Ende der Reise:Flugzeuge versenken

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Um dem Klimawandel zu begegnen, sind radikale Lösungen gefragt. Bahrain und die Türkei machen es vor - und kippen alte Passagierflugzeuge ins Meer.

Von Jochen Temsch

Warmer Wind ist gut, Düsenantrieb böse - wenn es nur so einfach wäre. Doch in Island ist in diesem Sommer der erste Gletscher verschwunden, und die Lage ist verworrener denn je. Alle reden von Flugscham, aber bislang ist noch kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein Urlauber mit hochrotem Kopf und gesenktem Blick an einem Airline-Schalter erschienen wäre, um sein Ticket zurückzugeben. Sorry, ich kann das einfach nicht? Im Gegenteil. Im Jahr eins nach Greta Thunbergs Initialstreik fürs Klima wird so viel geflogen wie nie zuvor. Was wäre die Alternative? Etwa ein Segelboot zu nehmen? Ausgerechnet Thunberg muss sich nun vorhalten lassen, wie umweltschädlich dieses Transportmittel in ihrem Fall ist. Die Umweltaktivistin segelt derzeit auf einer Rennyacht zum UN-Klimagipfel in New York. Hämisch zählen Kritiker die Flüge für die Crew, die das Boot wieder nach Europa bringt. Hätte Thunberg da nicht gleich ein Kreuzfahrtschiff nehmen können?

Auch andernorts sollen es Boote richten. Die Inseln von Tahiti werben aktuell mit Ideen, den "Greta-Effekt" abzumildern und die Archipele der Südsee mit gutem Gewissen zu bereisen: etwa in Hotelresorts mit umweltfreundlichen Klimaanlagen oder eben auf einem solarbetriebenen Katamaran. Eine verlockende Vorstellung: auf dem Flug von München nach Papeete und zurück erst mal 9,6 Tonnen CO₂ raushauen, also das Vierfache des klimaverträglichen Jahresbudgets eines Menschen, und dann gelassen die Zimmertemperatur herunterregeln und den großen Zeh in das badewannenwarme Türkis der Lagune von Bora Bora tunken.

Nein, gefragt sind radikale Lösungen, wie sie Bahrain und die Türkei vormachen. Dort hat man alte Passagierflugzeuge ins Meer gekippt, um Unterwasserparks für Tauchtouristen zu schaffen. Was der Schrott in den maritimen Ökosystemen anrichtet, weiß man nicht. Und doch kann man damit mehrere Probleme auf einmal lösen: Flugzeuge versenken heißt weniger fliegen und beim Tauchen keine Korallen mehr zertrampeln. Damit die Ökobilanz stimmt, müssen die Touristen dann nur noch hinschwimmen.

© SZ vom 22.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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