Andalusien:Draufhauen - aber mit Gefühl

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Ein Heiligtum wird vermarktet: In Südspanien sind Urlauber auf der Jagd nach dem flüssigen Gold. Und retten damit eine Region.

Wild schlagen die Touristen mit Holzstöcken auf den Baum ein. Dutzende grüner Oliven prasseln auf die trockene Erde. José María Mendez kann es kaum mit ansehen: "Nein, nein. So geht das nicht!", unterbricht er die Urlauber und macht es ihnen noch einmal vor. "Wenn Sie so auf den Baum einschlagen, gehen die Oliven kaputt. Sie müssen den Baum regelrecht von oben nach unten durchkämmen", sagt der Verwalter der Plantage Santo Tomás in der Nähe von Beas de Segura.

In vielen Mittelmeerländern wird der Olivenbaum geliebt und verehrt - in der andalusischen Region Jaén aber ist er fast etwas Heiliges. Hier dreht sich nahezu alles um die Olive. Die Provinz in Südspanien verfügt mit etwa 60 Millionen Olivenbäumen über das größte Anbaugebiet der Welt. Nun beginnt sie ihre Frucht mit der "Straße der Oliven" auch touristisch zu vermarkten.

Bevor die Besucher wieder zu den Stöcken greifen, legt José María ein Netz unter den Baum, damit die herunterfallenden Oliven leichter aufgelesen werden können. Schon nach 30 Minuten ist die mühsame Arbeit erledigt. Zufrieden schauen die freiwilligen "vareadores", wie die Arbeiter dieser traditionellen spanischen Olivenernte genannt werden, über das Meer aus Bäumen.

Unterdessen wirft José María die vollen Olivensäcke auf den Jeep und fährt zur 150 Jahre alten Ölmühle. Immer wieder hält der Verwalter an und zeigt besonders schöne oder alte Exemplare. "Einige dieser Bäume sind bereits an die 500 Jahre alt", erklärt José María.

In der Ölfabrik wirft er die Oliven auf ein Laufband, das die grünen und schwarzen Früchte in die Produktionshalle befördert. Dort werden die Oliven von Steinen und Erde getrennt, gesäubert, zermahlen und als grün-gelbe Flüssigkeit in Flaschen abgefüllt. Jeder Tourist darf sein eigenes "flüssiges Gold" abfüllen.

Wie die Plantage Santo Tomás entdecken immer mehr Olivenbauern aus der Provinz Jaén den "Oliventourismus" als Einnahmequelle. Es sind vor allem kleine Gehöfte in den Bergen von Cazorla, Segura und Las Villas, die während der Erntezeit von November bis Anfang Februar die Aufmerksamkeit der Touristen auf sich lenken wollen.

Das Olivengeschäft ist für die kleinen Betriebe schwer geworden. Erst nach sieben Jahren trägt ein Olivenbaum langsam Früchte, im zehnten Jahr wird er rentabel, und im zwanzigsten Jahr bringt er an die 80 Kilogramm Oliven. "Aber das nützt alles nichts, wenn wir nicht mit modernen Rüttelmaschinen wie auf den großflächigen Plantagen in der Ebene arbeiten können", erklärt José María Mendez.

Die Mehrheit der kleinen Olivenbauern kann nur noch mit Geld aus Brüssel überleben. Doch diese Hilfen laufen im Jahr 2013 aus. Das ist eine gefährliche Situation, immerhin herrscht in der Provinz Jaén eine landwirtschaftliche Monokultur. 60 Millionen Olivenbäume decken die Region wie unter einem Teppich zu. Etwa 20 Prozent des weltweit produzierten Olivenöls kommt aus der Region Jaén.

Die stetig wachsende Beliebtheit von Olivenöl soll helfen, den Tourismus anzukurbeln. Entlang der "Ruta de los olivos" sind Kleinbauern und Ölmühlen darauf bedacht, für Besucher Kochkurse mit Olivenöl zu organisieren oder die Touristen an der Ernte teilnehmen zu lassen. Eine feste Route gibt es dabei eigentlich nicht. Es handelt sich vielmehr um mehrere ´"Olivenstraßen".

Eine klassische Tour führt über die beiden zum Unesco-Welterbe gehörenden Städte Úbeda und Baeza hin nach Jimena und Jódar. Úbeda ist mit seinen Renaissance-Palästen eine der schönsten Städte Andalusiens. Baeza begeistert Besucher vor allem mit Kirchen aus dem 16. Jahrhundert. Die Provinzhauptstadt Jaén lockt mit arabischen Bädern und der berühmten Burg Castillo de Santa Catalina, die auf einer steilen Anhöhe hoch über der Stadt thront.

Für "Oliventouristen" besonders interessant ist die Hacienda La Laguna in der Nähe von Baeza. Das Olivenölmuseum führt die Besucher auf 6000 Quadratmetern durch die verschiedenen Methoden der Olivenölherstellung. Hier befindet sich auch die mit 18 Metern Länge und 30.000 Kilogramm Gewicht größte Balkenpresse Europas.

Wer Oliven, Kultur und Natur kombinieren möchte, sollte über Jaén, Baeza und Úbeda in die Sierra de Segura fahren. Neben Olivenhainen und romantischen Gebirgsdörfern gibt es hier auch die Wanderwege durch den Naturpark von Cazorla, Segura und Las Villas. Mit 214.300 Hektar ist er der zweitgrößte Naturpark Europas. Sein Gebiet nimmt ein Fünftel der Provinz Jaén ein. Hirsche, Widder, Adler und Wildschweine können hier aus nächster Nähe beobachtet werden.

Für Fahrradfreunde bietet sich im Osten der Provinz Jaéns auch der "grüne Ölweg" an. Die stillgelegte und zum Fahrradweg ausgebaute ehemalige Trasse des so genannten Ölzugs führt 60 Kilometer von Jaén aus über die Orte Martos und Alcaudete zum Naturpark Laguna Honda. Die Strecke wurde in den Jahren 1882 bis 1893 erbaut und diente dem Transport von Mineralien und Olivenöl.

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