Bewertung von Wanderwegen:"Geht der Blick so richtig weit hinunter?"

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Mit Kugelschreiber, Karte und Entfernungsmesser geht Wanderweg-Bewerter Klaus Erber Woche für Woche 40 Kilometer zu Fuß. Ein Gespräch über schöne Aussichten, Einkehren und Punktabzüge.

Hans Gasser

Mit seinem Planungsbüro zertifiziert Klaus Erber Wanderwege. Bis Tourismusverbände mit dem Siegel "Premiumweg" des Deutschen Wanderinstituts werben können, muss vieles von der Markierung bis zur Aussicht akribisch bewertet werden.

Klaus Erber (Foto: Foto: oh)

SZ: Wie pingelig muss man denn sein als Wanderweg-Bewerter?

Klaus Erber: Unsere 34 Haupt- und 170 Nebenkriterien beruhen ja auf der Befragung von Wanderern, die das Wanderinstitut jedes Jahr durchführt. Jeder Kilometer ist in 100-Meter-Abschnitte aufgeteilt, die bewertet werden. So kommen sehr viele Punkte zusammen, vom Belag des Weges über die Wegweiser bis zu den Aussichten. Ich muss immer wieder stehen bleiben und in unseren Formularen Punktezahlen eintragen. So schaffe ich nur zwei bis drei Kilometer in der Stunde. Es ist schon eine Arbeit, die Konzentration verlangt.

SZ: Ist eine Asphaltstraße in jedem Fall schlechter als ein matschiger Pfad?

Erber: Die Merkmale werden gegeneinander verrechnet. Wenn zu einem wirklich schönen Aussichtspunkt ein Stück Asphaltstraße hinführt, dann fällt das nicht so ins Gewicht. Unsere Kriterien sehen aber vor, dass nicht mehr als 1,5 Kilometer am Stück asphaltiert sein dürfen. Auch achten wir darauf, dass die Pfade so angelegt sind, dass sie nicht bei jedem Regen im Matsch versinken. Längere Passagen mit sehr breiten Forstwegen werden auch eher negativ bewertet. Es kommt auf die gute Mischung an.

SZ: Sie haben 13 Kriterien für einen Ausblick. Welche Unterschiede gibt es?

Erber: Es geht einmal um die Weite: Sehe ich zwei oder sehe ich zehn Kilometer weit? Dann zählt die Vielgestaltigkeit: Sind da Bäche, Wiesen, Wälder zu sehen? Kann man Reliefenergie spüren, das heißt, geht der Blick so richtig weit hinunter? Auch die Nahrahmung spielt eine Rolle: Zum Beispiel wenn man an einem Hang durch ein paar Obstbäume wie durch einen Rahmen in die Landschaft schaut. Negativ wäre, wenn ein eigentlich schöner Blick von nahen Hochspannungsleitungen durchzogen wird. Dafür gibt es Punktabzug.

SZ: Woran mangelt es denn am häufigsten bei neuen Wegen?

Erber: Markierungen sind ein wichtiges Kriterium für Premiumwege, hier gibt es oft noch Nachholbedarf. Die Markierungen müssen schon von Weitem zu sehen sein. An Gabelungen muss in beiden Richtungen gut ausgeschildert sein, wohin es geht. Nach der Abzweigung braucht es nach spätestens 50 Metern eine Erinnerungsmarkierung. Viele Wege sind Ein- oder Halbtagesrundwege, sechs bis 20 Kilometer lang. Sie richten sich an ein wenig wandererfahrenes Publikum, das sich ohne gute Markierung nicht trauen würde. Viele haben eine Karte dabei, können sie aber nicht lesen. Deshalb muss die Markierung absolut sicher sein.

SZ: Wie wichtig ist die Einkehr?

Erber: Einkehr ist wichtig. Oft fehlt es zu Beginn an Gasthäusern, allerdings eröffnen die bald neu, wenn der Weg gut frequentiert wird. Ich teste allerdings nicht, ob das Schnitzel gut ist, sondern nur, ob die Betriebe wandererfreundliche Öffnungszeiten haben.

© SZ vom 08.05.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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