Bergtourismusexperte:Griaßdi, globaler Gast

Lesezeit: 3 min

In Berchtesgaden tagt in der kommenden Woche die Tourismusorganisation der Vereinten Nationen. Peter Nagel, Geschäftsführer von Berchtesgadener Land Tourismus, erklärt die Herausforderungen des Bergtourismus.

Interview von  Hans Gasser

Die Tourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO) hält von 2. bis 5. März eine Konferenz zur Zukunft des Bergtourismus ab. 240 Teilnehmer, darunter Politiker wie der nepalesische Tourismusminister und Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger werden teilnehmen. In zahlreichen Vorträgen und Gesprächen soll vor allem der Austausch zwischen europäischen und asiatischen Tourismusdestinationen vorangebracht werden. Peter Nagel, Geschäftsführer von Berchtesgadener Land Tourismus und federführender Organisator der Konferenz, erklärt, welche Chancen genutzt und welche Schwierigkeiten gemeistert werden müssen.

SZ: Wie funktioniert bisher der Austausch zwischen europäischen und asiatischen Tourismusorten?

Außerhalb dieser Konferenz, die nun zum vierten Mal stattfindet, ist der Austausch bisher eher überschaubar, um nicht zu sagen: nicht vorhanden. Deshalb wird es bei der Konferenz nicht nur Vorträge geben, sondern auch viel Zeit und Raum für informelle Gespräche zwischen Politikern aus verschiedenen Ländern und auch zwischen den touristischen Organisationen. Denn was in den Alpenländern touristisch passiert, ist beispielhaft für viele Länder in Asien, wir sind da sicherlich eine Art Vorreiter und auch Vorbild. Aber auch wir profitieren von den Asiaten.

Das klingt aber eher nach Einbahnstraße: Die sollen von uns lernen.

Nein, natürlich müssen auch wir schauen, dass wir von den anderen lernen. Beispielsweise Nepal: Was ist denn da so besonders, dass so viele Deutsche und Europäer dorthin fahren? Sind es nur die hohen Berge, ist es die Kultur, die Dienstleistung oder die noch intaktere Natur? Letztlich stehen wir alle im Wettbewerb um den sogenannten globalen Touristen, der gestern eine Karibikkreuzfahrt gemacht hat, heute zum Trekking nach Georgien will und morgen in Alaska fischt.

Eines der weltweit bekanntesten Motive aus Deutschland: Der Königssee mit der Kapelle St. Bartholomä. Allerdings ist es auch einer der überlaufendsten Orte. (Foto: Marika Hildebrandt/BGLT)

Was können die Teilnehmer von Berchtesgaden lernen?

Vor allem was das viel diskutierte Thema Nachhaltigkeit betrifft, sind wir eine beispielhafte Region: Biosphärenregion, Nationalpark, Bergsteigerdorf Ramsau. Dazu haben wir einen breiten, gesunden Mix aus Beherbergungsbetrieben. Wir leben Tradition und bewahren uns Bodenständigkeit.

In puncto Dienstleistung und Digitalisierung könnten Sie sich aber noch was von Asien abschauen, oder?

Richtig. Qualitative Weiterentwicklung und Digitalisierung sind ein wichtiges Thema. Zum Digitalen muss ich aber sagen: nur bis zu einem gewissen Punkt. Denn Digitalisierung wird den persönlichen Service und die Dienstleistung niemals ersetzen können, es muss weiter menscheln im Tourismus. Als Gastgeber muss ich den Gästen in die Augen schauen und die müssen sehen, dass ich es ehrlich meine.

Wie soll denn das Problem Overtourism angegangen werden, das gibt es ja am Königssee genauso wie in Nepal?

Besucherlenkung wird in Zukunft immer wichtiger. Wie kann ich die Gäste informieren, bevor ein Stau entsteht, ihnen schon vorher mitteilen, dass der Parkplatz voll ist und sie auf einen anderen umleiten? Da kann Digitalisierung sehr hilfreich sein, zum Beispiel mittels eigener Apps, die solche Informationen bereitstellen. Wenn man reglementieren muss, so wie das jetzt Venedig mit Eintrittsgeldern tut, dann ist es schon zu spät. Gewisse Hotspots in den Alpen, zu denen auch der Königssee gehört, müssen sich da jetzt was überlegen.

"Die Balance wahren". Tourismuschef Peter Nagel will neue Angebote schaffen, um die Gäste besser zu verteilen und Overtourism zu vermeiden. (Foto: BGLT)

Und was überlegen Sie sich?

Der Königssee mit St. Bartholomä ist ein weltweit bekanntes Bild und für uns nach wie vor sehr wichtig. Dennoch müssen wir in Zukunft verstärkt mit anderen Bildern und Geschichten kommunizieren und werben. Das könnten zum Beispiel Volkskultur und Hochkultur sein, Kulinarik, und ja, auch das Thema Shopping in traditionsreichen Geschäften, speziell in Bad Reichenhall. Wir müssen die Gäste durch neue Angebote besser verteilen und schauen, dass wir ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Tagesgästen und Feriengästen hinbekommen. Letztere bringen weniger Verkehr und mehr Wertschöpfung.

Ist der Verkehr eine der größten Herausforderungen für Berggebiete?

Auf jeden Fall. Dieses Thema ist im ganzen Alpenbogen sehr präsent. Jede Gemeinde muss sich da Gedanken machen, was sie tun kann. Da geht es nicht nur um öffentlichen Verkehr, sondern auch um Park & Ride, um Zugangsbeschränkungen und so weiter. Wenn wir dieses Problem nicht in den Griff bekommen, dann brauchen wir über die anderen Dinge gar nicht reden. Denn sobald die Lebensqualität der Einheimischen zu sehr leidet, verliert der Tourismus seine Unterstützung.

Viele Hotels haben Probleme, Personal zu finden.

Ja. Nachwuchsförderung ist enorm wichtig für die Branche. Wir brauchen wieder mehr einheimische junge Leute, die Spaß an der Arbeit im Tourismus haben. Die muss man gut ausbilden und gut bezahlen. Gut bezahlen können Hoteliers aber nur, wenn ihr Geschäft sehr gut läuft. Dazu brauchen sie erstens Qualität und zweitens eine hohe Auslastung über das ganze Jahr.

Welche Rolle spielt der Klimawandel? Der wird ja durch den globalen Tourismus noch befeuert.

In den Alpen und auch in anderen Berggebieten der Welt müssen wir uns auf die Veränderungen einstellen. Der Winter beginnt später und dauert nicht unbedingt länger. Hüttenwirte und Hoteliers müssen deshalb etwa zu Weihnachten auch andere Angebote als Wintersport machen. Wanderwege zum Beispiel könnten bis in den Dezember hinein offen gehalten werden. Kulturelle Angebote sollten ausgebaut werden. Wir müssen so gut sein, dass die Leute lieber zu uns in den Urlaub kommen, als auf die Kanaren oder nach Nepal zu fliegen. Höher, schneller und mehr darf nicht mehr unsere Maxime sein.

© SZ vom 28.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: