Bildbände:Ehrliche Berge

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Wie unterschiedlich man sie sehen kann: Von romantischer Verklärung über die Vermarktung ist es ein weiter Weg zur sachlichen Betrachtung der Alpen. Aber er lohnt sich.

Von hans gasser

Einen Berg fotografieren. Das sagt, das macht sich so leicht. Da kann fast jeder mitreden. Morgen- oder Abendlicht abpassen, Skilifte, Autos und Stromleitungen rigoros ausblenden, fertig ist die Postkarte. Romantisch, wild, erhaben. So kennen und lieben wir die Alpen. Dass wir uns damit in die Tasche lügen, wissen wir. Aber man muss doch nicht immer alles schlechtreden. Oder?

Drei ganz unterschiedliche Antworten auf diese Frage geben drei unterschiedliche Fotografen mit ihren neuen Alpen-Bänden. Da ist Bernd Römmelt, der dem Gebirge seine schönste, ja kitschigste Seite abgewinnt. Olaf Unverzart versucht, dem Betrachter die Spuren zu zeigen, die der Mensch darin hinterlässt. Und die Schweizerin Vanessa Püntener rückt die Menschen, die Alpbewohner des Kantons Uri, in den Mittelpunkt.

Beispiel Matterhorn. Ein Gipfel, der mehr Marke als Berg zu sein scheint. Römmelt zeigt ihn in orangefarbenem Licht, sich spiegelnd im glatten Grünsee. Ein perfektes Bild, nur: Man hat es so ähnlich schon 1000 Mal gesehen. Unverzart geht näher an den Berg heran, zeigt ihn im fahlen, bedrohlichen Dämmerlicht. Er hat das Matterhorn für seine Serie "Nordwände" fotogra- fiert, die das Abweisende, ja Grausige derselben ins Zentrum rückt. So hat man den Berg selten gesehen. Während Römmelt den romantischen Zugang wählt, nur bei bestem Licht fotografiert und die Berge zum Glühen bringt, dass es eine fast unwirkliche Freude ist, drückt Unverzart vor allem bei bedecktem Himmel auf den Auslöser. Und auch die Motivauswahl ist eine ganz andere: Römmelt zeigt vom Menschen scheinbar völlig unberührte Landschaften, Unverzart die menschlichen Spuren: Straßen, Betongalerien oder Lawinenverbauungen durchziehen die Bergnatur und fügen sich nicht selten gut in sie ein oder setzen einen Kontrapunkt zur dominanten Bergumgebung.

Püntener hat einen ähnlichen Zugang wie Unverzart. Sie zeigt dem Betrachter keine bärtigen Almöhis vor verwitterten Holzhütten, sondern Menschen aus Fleisch und Blut, denen die Anstrengung und der Komfortverzicht der Senner-Arbeit deutlich anzusehen sind. Viele Porträts in den Hütten könnten auf den ersten Blick auch in Moldawien aufgenommen worden sein und nicht in der eigentlich reichen Schweiz. Und genau das macht sie interessant.

Vanessa Püntener: Alp - Porträt einer verborgenen Welt. Rotpunktverlag, Zürich 2014. 96 Seiten, 34 Euro. Bernd Römmelt : Sagenhafte Alpen. Knesebeck Verlag, München 2014. 224 Seiten, 39,95 Euro. Olaf Unverzart: ALP. Alpine Landscape Pictures. Prestel Verlag, München 2014. 192 Seiten, 45 Euro.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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