Einmal im Leben:Auf der Chinesischen Mauer

Die Mauer: Ausdruck von Stärke und schwacher Politik der Abschottung zugleich. (Foto: Matt Karwen/Great Wall Marathon/Albatros Travel)

Man sieht es zwar entgegen anderslautenden Behauptungen nicht aus dem Weltall, aber beeindruckend ist das größte Bauwerk der Welt trotzdem - vor allem, wenn man es sich erläuft.

Von Jochen Temsch

Die beliebteste Falschinformation zur Chinesischen Mauer ist, dass man sie angeblich vom Mond aus erkennen kann - ein netter Versuch, ihre überwältigenden Ausmaße in Worte zu fassen. Dabei ist es schon beeindruckend genug, sie von Nahem zu sehen oder, noch besser, auf ihr zu laufen.

Nahe Peking ist der Wall besonders gut erhalten und bietet weite Ausblicke auf Reisfelder und die grüne, bergige Landschaft, deren schroffer Topografie das Bollwerk in geradezu surrealer Stringenz folgt. Die Mauer, ein Symbol der Stärke und der letztendlich schwachen Politik der Abschottung zugleich. Manche Besucher sind schon von ein paar Metern Gehen erschöpft. Andere rennen mit beim jährlich stattfindenden Great Wall Marathon. 42 Kilometer auf und ab über etwa 4000 unterschiedlich schmale, teils kniehohe Stufen, Steigungen bis zu 300 Höhenmetern bei schwüler Hitze, bei greller Sonne auf den Zinnen und Dunkelheit in den Wachtürmen - es ist unmöglich, dabei in einen ruhigen Laufrhythmus zu kommen.

Die ganz Geschafften krabbeln gegen Ende auf allen vieren daher. Das muss man wollen, da bekommt die Redewendung "mit dem Kopf gegen die Wand" eine ganz eigene Bedeutung. Lohn der Anstrengung sind anrührende Begegnungen mit Einheimischen, durch deren Dörfer der Lauf ebenfalls führt. Die amüsierten Bauern halten die Sportler wahrscheinlich für etwas gaga, feuern sie aber trotzdem an und schenken ihnen selbstgerupfte Feldblumen. Manche Läufer tragen die Sträußchen stolz bis über die Ziellinie. Erlebnisse, Gesten - kleine Siege gegen die Mauern im Kopf.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: