Ende der Reise:Wandern lernen

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Das Wandern war die beste Bewegung, die wir im Laufe der Evolution erlernt haben. Inzwischen haben wir allerdings vergessen, wie es geht. Wie gut, dass uns jetzt eine Bergsteigerschule dabei hilft, wieder Tritt zu fassen.

Von Hans Gasser

Der Mensch, auch Homo sapiens genannt, ist eine Art weiterentwickelter Affe. Das ist, wie jeder weiß, kein Witz, sondern Wissenschaft. Jedenfalls ist er für zwei Dinge geschaffen: das Klettern und das Gehen. Letzterem kommt in der Entwicklung unserer Spezies die größere Bedeutung zu, seit der Mensch den aufrechten Gang erlernt und sich vor etwa 70 000 Jahren aus den Savannen Ostafrikas aufgemacht hat, alle anderen Erdteile zu erwandern. Das hat ein bisschen gedauert, aber heute sind wir überall auf der Welt so zahlreich, dass man mit Fug und Recht sagen kann: Das Wandern war die beste Bewegung, die wir je erlernt haben - zugegeben: nur für uns, nicht für die anderen Spezies, denen wir im Laufe der Zeit begegnet sind und die es deshalb heute nicht mehr gibt.

Nun ist es so, dass der Mensch heute das Wandern und Gehen wieder ziemlich verlernt hat. Zumindest in jenen Gegenden, in denen er auch fahren kann, weil er das Geld für Autos und Sprit besitzt. Wir sind halt sehr anpassungsfähig. Statt Büffel oder Gazellen zu jagen, fahren wir im SUV zum Einkaufen, statt uns am Lagerfeuer Mythen zu erzählen, sitzen wir geknickten Hauptes in der U-Bahn und starren auf kleine Bildschirme. Aber irgendwann schrecken wir auf und fragen uns: Was mache ich da? Wir kaufen uns Abonnements für Fitnessstudios oder eine Mitgliedschaft im Alpenverein. Denn tief drinnen merken wir: Ich bin ja für die Bewegung geschaffen, ja, vor allem für das Gehen.

Aber wie zum Teufel macht man das? Gehen in der Ebene kriegen die meisten ja noch einigermaßen hin. Aber sobald der Weg ruppig und steil wird, sieht es bei vielen von uns HDTV- Sapiens düster aus. Wie gut, dass die Bergsteigerschule Watzmann in Berchtesgaden nun Abhilfe schafft: Der Bergführer Hansi Stöckl bietet ein E-Learning-Programm für das alpine Wandern an. In vielen Video-Tutorials zeigt und erklärt der Hansi uns Couch-Kartoffeln, wie man geht, Trittsicherheit bekommt, Stöcke einsetzt oder eine Wandertour plant. Wir erfahren etwa: "Es liegt auf der Hand, dass ein guter Gleichgewichtssinn, eine allgemeine körperliche Fitness und eine gewisse psychische Stabilität die Trittsicherheit positiv beeinflussen." Klar. Aber Hansi macht es auch vor im Video und zeigt, dass "die Hüfte immer über den Beinen, der Oberkörper also leicht nach vorne gebeugt" sein sollte. Wer sich darüber jetzt lustig macht, dem sei gesagt: Begehrte Youtube-Tutorials gibt es zu evolutionsmäßig viel unwichtigeren Dingen als dem Gehen. Nämlich: Wie bade ich meine Katze? Wie schminke ich mich? Wie wechsle ich die Zündkerze?

Deshalb gebührt dem Stöckl Hansi Respekt. Schließlich bringt er uns, in digital zeitgemäßer Form, unsere wichtigste Fortbewegungstechnik wieder bei. Und damit nicht genug! Unter #hansihilfteuchhoch kann man seine Erfahrungen beim Gehenlernen mit anderen teilen. Danke, Hansi!

© SZ vom 02.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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