Die großen Flughäfen: Dubai:"Die Situation erinnert an einen Dampfkochtopf"

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Das Baumaterial ist knapp und der Baugrund auch: Selbst mit allem Geld der Scheichs lässt sich der Flughafen Dubai nicht so schnell erweitern, wie es angesichts des rasanten Verkehrswachstums nötig wäre.

Andreas Spaeth

Hochbetrieb im Sheikh Rashid Terminal. Indische Reisegruppen lagern auf dem Teppichboden, dessen Muster die Sanddünen der nahegelegenen Wüste imitiert, während australische Urlauber neben Deutschen, Engländern und Franzosen im 5400 Quadratmeter großen Duty-Free-Shop auf der Suche nach Schnäppchen sind.

Dubai
:Im Übermorgenland

Größer, höher, verrückter: Vor der Küste Dubai entstehen durch gigantische Aufschüttungen hunderte von neuen Inseln. Die erste in Palmenform wird demnächst bezugsfertig.

In der Business-Class-Lounge gönnen sich zwei Piloten ein Frühstück, im Sessel nebenan schlummert ein völlig übernächtigter Schwarzafrikaner auf rotkarierten Kissen. In der Nacht, zwischen ein und zwei Uhr, und am Morgen, von acht bis neun Uhr, geht es am Flughafen von Dubai rund - ein Großteil der täglich 80.000 Passagiere ist dann unterwegs.

Auf den Anzeigetafeln sind Destinationen wie Rom, Karachi, Birmingham, Paris, Doha, Entebbe, New York, München, Hongkong und Auckland zu lesen - alle Abflüge innerhalb einer halben Stunde, fast alle durchgeführt von Emirates Airlines.

An jedem späten Abend landen ganze Wellen von Flügen aus allen Kontinenten in der arabischen Wüste und laden die Passagiere im Sheikh Rashid Terminal ab, von wo aus die meisten schon nach wenigen Stunden weiterfliegen, ohne von Dubai irgendetwas anderes als die goldene Palme vor dem Duty-Free-Shop gesehen zu haben.

Unter keinem anderen Dach der Welt treffen unterschiedliche Kulturen und Sprachen für ein paar Stunden so intensiv und auf engstem Raum zusammen wie in diesem erst im Jahr 2000 eröffneten und längst viel zu klein gewordenen Komplex.

Dubai International Airport ist innerhalb weniger Jahre so etwas wie ein Verschiebebahnhof des interkontinentalen Luftverkehrs geworden - "Zur Hauptverkehrszeit sind es Zehntausende Menschen", sagt Emirates-Chef Tim Clark.

Waren früher nur Flughäfen wie New York-JFK oder London-Heathrow weit über die Region hinaus bedeutsame Verkehrsdrehkreuze, steht heute Dubai in einer weltweit einmalig verdichteten Form für diese Funktion.

Obwohl das Emirat gerade mal gut eine Million Einwohner verzeichnet, sind von seinem Flughafen aus 210 Destinationen in aller Welt durch 118 Liniengesellschaften und 30 regelmäßig verkehrende Charter-Airlines angebunden; neuerdings fliegt Emirates sogar nonstop nach Houston und Sao Paulo.

Da dem ehemals ölreichen Emirat am Persischen Golf allmählich das schwarze Gold ausgeht - das Geschäft mit dem Rohöl macht heute nur noch sechs Prozent der Einnahmen aus -, setzen die Herrscher konsequent auf Tourismus, Infrastruktur und vor allem den Luftverkehr. Und der schnelle Fortschritt ist durch entschlossenes Handeln und wenig Hierarchie möglich: "In Dubai gibt es keine Bürokratie und kaum Beschränkungen", so Marketingchefin Rimzie Ismail.

Der Flughafen von Dubai wurde 1959 mit nur einer 1800 Meter langen Start- und Landebahn eröffnet; noch Mitte der sechziger Jahre gab es nicht mehr als sechs interkontinentale Verbindungen pro Woche. "1969 hatten wir hier neun Airlines, die 20 Zielorte bedienten", erinnert sich Rimzie Ismail; der meiste Verkehr kam durch Zwischenlandungen zum Auftanken.

Erst 1995 änderte Dubai aktiv seine Marschrichtung. "Bis dahin waren wir einfach nur ein Flugplatz in der Wüste", erinnert sich Rimzie Ismail an die Zeit, zu der Dubai bei sieben Millionen Passagieren pro Jahr dümpelte.

Bereits 1985 aber war mit Emirates eine in der Stadt ansässige Fluggesellschaft gegründet worden, die Voraussetzung und Grundstein für die phänomenale Wachstumsgeschichte werden sollte.

Dabei machte sich Dubai vor allem seine geografische Lage zunutze: Innerhalb eines Radius von 6400 Kilometer oder etwa acht Flugstunden leben 3,5 Milliarden Menschen, mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Und so lesen sich die aktuellen Erfolgszahlen beeindruckend: Der Verkehr am Flughafen Dubai steigerte sich im ersten Halbjahr 2007 um fast 18 Prozent, Emirates Airlines musste sogar 30 Prozent Wachstum im vergangenen Jahr verkraften.

Rund 33 Millionen Passagiere wurden 2007 gezählt, "aber dies ist ein beschränktes Wachstum, gebremst vor allem dadurch, was der Flughafen verkraften kann", sagt Tim Clark, "gäbe es diese Beschränkungen nicht, würden wir hier heute schon 60 Millionen Fluggäste pro Jahr abfertigen".

So arbeitet der Dubai International Airport längst weit über seine Kapazitätsgrenzen hinaus. "Die Situation erinnert an einen Dampfkochtopf, wir haben Riesenprobleme", gibt Clark zu.

Denn selbst mit allem Geld der Scheichs ließen sich die Anlagen nicht so schnell erweitern, wie es eigentlich dringend notwendig wäre. Kürzlich wurden immerhin die beiden bisher genau parallel angelegten Start- und Landebahnen seitlich um 1500 Meter versetzt, um die Kapazität auf jetzt 64 Starts und Landungen pro Stunde zu steigern.

Baumaterial ist knapp

Und weil Platz kostbar ist, wurde das neue Terminal 3, dessen Eröffnung im Mai geplant ist, in den Untergrund verlegt - 20 Meter tief unter Vorfeld und Rollwege. Darüber erstreckt sich mit dem lang gestreckten, gläsernen Concourse 2 das neue Abfertigungsgebäude, das ebenfalls im Mai in Betrieb geht. Immerhin acht Monte später als geplant - der Flughafenausbau leidet wie ganz Dubai unter der Knappheit von Baumaterial.

"Der neue Komplex ist gigantisch, groß wie eine Kathedrale", schwärmt Tim Clark, "da wird man Handy oder Fernglas brauchen, um seinen Mitreisenden zu finden." Und man geht neue Wege: So werden beispielsweise First- und Businesspassagiere die Flugzeuge direkt aus der Lounge heraus besteigen können.

Die dringend notwendige zusätzliche Kapazität muss dann aber erstmal reichen, denn: Erst im Juli 2010 eröffnet mit Concourse 3 ein weiterer riesiger Abfertigungskomplex, die Baugrube ist bereits ausgehoben. Concourse 3 wird eine größere Version der Nummer 2; 20 Flugsteige sind geplant, 18 davon werden für den Großraumjet Airbus A 380 ausgelegt.

Dazu entsteht ein weiteres 300-Zimmer-Hotel. Beide Komplexe werden durch ein Zugsystem verbunden, das pro Stunde bis zu 6000 Menschen befördern kann. Weiterer Superlativ: Mit dem Ausbau wird Dubai zum weltweit größten A380-Flughafen; allein Emirates hat 58der Riesenflieger bestellt, kann aber nur maximal 28 bis 30 zur selben Zeit auf seinem Heimatflughafen unterbringen.

Fast 15 Millionen Touristen bis 2010

Insgesamt geht es um gigantische Dimensionen: Verzeichnete das Emirat 2006 noch sechs Millionen Touristen, so hofft man bis 2010 auf fast 15 Millionen. Um den daraus entstehenden Luftverkehr bewältigen zu können, werden bis 2015 insgesamt 82 Milliarden Dollar ausgegeben - davon 30 Milliarden für die Flottenerweiterung bei Emirates, 4,5 Milliarden für die von der Airline exklusiv genutzten neuen Terminals sowie weitere 33 Milliarden für den Bau des gigantischen Dubai World Center Airports in Jebel Ali.

Die erste Start- und Landebahn wurde im Dezember 2007 fertiggestellt; dort finden zurzeit erste Tests statt und noch in diesem Jahr soll die erste Ausbaustufe mit einem Terminal fertig sein. Ziel ist es, in Jebel Ali vorrangig Fracht-, Charter- und Billigflüge abzuwickeln, um den Hauptairport zu entlasten.

Bis 2018 ist dann auf einem 140 Quadratkilometer großen Gelände der Bau der Airport City geplant, 40 Kilometer entfernt vom heutigen Flughafen. Insgesamt sechs Pisten wird es in Jebel Ali geben, von denen vier gleichzeitig genutzt werden können. 120 Millionen Fluggäste und zwölf Millionen Tonnen Fracht sollen dort im Jahr durchgeschleust werden können, der Schwerpunkt liegt aber auf Logistik und Güterumschlag.

Daher will Emirates auch von einem Umzug nichts wissen: "Dann müssten wir den gesamten Betrieb verlegen, also bleiben wir am bestehenden Flughafen in Dubai", so Emirates-Chairman Scheich Ahmed bin Saeed Al-Maktoum.

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