Ende der Reise:Lernen von den Alten

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Gerade wurden 10 000 repräsentativ ausgewählte Menschen aus Europa gefragt, auf welche Innovationen aus den vergangenen 20 Jahren sie im Urlaub auf keinen Fall verzichten wollen. Die überraschende Antwort: den Rollkoffer.

Von Jochen Temsch

Heute und morgen ist ganz schön was los auf dem Planeten: Am 27. September findet der internationale "World Tourism Day" statt, ausgerufen von der Welttourismusorganisation UNWTO. Dabei geht es um die Belange aller Bereisten und Reisenden - im vergangenen Jahr immerhin 1,3 Milliarden Menschen. Und kaum ist ihr Tag vorüber, dämmert der "Tag des deutschen Butterbrotes" herauf, den die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft einst eingeführt hat, um typische, bodenständige Ernährungsgewohnheiten zu würdigen.

Der eine Tag hat mehr mit dem anderen zu tun, als man auf den ersten Blick für möglich halten würde. Zumindest, wenn man einen Gedanken zu Ende bringt, den die Marktforscher des Reiseportals Weg.de hatten. Aus Anlass des Welttourismustages fragten sie zwar nicht die gesamte Welt, aber doch zumindest 10 000 repräsentativ ausgewählte Menschen in Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland, auf welche Innovationen aus den vergangenen 20 Jahren sie im Urlaub nicht mehr verzichten wollen. Die überraschende Antwort: Sowohl die Deutschen als auch ihre europäischen Nachbarn hielten den Rollkoffer für den nützlichsten Einfall der jüngeren Geschichte.

Nicht Datenroaming und Online-Check-in, nicht Reiseportal oder Digitalkamera, nicht Bewertungs-Apps oder Google Maps liegen in der Gunst der Touristen ganz vorne. Sondern eine kulturelle Errungenschaft, deren erste Abbildung bereits 5000 Jahre alt ist und auf Rollsiegel aus Lapislazuli geschnitzt wurde, die Archäologen in der prähistorischen Stadt Uruk in Mesopotamien ausgruben: geflochtene Körbe, Guffas, von denen das Wort Koffer abgeleitet ist. Ob die Bewohner von Uruk gleich anschließend auch das Rad erfunden haben, aus dem dann Rollen entwickelt wurden, ist umstritten. Ganz klar ist jedoch, dass der Koffer als uralter Geniestreich bezeichnet werden muss.

Jetzt könnte man natürlich einwenden: Na und? Alle Reisehilfsmittel, die sich ungefähr seit der Uruk-Zeit bewährt haben, sind unterwegs nützlicher als sämtliche digitalen Geräte der vergangenen 20 Jahre zusammen. Zahnbürsten, gedruckter Lesestoff und Butterbrote zum Beispiel, die nicht nur den Vorteil haben, sauber, satt und gescheiter zu machen, sondern auch stets einsatzbereit sind, selbst dann, wenn das Internetcafé mit den horrenden Preisen für Waschlappensandwiches und heiße Plörre mit Sojaschaum to go geschlossen hat, und höchstens abstürzen, wenn sie vom Tisch fallen. Aber damit würde man die Schwarmintelligenz der Touristen auf ungerechtfertigte Weise heruntermachen. Vielmehr darf man hoffen.

Auch wenn sich der Eindruck verfestigt hat, dass 1,3 Milliarden Menschen auf den Straßen der Welt nur noch auf ihr Handydisplay starren und ohne GPS nicht einmal mehr den Hauptbahnhof finden, gibt es noch Kofferbenutzer und andere analog denkende Menschen, die wissen, wo es beim Reisen langgeht.

© SZ vom 27.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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