Folgen des Massentourismus:Am Mittelmeer wird's eng

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Urbanisierung und Wassermangel, Umweltprobleme und Überfischung - die mediterrane Region droht ein Opfer ihrer Anziehungskraft zu werden.

Einige in bauwütiger Zeit begangene Sünden der Vergangenheit ragen noch unübersehbar in den azurblauen Himmel. Längst wetteifern die Stadtväter von Saint-Raphaël mit dem Nachbarn Fréjus aber mehr "in die Breite" - die zwischen Saint-Tropez und Cannes gelegenen Küstenkommunen wuchern zu einer "Agglomeration" für bald 100 000 Menschen aus. So ist die Verstädterung der Côte d'Azur beispielhaft für die immer stärkere Belastung des Mittelmeerraumes.

Urbanisierung und Wassermangel, Umweltprobleme und Überfischung, die mediterrane Region droht ein Opfer ihrer Anziehungskraft zu werden. Immer eindringlicher warnen Fachleute, die Mittelmeerküste werde nach und nach zubetoniert. Die Belastungen durch die Touristenflut nimmt - vor allem beim Autoverkehr und den Abfallbergen - überhand.

Folgen des Klimawandels

Der Klimawandel bringt als Geißel des 21. Jahrhunderts weit öfter als anderswo Dürre und Waldbrände sowie Schädlingsplagen mit sich. Wie der mediterrane Notstand im Jahr 2025 "La Grande Bleue" heimgesucht haben wird, sofern sich die Anrainerstaaten nicht zu einer radikalen Umkehr durchringen, hat ein Regionalzentrum der UN- Umweltorganisation UNEP als ein warnendes Szenario zusammengestellt.

Zu seinem Fazit gehört vor allem, dass nur eine deutlich verstärkte Nord-Süd-Zusammenarbeit helfen könnte. Was soll man sonst noch tun, um Schlimmes abzuwenden? Wasserverbrauch und -verschwendung müssen eingedämmt, erneuerbare Energien gefördert werden. Es gilt, auf den öffentlichen Transport und ökologische Infrastrukturen zu setzen.

Mindestens 174 Millionen Menschen leben nach der 430 Seiten dicken Bilanz und Prognose "Blauer Plan" im Jahr 2025 an den Küsten des Mittelmeeres (2005: etwa 150 Millionen). Demographen nennen das, was auf die Region zukommt, einen galoppierenden Bevölkerungszuwachs.

Weitere 4000 Küstenkilometer werden, wenn alles so weiter geht, in zwei Jahrzehnten zubetoniert sein - die Hälfte der Küste wird dann der Urbanisierung und der Infrastruktur geopfert worden sein, darunter 1,5 Millionen Hektar Agrarland. Wasser wird immer knapper, gerade am südlichen Rand des Meeres, dessen 46 000 Kilometer Küste sich 21 Länder teilen. Mehr Fabriken, Transportstrukturen, Abwassersorgen, eine um Millionen und Abermillionen steigende Touristenzahl, während sich die Schiffsfracht auf dem Mittelmeer fast vervierfacht - diese sich abzeichnenden Belastungen treffen besonders den ärmeren Süden.

Wasserverbrauch einschränken

"Schwaches Wirtschaftswachstum, Klimaerwärmung, zunehmende Urbanisierung, die Gefahr liegt dabei vor allem in der Aussicht auf einen verstärkten sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bruch zwischen dem Nord- und dem Südufer", halten die 300 Fachleute des von Guillaume Benoît geleiteten "Plan-Bleu"-Teams fest. Wenn die Anrainer nicht dem Tourismus, ihrer wesentlichen Einnahmequelle, das Wasser abgraben wollen, müssen sie den Verbrauch des kostbaren Nass einschränken. Benoît hält es auch für besser, mehr eine dauerhafte Entwicklung anzustreben statt nur auf freien Warenhandel zu setzen.

Meeresbiologen warnen

Beileibe nicht nur die Menschen leiden nach der Diagnose der Fachleute unter dem geballten zivilisatorischen und ökologischen Druck auf das Mittelmeer und seine Küsten. So sind Mönchsrobbe und Seeschildkröte bereits verschwunden oder drohen dort auszusterben.

Eingeschleppte Algenplagen greifen um sich, und die Meeresbiologen klagen über eine "anarchische Entwicklung der Aquakultur". Wer am Mittelmeer arbeitet, der lebt zumeist von Tourismus, Landwirtschaft oder Fischfang. Und er hofft darauf, dass die Politiker etwas tun.

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