Berge:Letzte Chance

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Am Latzfonser Kreuz sind an klaren Herbsttagen die Geislerspitzen zum Greifen nahe. Die Wirte hören nun nach 20 Jahren auf. (Foto: Katharina Lunger/Latzfonser Kreuz)

Im Gebirge haben manche Hütten jetzt noch geöffnet. Was könnte es Schöneres geben, als nach einer Wanderung hoch oben einzukehren? Einige Tipps für Spätberufene.

Wallfahrt mit Gipfelblick

Einen schöneren Platz zum Frühstücken gibt es nicht, davon ist Margareth Lunger überzeugt. Die Wirtin des Schutzhauses Latzfonserkreuz setzt sich, wenn möglich, frühmorgens auf die Terrasse vor der Hütte in 2300 Meter Höhe, mit Blick auf die Dolomiten: "Das ist wie eine halbe Stunde Urlaub." Wenn sie, ihr Mann Hansjörg und ihre Tochter Katharina nun nach dem 20. Sommer hier oben aufhören, dann wird die kurze Auszeit zum Frühstück etwas sein, was sie im Tal unten vermisst. "Aber die Entscheidung fühlt sich richtig an", sagt Lunger. Es sei immer schwieriger geworden, Personal zu finden, und zudem sei so eine Hüttenwirtejob anstrengend. "Da musst du sechs Monate von früh bis spät funktionieren." Die vielen Stammgäste, die in den letzten Wochen heraufgewandert sind, um sich zu verabschieden, seien ein Beweis dafür, "dass wir nicht alles falsch gemacht haben". Das ist natürlich stark untertrieben. Vom Brot über die Kuchen bis hin zu Gerstensuppe, Knödel und Lammeintopf machen sie hier alles frisch. Die Gastfreundschaft ist groß, auch wenn an schönen Herbstsonntagen schon mal mehr als 300 Essen gekocht und serviert werden müssen. 45 Schlafplätze gibt es obendrein. Der Platz hier in den Sarntaler Alpen ist auch außergewöhnlich, nicht nur wegen der Aussicht. Denn neben der Hütte steht eine Kapelle, die als einer der höchsten Wallfahrtsorte Europas gilt. Seit dem 18. Jahrhundert gibt es eine Prozession aus dem Ort Latzfons, bei der der Schwarze Herrgott, ein Kruzifix, herauf in die Kapelle getragen wird. Jeden Sonntag wird eine Messe gefeiert, und Ende September wandert der Herrgott wieder ins Tal. Apropos Wandern: Es gibt mehrere schöne Wege hier herauf, einer führt vom Kühhof oberhalb von Latzfons über weite Almwiesen in gut zwei Stunden bis zur Hütte. Von der Bergstation der Seilbahn Reinswald (noch in Betrieb!) führt ein sehr lohnender Höhenweg in zwei Stunden bis zum Latzfonserkreuz. Als Gipfel bietet sich die Kassianspitze (2581 m) an. haag

Geöffnet bis 28. Oktober, www.latzfonserkreuz.it

Freiheit ohne Qual

Als Tagesurlauber von nördlich der Alpen vergisst man manchmal, dass das Wettersteingebirge mit der Zugspitze auch eine Südseite hat. Dort ist es nicht unbedingt schöner, aber sonniger. Wie auf einem Südbalkon steht etwa die Wettersteinhütte auf 1717 Metern, sie ist bis auf einige Wochen im Jahr fast immer geöffnet. Überhaupt eine sehr demokratische alpine Einkehr: Vom Gaistal sind es nur 500 einfach zu bewältigende Höhenmeter, für Mountainbiker gibt es einen nicht zu steilen Fahrweg, der im Winter die perfekte Neigung zum Rodeln aufweist. Auch die Hütte selbst bietet diverse Optionen: Verliebte oder Kleingruppen steht eine extra Hütte zur Verfügung; Sonntagswanderer und Familien finden einen kurzweiligen Rundkurs über den Wurzigen Steig zur Hämmermoosalm; Kletterer können sich vor allem an Scharnitz- und Schüsselkarspitze verausgaben und Gipfelstürmer lockt die Gehrenspitze. Dort steht im Gipfelbuch der womöglich vom guten Hüttenbier inspirierte Satz: "Wir zwei am Gipfel, die Alte im Tal, hier oben die Freiheit und unten die Qual." DOP

Geöffnet bis 28. Oktober, bei schlechtem Wetter ist am 26.10. Schluss, www.wettersteinhuette.at

Kaiser und Kindsköpfe

Mehr als 100 Jahre alt ist die Vorderkaiserfeldenhütte im Zahmen Kaiser, ein Holzbau, der Hüttenbehaglichkeit verspricht - und das Versprechen hält. Der Weg von Kufstein-Sparchen über die Sparchener Stiege ist auch im Winter begehbar. Freilich kann es sein, dass man bei Hochnebel erst einmal nicht allzu viel sieht vom malerischen Kaisertal. Hat aber die Sonne den Nebel vertrieben, bietet sich auf "nur" 1388 Metern ein grandioser Blick hinüber auf den Wilden Kaiser. Seit vier Jahren sind Sabine und Helmut Kuen hier die Wirtsleute. Die Speckknödel sind groß wie Kindsköpfe, die Bratwurst vom Weideochsen mit Kren und Kraut ist vorzüglich. Wer den alten grünen Kachelofen in der Stube sieht, weiß, dass man hier im Winter sicher nicht frieren muss. Die DAV-Hütte der Sektion München und Oberland hat 87 Schlafplätze, vom Zweibettzimmer bis zum Matratzenlager. Wegen der (behobenen) Bettwanzenproblematik sind nur die hütteneigenen Leihschlafsäcke erlaubt. BRUNN

Geschlossen nur vom 7. - 28. Dezember und vom 4. - 25. Februar. Mittwoch und Donnerstag ist Ruhetag - nur zwischen Januar und März. Im April Donnerstag Ruhetag. Tel.: 0043 / 5372 634 82.

Der Gams ganz nah

Offiziell heißt die Alpenvereinshütte der Sektion Salzburg zwar Carl-von-Stahl-Haus, aber das ist den Berchtesgadenern wie den Salzburgern zu kompliziert. Aufs Stahlhaus also geht man, im Sommer, im Herbst - und im Winter mit Tourenski. Die Hütte, die auf 1736 Metern liegt, ist ganzjährig geöffnet. Die Grenze zwischen Bayern und dem Bundesland Salzburg, zwischen Deutschland und Österreich folglich, verläuft genau hier. Vom Gastraum aus hat man einen guten Blick hinüber zur Steilwand, auf der im Herbstgras Gämsen äsen. Von November an steht die Gams, neben allerlei Knödeln, auch auf der Speisekarte. Am einfachsten erreicht man die Hütte über die Jenner-Bergstation in einer guten Stunde. Man kann aber auch in drei Stunden über die Mittelstation der neuen Jennerbahn (bis einschließlich 4. November), in derselben Zeit über den Parkplatz Hinterbrand oder - das dauert eine Stunde länger - über die Königsbachalm aufsteigen. Wer übernachten möchte, "ruft einfach an, geht unkompliziert", sagt der Wirt, Peter Thomas Pruckner. mai

ÜN im Lager für AV-Mitglieder ab zwölf Euro, HP ab 25 Euro, Tel.: 08652 / 655 99 22

Spielwiese an der Felswand

Hütten werben meist mit ihrem Ausblick aufs Umland. Die Tutzinger Hütte (1327 m) hat auch eine Aussicht zu bieten, die aber richtet sich auf eine Felswand. Massiv ragt die Benediktenwand (1801 m) hinter der Hütte auf. Seit Anfang Oktober verdeckt sie an der Hütte die Sonne. Für die kann man aber in eineinhalb Stunden von Ost oder West auf die Benediktenwand steigen. Die Tour von Osten her ist etwas anspruchsvoller. Die aus Kochel stammenden Christine Seemüller sowie Sabine und Thomas Jauernig haben die moderne und viel besuchte Hütte im April dieses Jahres übernommen. Sie verfügt über 90 Schlafplätze. Die große Terrasse und das Plateau rund um die Hütte eignen sich als Spielwiese für Kinder. Der kürzeste und landschaftlich reizvollste Aufstieg zur Hütte (drei Stunden) beginnt in Benediktbeuern am Wanderparkplatz und führt ein gutes Stück entlang des Wildbach-Lehrpfads. Wer mehr Zeit hat und trittsicher ist, kann den Zustieg über das Brauneck wählen. Mit etwas Glück trifft man auf die Steinbockkolonie, die in dem Gebiet beheimatet ist. dni

Geöffnet bis Anfang November und von 26. Dezember bis 6. Januar, www.tutzinger-huette.de

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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