit Japanern, Chinesen und Arabern? Wir sollten uns freuen, dass es eine europäische Weltsprache gibt. Ich liebe Goethe, ich liebe seine Sprache. Es gibt Deutsche, die das Deutsche aus sprachnationalistischen Gründen verteidigen. Das ist vertane Zeit.

Sie sind Bankier, Sie sind Stifter. Ist Geben seliger als Nehmen?

Ich nehme auch gern, keine Frage. Aber nicht nur Geld. Zuneigung, Sympathie, einen Gefallen. Aber ich will auch Freude machen. Leben ist ein Geben und ein Nehmen.

© SZ vom 26.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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