Audioguides:Stadtführer zum Runterladen

Lesezeit: 3 min

Besichtigungstouren mit MP3- oder PDA-Geräten schießen wie Pilze aus dem Boden: Sie sind zwar nicht günstiger, aber zuweilen besser als Gruppenführungen.

Hans Gasser

"Nur Touristen tauchen in Rudeln auf und fallen völlig aus dem Rahmen. Berlin-Mitte ist ein Magnet für Individualisten... Es scheint, als ob jeder seinem eigenen Masterplan folgt, so, wie du es gerade tust."

Audiotouren werden zunehmend beliebter. (Foto: Foto: Reuters)

Touristen sind immer die anderen, und wer richtig cool sein will, so suggeriert die Stimme auf der Audiostadtführung "Berlin Sounds", der begibt sich, begleitet nur von einem MP3-Spieler, auf einen Rundgang durch Berlin-Mitte, immer auf den Spuren von Beats und Sounds, die hier vor allem während der "wilden Neunziger" entstanden.

Als Lorne Meder vom kleinen Berliner Megaeins-Hörbuchverlag vor zwei Jahren auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) seine "Hearwego"-Stadtführungen präsentierte, da hätten ihn die Stadtmarketingleute angesehen, als käme er vom Mars.

"Das ist der letzte Schrei"

Mittlerweile schössen die Anbieter von akustischen Stadtführungen wie Pilze aus dem Boden. "Das ist der letzte Schrei, und auch die Stadtmarketing-Gesellschaften wollen es zunehmend haben und zum Teil sogar mitproduzieren", so Meder. Bei den Touristinfos in Hamburg, Berlin und Bonn kann man seine Audioführungen bereits ausleihen.

In der Tat bieten immer mehr Städte akustische oder sogar audiovisuelle Stadtführungen an. An keine fixe Uhrzeit gebunden, kann sich der Besucher so mit MP3-Spieler oder kleinem PDA-Computer durch Gassen und über Plätze führen lassen.

Die Qualität der Führungen ist unterschiedlich. Wenn die Touristiker mitproduzieren, wird dabei häufig ein nummeriertes Programm üblicher Sehenswürdigkeiten abgespult.

Seltener sind gut aufbereitete, spezifische Themen wie etwa die Berliner Mauer oder Goethe und Schiller in Weimar, die schon mehr Hörspiel als reine Stadtführung sind. Die Nachfrage ist offenbar da.

Hearwego, dessen Zielgruppe nicht primär Touristen, sondern auch interessierte Einheimische sind, hat in diesem Sommer gleich vier neue Audiotouren herausgebracht. Es gibt sie als CD, oder, für die Hälfte des Preises, als MP3-Download im Internet.

Der Preis der Allround-Stadtführung

CDs verkauften sich noch besser, so Meder, die Haltung, dass alles, was es im Internet gibt, nichts kosten dürfe, ändere sich aber zusehends. "Im MP3-Download liegt sicher die Zukunft."

Das sieht auch Rosemarie Wirthmüller so, Geschäftsführerin von Antenna Audio Deutschland, dem Marktführer von Audioführungen im Bereich von Museen, Ausstellungen und Gärten. Allerdings betrügen Allround-Stadtführungen am Gesamtgeschäft noch weniger als zehn Prozent.

Führungen durch bestimmte Gärten und Parks in London bietet Antenna Audio noch gratis zum Download an. Doch an einem zahlpflichtigen Geschäftsmodell arbeite man bereits. "Ich denke, dass dies eine zukunftsträchtige Sache ist."

Das Internetportal audible.de bietet seit März neben der eigenen Audiowalk-Reihe eine Auswahl verschiedenster akustischer Stadtführungen zum Downloaden an. Sie kosten zwischen sieben und zehn Euro.

Einige Hundert seien bis dato verkauft worden, sagt Geschäftsführer Arik Meyer. Es sei ein sehr neues Phänomen und müsse erst noch bekannter werden. Allerdings würde in einschlägigen Chatforen von der relativ jungen MP3-Klientel darüber diskutiert, wie man eine Stadt mal anders kennen lernen könne. Audioführungen spielten dabei eine Rolle.

Zusätzlich Bilder

Zunehmend populär werden audiovisuelle Führungen, bei denen man zusätzlich zum Ton auf dem Bildschirm eines kleinen PDA-Computers Bilder gezeigt bekommt.

In Köln, in Weimar und in Basel hat der Besucher, der die Gruppenführung scheut, seit diesem Sommer die Möglichkeit, sich an der Touristinfo ein solches Gerät auszuleihen. Per Nummer sind die Sehenswürdigkeiten auf einem Touchscreen anwählbar. Zur Orientierung sind sie auch auf einem kleinen Stadtplan eingezeichnet, den man dazu bekommt.

Über Kopfhörer erzählt eine angenehme Stimme beispielsweise die Baugeschichte des Kölner Doms. Auf dem Bildschirm werden dazu Fotos desselben gezeigt, auch mal ein Porträt eines Dombaumeisters. Allerdings ist der wirkliche Dom viel beeindruckender, und so bleibt das Display öfters unbeachtet, zumal es kaum zusätzliche Information bietet.

"Die Bildfunktion ist schön", sagt denn auch Sebastian von Sauter, Produktionsleiter der Firma IGuide, die die audiovisuellen Stadtführungen produziert, "doch unser Schwerpunkt liegt eindeutig auf exzellenten Hörtexten".

Die Firma, sonst in Museen und für Ausstellungen aktiv, hat eigens eine Tochter gegründet, die nur PDA-Stadtführungen herstellt. Deren ehrgeiziges Ziel ist es, bis Ende nächsten Jahres 50 deutsche Städte zu versorgen.

Virtuelles Zwiegespräch

Die Ausleihe kostet zwar acht Euro, wird aber offenbar trotzdem gut angenommen. In Weimar, wo Goethe und Schiller im virtuellen Zwiegespräch durch die Stadt führen, seien die 20 vorrätigen Geräte bisweilen ausgebucht, heißt es bei der dortigen Touristinfo.

Und auch in Basel, wo fünf Stadtrundgänge angeboten werden, gibt man sich zufrieden. Es sei ein zusätzlicher Service, sagt Frédéric Pothier von Basel Tourismus, der sich eher an Individualtouristen richte. Den richtigen Stadtführern werde dadurch nicht die Arbeit weggenommen. "Und ganz Faule können im Café sitzen und sich mit dem Gerät auch so informieren."

Interessanterweise richten sich die idiotensicher bedienbaren Minicomputer an ein älteres Publikum als die reinen Hörführungen. Das Abklappern von nummerierten Sehenswürdigkeiten wäre nichts für die jungen Macher und Nutzer der Hearwego-Reihe.

An einem roten Faden, der in München Ludwig I. oder in Berlin die elektronische Musik ist, leitet einen der unsichtbare Guide im Ohr etwa 70 Minuten durch die Stadt.

Damit der Hörer auch ohne Nummern zur richtigen Zeit bei der beschriebenen Attraktion ankommt, wird ihm ein Schritttakt vorgegeben. Auf Berlin Sounds geschieht dies musikalisch in "beats per minute". Das funktioniert erstaunlich gut. Und für rhythmisch Unbegabte gibt es zum Glück eine Vor- und Rücklauftaste.

© SZ vom 16.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: