Der glorreiche Ferkelflug:Schwein und Skorpion süß-sauer

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In China bringen Schweine Glück, gegessen werden sie trotzdem. Geröstete Skorpione auch. Immerhin landen sie nicht in Flaschen wie Hund und Katz' - ein makabrer Marktbesuch.

Hilmar Klute

In China ist am 18. Februar das Jahr des Schweins eingeläutet worden. Die Chinesen widmen jedes ihrer Jahre einem bestimmten Tier. 2006 war zum Beispiel das Jahr des Hundes.

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:China im Jahr des Schweins

Laut dem chinesischen Mondkalender ist 2007 das Jahr des Schweins. Ein Glück für alle, die daran glauben.

Das bislang letzte Jahr der Schlange liegt mittlerweile schon sechs Jahre zurück, aber anhand dieser drei genannten Spezies kann man sehr schön zeigen, wie eng in China der Wunsch, das Tier zu preisen, mit dem Bedürfnis, das Tier zu verspeisen, verzahnt ist.

Fangen wir mit dem Schwein an. Suchen wir das Schwein in der Volksrepublik, cherchons le cochon!

Auf dem bizarren Night Market in Hongkong, der unter chinesischer Flagge stehenden Sonderverwaltungszone, verkaufen spaßbereite Händler fast ausschließlich verwegene Nippessachen, zum Beispiel kleine Hand-Aquarien mit künstlichen Fischen drin, die einem aus den Fingern flutschen, wenn man sie anlangt; einen Totenkopf, dem man das rechte Auge als riesige rote Blase rausquetschen kann und natürlich die mit buntem Tand geschmückten heiligen Katzen, welche die Tatze heben und den Menschen alles Glück dieser Welt bringen. Von den Katzen wird später noch in eher traurigem Zusammenhang die Rede sein.

Was das Schwein betrifft, so muss man auf dem Night Market ein wenig suchen, wird aber letzten Endes doch fündig. Ein Stand verkauft sehr kleine Schweinchen aus fragilem Glas, ein anderer bietet karikaturhaft gestaltete Schweine aus Plastik und manche sind auch mit chinesischen Volkstrachten bekleidet - das Schwein hat Einzug gehalten im China des Jahres 2007.

Die Chinesen sehen das Schwein als Träger von Eigenschaften, die man auch als Europäer nur begrüßen kann: Intelligenz, Mut und Freundlichkeit. Und es wird zwischen redlichen Kalenderforschern und eifrigen Werbeaktivisten noch ein wenig gestritten, ob 2007 sogar als Jahr des Goldenen Schweins verbucht werden kann, weil Schwein und Gold zusammengenommen auf dem Feld der Glückseligkeit richtig was ausrichten könnten.

Einige hundert Kilometer nördlich von Hongkong befindet sich das kantonesische Dorf Jinlin. Man erreicht es am romantischsten mit einer kleinen Kahnfahrt über einen malerischen See, der zu den immer zahlreicheren Naturreservaten im zunehmend umweltbewussten China gehört. Das Dorf ist eine Inszenierung bäuerlichen kantonesischen Lebens.

Alte Frauen hocken vor kleinen Häusern und ordnen Kräuter. Ein alter Bauer führt zwei Kälber am Strick über das holprige Kopfsteinpflaster. Sie tun das alles übrigens in exakt jenem Moment, da eine Gruppe Touristen im Dorf landet. Hier leben die Menschen nah an der Scholle, soll man meinen, und selbstverständlich sind auch die Tiere in greifbarer Nähe.

Im Dorfkern befindet sich der Schweinestall, in welchem ein großes graues Hängebauchschwein steht und die Unterlippe schürzt. Das Mienenspiel des Schweins erinnert an das eines Pferdes. Dieses Schwein wird für eine gute Weile das letzte lebende Tier sein, das in diesem authentischen kantonesischen Dorf vorstellig wird, von den rührigen, aber naturgemäß todgeweihten Hühnern einmal abgesehen.

An einem der freien Marktstände verkaufen Händler gewaltige Flaschen mit Schnaps, in welchen komplette Tiere eingelegt sind. Ein schwarzes Huhn sieht dich mit trüben Augen an, vermutlich, weil es es schon seit einer halben Hühnerewigkeit in der klaren scharfen Brühe schwimmt. Neben der Flasche mit dem Huhn steht ein Gefäß, in welchem eine zusammengefaltete Schlange den Likör anreichert.

Aber das stolze Tier ist nicht alleine in seinem Behälter.

Es schmiegt sich um eine junge knochige Katze, ihr schwarz-weißes Fell haben ihre Präparatoren auf eine Korkwand neben der Flasche gepinnt. Es gibt diesen Schnaps auch noch mit Marder-Aroma, und in einem anderen Gefäß hat ein kleiner Hundekadaver sein hochprozentiges Grab gefunden.

Es sieht alles ein bisschen aus wie im Virchow-Institut, wird aber durchaus verkostet, denn in China gelten derartige Präparate als Heilmittel gegen alles, was das Leben mühselig macht.

Neben den frankensteinhaften Kadaverschnapsflaschen gibt es in den Dörfern, Städten und Straßen Chinas auch vitale, ja nahezu unbekümmerte Tierleben, die zum Vergnügen der Menschen durch die Welt streunen. Überall laufen kleine flauschige Hunde herum, die gut im Futter sind und mit der Zuneigung ihrer Herrchen rechnen dürfen. Es gibt diese Hunderasse in Weiß, Creme- und Champagnerfarben. Junge Katzen teilen ihren Alltag mit den Dorfbewohnern.

Dort, wo das chinesische Dorf Jinlin an den See grenzt, steht ein kleiner Schweinestall, in welchem eine Handvoll Ferkel untergebracht ist. Die Jungschweine überraschen durch eine aparte Zweifarbigkeit, ihre Bäuche sind im vertrauten Schweinchenrosa gehalten, auf dem Rücken sind sie dagegen schwarz wie die Nacht.

An ihren Stall ist eine kleine Rennbahn angebaut, und man muss der Dame, welche die Schweine hütet, nur ein Paar Yen zustecken, damit sie das Rennen eröffnet. Die Ferkel laufen zunächst wie vorgesehen, erweisen sich aber während der Veranstaltung als unkonzentriert und stets bereit für verschiedene Ablenkungen, Obstreste auf der Rennstrecke zum Beispiel.

Fliegende Ferkel

Der Höhepunkt der Darbietung, und hier beginnt jener Teil, bei welchem das schlechte Gewissen des Tierfreundes mit der Sensationslust des Touristen wetteifert, der Höhepunkt ist das Schweineschwimmen. Die Schweinehirtin jagt die armen kleinen Ferkel auf eine Rampe und drängt sie mit zarten Besenstößen, von einem Sprungbrett in den noch frühlingskühlen See zu springen.

Die Ferkel quieken ängstlich oder empört, wer weiß das schon. Aber der Protest ist sinnlos: Eines nach dem anderen plumpst in das Wasser, wobei sich einige Ferkel in ihrer misslichen Lage immerhin ein Mindestmaß an Würde abringen: Sie strecken sich athletenhaft, um hier noch einmal als fliegendes Ferkel bella figura zu machen.

Im Wasser sieht man dann nur noch ihre Schnauzen, die wie schwimmende Bewegungsmelder durch das schwarze Wasser in Richtung Ufer fahren. An Land schütteln sie sich wie Hunde. Im Stall fressen sie bibbernd ihre Belohnungsmahlzeiten.

In der großen Stadt Kanton findet die Safari ihre Fortsetzung in der Besichtigung des Tiermarktes, dessen furchterregende Szenerie von internationalen Tierschützern beschrieben und angeprangert wurde. Hier werden Hunde und Katzen wie Socken in kleine Käfige gestopft und teilweise an Restaurants verkauft, welche diese Tiere auf ihrer Speisekarte haben.

Skorpione als Schlemmerei

Es ist für europäische Augen kein schöner Anblick, und erst die riesigen Bottiche mit kleinen bis mittelgroßen Skorpionen wecken wieder das Interesse an den chinesischen Heilslehren, nach welchen Skorpione sowohl zermahlen als auch gekocht eine bekömmliche Schlemmerei darstellen.

Abends fährt der Fahrstuhl in übelkeiterregender Geschwindigkeit in den dreißigsten Stock des Kanton-Restaurants, wo die gläserne Drehtafel schon mit den schönsten Undefinierbarkeiten bestückt ist. Aber noch bevor das Bier ausgeschenkt wird, bringen zarte Frauen ein Ferkel herein.

Das Ferkel hat seine untere Hälfte eingebüßt und liegt nun braungebrannt auf einem mit kleinteiligem Gemüse drapierten Teller. In den Augenhöhlen hat es zwei blinkende Leuchtstäbe stecken - kleine ironische Prothesen, die das Augenzwinkern des Ferkels übernehmen sollen.

Das Fleisch ist zart und stammt sicher von einem Tier, das in seinem jungen Leben bereits viel Bewegung hatte.

Informationen

China Tours unternimmt Reisen ins Perlflussdelta, bei denen auch ein Besuch in Jinlin möglich ist: China ToursWandsbeker Allee 72, 22041 Hamburg, Telefon: 040/ 81 97 38-0, Fax:-88, E-Mail: Info@ChinaTours.de, www. chinaTours.de

© SZ vom 12.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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