Zuwanderungsgesetz:Sprachlos am Bosporus

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Probleme bei der Umsetzung: Warum das neue Zuwanderungsgesetz dem Goethe-Institut in der Türkei zu schnell kommt.

Kai Strittmatter, Istanbul

In Berlin haben sie es eilig mit dem neuen Zuwanderungsgesetz. Nur noch die Unterschrift des Bundespräsidenten fehlt, dann kann das Gesetz in Kraft treten. "Wir rechnen jeden Tag damit", teilt das Innenministerium mit.

Dann gelten auch jene Vorschriften, die vor allem unter den deutsch-türkischen Verbänden Aufregung verursacht haben: Nachziehende Ehepartner müssen mindestens 18 Jahre alt sein. Und sie müssen den Nachweis über einfache Deutschkenntnisse erbringen.

Eine Prüfung ablegen also. Wie gesagt, die Prüfung wird Pflicht, vermutlich in wenigen Tagen schon; wer sie nicht besteht, soll kein Visum erhalten. Und trotzdem weiß in der Türkei noch keiner, wie die Prüfung aussehen und wer genau sie eigentlich abnehmen soll.

Die Visastellen selber jedenfalls nicht. Offenbar wurden die deutschen Behörden vor Ort nicht rechtzeitig vorbereitet auf den Tag X. Bei Nachfragen in deutschen Botschaftskreisen stößt man auf Ratlosigkeit: Man erwarte jedoch täglich die Handreichung aus Berlin, heißt es.

Dort gibt man sich zuversichtlich: "Da wird eine Rechtsverordnung erstellt'', sagte ein Sprecher des Innenministeriums der Süddeutschen Zeitung, "und dann geht das zügig". Serviceorientiert und reibungslos wolle man das Gesetz umsetzen, so auch die Sprachregelung im Außenministerium: "Wir sind mit möglichen Beteiligten im Gespräch."

Zum Beispiel? "Die Goethe-Institute wären ein möglicher Partner." Beim Goethe-Institut in Istanbul sitzt Türkei-Chefin Claudia Hahn-Raabe und findet "das Ganze etwas absurd". Vor einer Woche wurde sie kontaktiert von der Botschaft in Ankara, seither arbeitet sie mit Kollegen an einem Plan, bis heute aber hat sie keinen offiziellen Auftrag erhalten.

"Die Umsetzung ist zu schnell", meint sie: "Wenn das Ganze am 1. Januar in Kraft träte, dann hätten wir optimal Zeit. Aber zum August? Wie soll das denn gehen?" Ein landesweites Netzwerk von Lehrern aufzubauen, die in der Lage seien, die Prüfungen abzunehmen, sei kein Problem, aber es brauche Monate, wenn nicht ein halbes Jahr.

Nach den neuen Regeln, sagt Hahn-Raabe, hätten allein von den letztjährigen Antragstellern bei der Botschaft in Ankara 10000 den Deutschtest machen müssen.

200 bis 300 deutsche Wörter

Die Goethe-Chefin plädiert für einen Test, der nur Minimalkenntnisse verlangt. Eigentlich, sagt sie, sollte man noch unter den 200 bis 300 Wörtern bleiben, die im Moment in Deutschland diskutiert werden: "Das sind Menschen, die in Ostanatolien auf dem Dorf leben. Die haben noch nie eine Sprache gelernt. Die müssen erst einmal das Lernen lernen."

Das Goethe-Institut stellt gerade Planspiele an zwei Fronten an: Erstens, wie der mögliche Test aussehen könnte; zweitens aber auch, wie man den Menschen in solchen Dörfern überhaupt Zugang zu Deutschkursen ermöglicht. Eine Überlegung sind TV-Fernkurse.

Bei dem Test selber solle man keine allzu großen Hürden aufbauen, findet Hahn-Raabe: "Wirklich Sinn machen Sprachkurse für ein solches Klientel doch erst in Deutschland. Wo einer auch jeden Tag dem Nachbarn einen ,Guten Tag' wünschen kann." Ein Test in der Türkei wäre dann nicht viel mehr als die Feststellung eines ersten guten Willens der Antragsteller.

"Es kann ja ein Erfolg werden für die betroffenen Frauen", sagt Hahn-Raabe. "Aber man muss besonnen vorgehen. Bis zum 1. August schafft man das auf jeden Fall nicht." Die deutschen Visastellen rechnen nun erst einmal mit einem Einbruch der Visazahlen.

© SZ vom 14.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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