Ende der Reise:Gondelnde Treibhäuser

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Mit dem Winter verhält es sich ungefähr so wie mit den Zügen der Deutschen Bahn: Jeder Mensch ahnt, dass er irgendwann kommen muss, nur keiner weiß, wann genau. Die Verspätung des Winters hat sich zur Normalität entwickelt. Wie soll das weitergehen?

Von Dominik Prantl

Mit dem Winter verhält es sich ungefähr so wie mit den Zügen der Deutschen Bahn: Jeder Mensch ahnt, dass er irgendwann kommen muss, nur keiner weiß, wann genau. Die Verspätung des Winters hat sich sogar derart zur Normalität entwickelt, dass selbst die im Grunde winterfesten Münchner teilweise bis kurz vor Weihnachten in ihren Cabriolets durch die Straßen heizen konnten, während die zwischen Winterreifen deponierten Skier bis weit in den Januar Rost ansetzten. Manch bayerischer Skeptiker warnt daher schon vor Zuständen wie in anderen deutschen Millionenstädten, wo heute eine Flocke als Naturwunder gilt, drei Zentimenter Schnee zum Verkehrschaos führen und der gelernte Skifahrer kurz vorm Aussterben steht. Und auch, wenn der Winter heuer erstaunlicherweise früh oder vielleicht einfach nur pünktlich Einzug hielt, drohen auch manchen Skigebieten der Alpen geradezu Berliner Verhältnisse.

Denn die Verschiebung des Winters hat ja nicht nur eine zeitliche, sondern letztlich auch eine räumliche Komponente. Glaubt man beispielsweise einer Studie der äußerst glaubwürdigen Forscher vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos, werden sich die Klimazonen bis 2035 um 200 bis 500 Meter, bis 2085 gar um 700 bis 1000 Meter nach oben verschieben. Der Winter flüchtet mit der Zeit also gewissermaßen aus den Tälern in die höheren Lagen. Für die Seilbahnindustrie ist das zumindest mittelfristig noch nicht bedrohlich, weil im Notfall einfach schnell ein paar Gondeln gebaut werden, die mindestens so hoch führen wie der neue Glacier Ride am Klein Matterhorn.

Wirklich geschäftsschädigend wäre freilich, wenn sich der Winter noch etwas genauer bei der Bahn umschaut und die Skiindustrie dazu zwingt, die gläsernen Liftstationen und Gondeln als Treibhäuser für Zitrusfrüchte zu verwenden: mit einem groß angelegten, flächendeckenden Streik.

© SZ vom 13.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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