EuGH-Urteil für Passagiere:Geld bei großer Verspätung

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Fluggesellschaften müssen Passagiere mit mindestens 250 Euro entschädigen, falls ihr Flieger drei Stunden und später abhebt als geplant.

C. Gammelin, J. Flottau

Reisende, deren Flüge sich mehr als drei Stunden verspäten, haben künftig Anspruch auf Entschädigung. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Das Urteil stärkt die Rechte der Kunden. Bisher waren Reisende nur bei Annullierung anspruchsberechtigt.

Den Richtern des EuGH zufolge steht Reisenden ein Ausgleich zu, da sie durch den Zeitverlust einen Schaden erleiden, der in vielen Fällen einer Annullierung gleiche. Nur bei außergewöhnlichen, von der Fluggesellschaft nicht beherrschbaren Umständen, bestehen keine Ansprüche.

Mit seiner Entscheidung vom Donnerstag erweitert das höchste europäische Gericht die Ansprüche, die sich aus der derzeit gültigen EU-Verordnung über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste gegen die Fluggesellschaft ergeben. Brüssel muss das Gesetz entsprechend nachbessern.

Die Höhe der pauschalierten Schadenersatzzahlungen richtet sich nach den Flugentfernungen. Entscheidend ist jeweils die einfache Strecke. Verspätungen auf Flügen bis zum 1500 Kilometer Entfernung werden mit 250 Euro entschädigt. Für die doppelte Strecke gibt es 400 Euro, für darüber hinaus gehende Flugstrecken 600 Euro. Anspruchsberechtigt sind alle Bürger der Europäischen Union. Zahlen müssen alle Fluggesellschaften und Reiseanbieter. Dies gilt für Linienflüge ebenso wie für Pauschalreisen.

Das verbraucherfreundliche Urteil löste bei Reise- und Fluganbietern wenig Freude aus. "Fluggesellschaften müssen sich auf wachsende Ausgleichsansprüche einstellen", sagte Kai Wehrhahn, Fachanwalt einer großen Berliner Kanzlei. Das Urteil habe erhebliche Auswirkungen auf die nationale Rechtsprechung. Künftig gelte das Recht für Bahngesellschaften auch für die Flugunternehmen. "Wenn die vereinbarte Leistung nicht oder nur mit Einschränkungen erbracht wird, hat der Kunde das Recht auf Entschädigung".

Anlass des EuGH-Urteils sind Klagen, die dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe und dem österreichischen Handelsgericht in Wien vorliegen. Fluggäste hatten Ausgleichszahlungen gefordert, weil sie bei Flügen der Fluggesellschaften Condor und Air France eine Verspätung von 25 bzw. 22 Stunden gegenüber der vorgesehenen Ankunftszeit in Kauf nehmen mussten.

Am Donnerstag verhandelte auch der Bundesgerichtshof (BGH) einen ähnlichen Fall. Es geht um einen Flug, der nach einer Zwischenlandung abgebrochen worden war und nach einer Umbuchung der Fluggäste mit 30 Stunden Verspätung sein Ziel erreichte. Noch im April hatte der BGH Ansprüche bei einer ähnlichen Klage abgewiesen.

In der Luftverkehrsbranche hieß es unmittelbar, nachdem das Urteil verkündigt worden war, die Folgen seien schwer abzuschätzen. In der Vergangenheit hatten sich vor allem Billigfluggesellschaften wie Ryanair vehement gegen Entschädigungen gewehrt. Die Summen stünden in keinem Verhältnis zu den oft niedrigen Ticketpreisen.

Entschädigungen in bestimmten Fällen zu zahlen, ist bei vielen Fluggesellschaften seit langem üblich. Sind Flüge überbucht, versuchen viele Airlines ihre Kunden durch Prämien davon zu überzeugen, sich freiwillig auf eine spätere oder andere Verbindung umbuchen zu lassen. Auf diese Weise wollen sie vermeiden, fest gebuchte Kunden gegen deren Willen nicht befördern zu können. Werden Passagiere wegen Überbuchung nicht befördert, steht ihnen eine Entschädigung von mindestens 125 Euro zu.

Hohe Mehrkosten für die Branche

In Branchenkreisen hieß es, die Strafen in Höhe von mindestens 250 Euro bei Verspätungen seien sehr hoch. Auch sei es oft zweifelhaft, ob tatsächlich die Fluggesellschaft die Verspätung verursacht habe oder die Flugsicherung beziehungsweise die Flughäfen. Bei Lufthansa hat die Kundenbetreuung einer Sprecherin zufolge ohnehin "hohe Priorität."

Es gibt keine veröffentlichten Statistiken darüber, wie viele Flüge tatsächlich drei Stunden oder mehr verspätet sind. Dem jüngsten Verbraucherbericht der Association of European Airlines (AEA) zufolge waren zuletzt 83,2 Prozent aller Kurzstrecken- und etwa 70 Prozent aller Langstreckenflüge der Verbandsmitglieder pünktlich. 1,9 Prozent aller Kurzstreckenverbindungen und 0,7 Prozent aller Langstrecken wurden komplett gestrichen. Für diesen Fall mussten die Airlines aber ihre Kunden schon bisher entschädigen. Dennoch verwies ein Branchenvertreter darauf, dass die Strafen für die Airlines womöglich zu hohen Mehrkosten führen würden.

© SZ vom 20.11.2009/dd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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