Ende der Reise:Mitten in der Natur

Lesezeit: 1 min

Man könnte neidisch werden, wenn man die Fotos von Camperurlaubern anschaut. Doch die lästige sechsbeinige Nachbarschaft findet selten Erwähnung.

Von Jochen Temsch

Auf den Fotos sieht das immer so toll aus: Der Campingbus ist im Schatten einer Pinie geparkt, die Weinflasche steht auf dem Klapptisch, die Kinder buddeln im Sand und ein zufriedenes Elternpaar strahlt mit dem Sonnenuntergang um die Wette. Ja, so schön soll es sein, das Leben im Transporter, das #Vanlife, wie es die hippe Community nennt, die ihre Erlebnisse und Umbautipps im Internet teilt. Dort erfährt man dann zum Beispiel, wie ein Stuttgarter Hobbyschreiner einen betagten Einsatzwagen der Freiwilligen Feuerwehr ruckzuck zum rollenden Urlaubsdomizil umgezimmert und "Herbert" getauft hat. Aber womit auf dem Portal keiner angibt, ist die lästige Nachbarschaft, mit der Kleinbusunternehmer ihre temporären Nachtlager teilen müssen. In der Pinie kreist der Moskito, im Sand wohnt der Floh, unterm Klapptisch lauern Schabe und Feuerameise - und das ist noch längst nicht alles, was das Bestiarium der Campingplätze aufzubieten hat.

Ein besonders drastischer Fall von entomologischem Reisemangel hat sich aktuell in der Provence ereignet. Dort wurden mehrere Urlauber beim Bürgermeister des malerischen Dörfchens Beausset vorstellig und beklagten sich über den "stundenlangen" und "ohrenbetäubenden" Lärm der Zikaden. Der gute Mann sagte in einem Radiointerview, er habe vergeblich versucht, den Touristen zu erklären, dass dies eben der Soundtrack der lieblichen Provence, also Musik in den Ohren ihrer Bewohner sei. Die entnervten Besucher wollten vom Dorfvorsteher nur wissen, welches Vernichtungsmittel am besten im Kampf gegen die rasselnden Insekten wirke.

Erst Gift sprühen, dann in Ruhe Aperitif schlürfen - ein interessanter Ansatz für alle, die gerne mitten in die Natur fahren. Wer beim Innenausbau seines Campers einfallsreich war, wird ja wohl auch beim Modifizieren der Stellplatzumgebung kreativ sein dürfen. Schwimmen im Meer: ja, aber lieber ohne Fische und anderes Geglibber - eine Stange Dynamit reicht für 50 Meter ungestörtes Kraulen. Lavendelfelder anschauen: schön, aber der Geruch! Ein paar Mal im Leerlauf das Gaspedal durchgetreten, und auch dieses Problem ist erledigt. Und überhaupt das ganze Campen. Es wäre so wunderbar - ohne die gestörten Camper.

© SZ vom 30.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: