Ende der Reise:Mantras für Urlauber

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So sieht die Corona-Polizei in Indien aus. Ob das kindgerecht ist? (Foto: dpa)

In Indien haben Touristen gegen die Ausgangssperre verstoßen - und wurden von der Polizei gemaßregelt. Auf besondere Art.

Von Jochen Temsch

Selbstmotivation ist das Gebot der Stunde. "Ich schaffe das!", "Alles wird gut!", "Das Leben geht weiter" - wer sich solche Sätze vorsagt, kommt besser durch die Corona-Krise als jemand, der alles den Bach hinuntergehen sieht. Das Wissen um die Macht der Sätze stammt, wie so viele Kenntnisse über die Verbindung von Geist und Körper, aus dem Hinduismus und Buddhismus. Mantras brabbeln, das ist eine seit 3000 Jahren bewährte Methode, um spirituelle Kräfte zu aktivieren. Anhänger der uralten Heilslehre glauben, dass man Worte nur oft genug wiederholen muss, um sie wahr zu machen.

Deshalb lohnt sich jetzt ein Blick an den Ursprungsort der Murmelmagie: Indien, genauer gesagt Rishikesh. Die Meditationszentren der Stadt sind weltberühmt, seit sich die Beatles dort 1968 in einem Ashram ihre Schnurrbärte wachsen ließen. Heutzutage kommen vor allem Yoga-Fans. Etwa 700 westliche Touristen machen sich derzeit immer noch in Rishikesh locker - zu locker, wie sich diese Woche gezeigt hat.

Auf der Suche nach Sinn verirrten sich Urlauber auf die Straße und verstießen damit gegen die Auflagen zur Bekämpfung der Pandemie. Die Polizei griff zehn Unvorsichtige auf, verhielt sich dabei aber so besonnen, wie man sich das an einem Ort der Weisheit nur wünschen kann. Als Strafe verhängten die Beamten nicht etwa Geldbußen, sondern teilten Blöcke aus und ließen jeden der Touristen 500 Mal den Satz schreiben: "Ich habe mich nicht an die Ausgangssperre-Regeln gehalten, und das tut mir sehr leid." Nun könnte man einwenden, dass sich an dieser Maßnahme eine gewisse Mutation der hinduistischen Philosophie in Richtung wilhelminische Rohrstockpädagogik zeigt. Was kommt als Nächstes? Still in einer Ecke stehen, mit dem Rücken zum Taj Mahal? Einen Eselshut aufsetzen? Damit würde man in Indien nicht einmal auffallen, weil die Polizei auf Streife teils selbst merkwürdige Kopfbedeckungen trägt: Helme mit Corona-Stacheln. Nein, das Mantra der Schuld ist immer noch harmlos im Vergleich zu den anderen Strafen, die sich indische Ordnungshüter einfallen lassen. Regelbrecher mussten auch schon Kniebeugen machen, manchen wurde angedroht, sie würden in einen Raum gesperrt, in dem ununterbrochen Bollywood-Songs liefen. Dann lieber 500-mal "I'm so sorry" kritzeln. Eine Erkenntnis zum Aufenthalt in dem Land stellt sich dabei garantiert ein - die Frage ist nur, welche.

© SZ vom 16.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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