Finnland:Häschenbude

Lesezeit: 2 min

Helsinkis erster veganer Kiosk wurde in nur acht Tagen mithilfe eines Crowdfunding-Modells gegründet. Die Macher von "Jänö" haben Erfolg - obwohl es dort kein Bier gibt. Früchte-Smoothies und Kaffee mit Soja-Milch tun's offenbar auch.

Von Steve Przybilla

Kiosk, Büdchen, Späti: Stünde die kleine Bretterbude, die man gegenüber dem finnischen Nationalmuseum findet, in Deutschland, es gäbe viele Bezeichnungen zur Auswahl. Hier in Helsinki nennt man sie einfach nur "Jänö". Das bedeutet so viel wie Häschen und ist eine kleine ironische Anspielung auf das, was im Inneren verkauft wird: Soja-Würstchen, Pommes, Hot Dogs und "Pulled Pork" auf pflanzlicher Basis. Jänö ist der erste vegane Kiosk der Stadt. Daran müssen sich die Finnen erst mal gewöhnen.

Hinter dem Schiebefenster steht ein junger Mann mit blauen Augen, der seine langen, blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hat. Er heißt Jaakko Blomberg, ist 33 Jahre alt und bezeichnet sich selbst als Stadtaktivisten. Fast jeder in Helsinki hat irgendwann schon einmal von Blomberg gehört. Weil er einen Flohmarkt ohne Genehmigung organisiert hat. Weil er einen "Tag der offenen Sauna" ausrief. Weil er die grauen Hochhäuser der Vorstadt bemalen lässt, ohne die Behörden um Erlaubnis zu fragen. Und am Ende trotzdem damit durchkommt. Blomberg ist ein Rebell, der aus nur einem Grund rebelliert: Er möchte seine Stadt verschönern, und das am liebsten gestern statt morgen.

Blombergs neuestes Projekt: Jänö. Die Hauptstraße und der Taxistand liegen direkt vor dem Kiosk und bringen stetige Kundschaft. Seit August 2016 existiert der vegane Kiosk. Innerhalb von nur acht Tagen hat Blomberg per Crowdfunding rund 40 000 Euro gesammelt, um den leer stehenden Holzverschlag neu einzurichten: ein großes Schaufenster auf der Vorderseite, eine Fritteuse im hinteren Bereich. Der Strom kommt - natürlich - mittels Solarzellen zum Bräter. Rings herum ein paar Klappstühle, damit niemand die vegane Wurst im Stehen verschlingen muss. Das wäre schließlich ungesund.

Von vorne sieht Jänö tatsächlich wie ein Kiosk aus. Es gibt Süßigkeiten, Früchtetee, Kaffee und Club Mate - ein Getränk, das Blomberg lieben lernte, als er mehrere Jahre in Berlin lebte. "Zu Hause habe ich schon immer vegan gekocht", sagt er, "aber unterwegs ist das oft nicht leicht. Das wollte ich ändern." Wenn man's genau nimmt, ist Jänö also kein Kiosk, sondern eine Imbissbude. "Leider ohne Lizenz", sagt Blomberg, weshalb bislang kein veganes Bier, sondern Früchte-Smoothies über die Ladentheke gehen.

"Ohne Social Media wäre all das nicht möglich gewesen", sagt Blomberg, der sich selbst als "kleinen Teil" einer großen Bewegung bezeichnet. Insgesamt 200 Personen umfasst die Kooperative, die Jänö gemeinschaftlich betreibt - Blomberg ist ihr Gesicht. Und sichtlich zufrieden. "Wir machen fast jeden Tag Gewinn und haben mehrere Mitarbeiter eingestellt, die den Kiosk betreiben." Er selbst kommt kaum dazu; schließlich wartet überall in der Stadt eine triste Gegend, die verschönert, besprüht, bemalt oder bekannt gemacht werden will.

Aber auch für den Kiosk hat Blomberg noch allerlei Pläne. Demnächst sollen die veganen Speisen zu Kunden nach Hause geliefert werden - das Lastenfahrrad steht schon bereit. Das soll dazu beitragen, die Bekanntheit von Jänö weiter zu steigern. Was vielleicht auch nötig ist: Justin Kroesen, der erste Kunde an diesem Morgen, hätte beinahe seinen Kaffee zurückgegeben. "Der schmeck irgendwie komisch", meint der Kunsthistoriker, "ich glaube, die Milch ist sauer." Nein, sagt die freundliche Kiosk-Mitarbeiterin: "In Ihrem Kaffee ist Soja-Milch drin. Die muss so schmecken."

Der Kiosk liegt gegenüber dem finnischen Nationalmuseum, Museokatu 12 . Er hat wochentags von 10.30 Uhr bis 21 Uhr geöffnet; am Wochenende bis fünf Uhr morgens, http://janokioski.fi

© SZ vom 28.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: