Zum Tod von Friedrich Karl Flick:Die gemischte Bilanz eines Unternehmerlebens

Lesezeit: 8 min

Sein Name steht für die "gekaufte Republik" - doch trotz aller Macht und Milliarden konnte er nie aus dem Schatten seines übermächtigen Vaters treten.

Hans Leyendecker

Gelegentlich schaute sich Friedrich Karl Flick in Salzburg den "Jedermann" an. Hugo von Hofmannsthals Stück vom Sterben des reichen Mannes, in dem gezeigt wird, wie nichtig die irdischen Güter und wie dumm die Menschen sind, die ihr Herz nur an Besitz und Geld hängen, soll ihm aufs Gemüt geschlagen haben.

Er misstraute vielen, war fast zeitlebens von Leibwächtern und Beratern umgebenFriedrich Karl Flick mit Gattin Ingrid 1998. (Foto: Foto: dpa)

Es heißt, dass FKF, wie Friedrich Karl Flick von seinen Freunden genannt wurde, nach der ersten Vorstellung zumindest betroffen heimgefahren sei.

FKF, der am Donnerstagabend im Alter von 79 Jahren gestorben ist, war ein reicher Mann, viel reicher als der "Jedermann", und er wurde von Tag zu Tag reicher.

Angst, arm zu sterben

Sein Vermögen, das in den achtziger Jahren auf sechs Milliarden Mark geschätzt wurde, mehrte sich auf vielerlei Weise, und auch als er alt wurde, hörte er nicht auf, das Wachstum seines Besitzes mit Überlegung und Einfall zu fördern. Am Ende soll sein Vermögen knapp sieben Milliarden Euro betragen haben.

Er war aber auch - wie die Hauptperson in Hofmannsthals Moralreigen - ein armer reicher Mann, einer, der in den vergangenen Jahren ziemlich einsam gewesen ist.

Er misstraute vielen, war fast zeitlebens von Leibwächtern und Beratern umgeben und fürchtete wie viele begüterte Leute, die meisten Menschen hätten es nur auf sein Geld abgesehen. Früher litt er gar unter der Angst, er könne eines Tages als armer Mann sterben.

Mit FKF geht ein Kapitel deutscher Geschichte zu Ende. Sein Vater Friedrich Flick, ein ebenso legendärer wie skrupelloser Konzernschmied, hatte nach dem Krieg ein Imperium geschaffen, das in einem Atemzug mit den Thyssens, den Haniels und den Krupps genannt wurde.

Konzernerbe Friedrich Karl Flick verkaufte das Firmenkonglomerat Mitte der achtziger Jahre an die damals allmächtige Deutsche Bank. Zuvor war Flick in einen der größten Skandale der Nachkriegsrepublik verstrickt.

Bargeld für die Herrscher

Um für den Verkauf von Daimler-Benz-Aktien im Wert von 1,9 Milliarden Mark eine Steuerbefreiung zu erhalten, hatte der Konzern die Republik inventarisiert und Parteien, Stiftungen, Vereine und Politiker mit Barem bedacht.

Flick wurde zum Synonym für die "gekaufte Republik" und die "Pflege der Bonner Landschaft". Ein Gericht stellte später fest, dass das Unternehmen versucht habe, "mit dem Ziel einer Korrektur in die politische und parlamentarische Willensbildung" einzugreifen.

Der Skandal kippte den damaligen Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff aus dem Amt und zwang den vor ein paar Wochen verstorbenen Rainer Barzel, als Bundestagspräsident zurückzutreten. Gegen Friedrich Karl Flick lief ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Bonn. Das aber wurde später eingestellt, weil er angeblich nicht in die Details eingeweiht war.

In Erinnerung bleibt der Zeuge Flick, der wie ein gebrochener Mann 1984 vor dem Bonner Flick-Untersuchungsausschuss erschien und mit leiser Stimme die Übergabe von 200 000 Mark und 250 000 Mark an Franz Josef Strauß beschrieb: "Beim ersten Mal ist Strauß ins Nebenzimmer gegangen, hat nachgezählt und sich dann bedankt. Beim zweiten Mal hat er nicht nachgezählt."

Friedrich Karl Flick machte nach, was sein übermächtiger Vater vorgemacht hatte. Flick senior hatte die Herrschenden stets gut bedacht. In der Weimarer Republik waren das Reichspräsident Hindenburg und die Kanzler Brüning und Schleicher, dann, nach der Machtergreifung 1933, die Nazis.

Er gab ihnen regelmäßig Geld, nicht, weil er sie sonderlich mochte, sondern weil sie ihm behilflich sein konnten. Flick senior war zahlendes Mitglied des "Freundeskreises Reichsführer-SS" und versorgte auch schon mal den Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, mit viel Bargeld ebenso den Generalfeldmarschall Hermann Göring.

Und der war im Gegenzug bereit, dem Unternehmer zu helfen: Flick bekam Firmen, die Juden gehört hatten. In den zwölf Jahren des Tausendjährigen Reiches schmierte Flick die Nazis mit insgesamt 7,65 Millionen Reichsmark.

Hitlers größter Waffenlieferant

Eigentlich interessierten Flick senior nur Bilanzen und Zahlen. An der Börse nannten sie ihn den "Geier", weil er das, was er im Griff hielt, nicht mehr losließ.

1947 wurde Flick senior, der es mit Sklavenarbeitern zu Adolf Hitlers größtem Rüstungslieferanten gebracht hatte, vor dem Nürnberger Tribunal der Alliierten als Kriegsverbrecher zu sieben Jahren Haft verurteilt und im August 1950 vorzeitig entlassen.

Danach konstruierte der Konzernschmied seinen Laden neu. Er trennte sich von der Kohle, behielt den Stahl und kaufte sich bei Daimler-Benz und in der weiterverarbeitenden Industrie ein.

Bald wieder reichster Mann Deutschlands

FKF lebte immer im Schatten seines Vaters. Gelegentlich erzählte er, seine Eltern seien bei seiner Geburt im Februar 1927 "ganz enttäuscht" gewesen. Die Flicks hatten schon zwei Söhne. "Eigentlich hätte ich ein Mädchen werden sollen, sie hatten den Kasten schon voll mit rosa Kleidern."

Flick absolvierte, auf Order des Alten, sein Betriebswirtschaftsstudium in München. Der aus dem Siegerland stammende Vater machte sich dennoch zeitlebens über die wirtschaftlichen Talente des Sohnes lustig. Er nannte ihn gern das "Bürschchen" und hielt es für Zeitverschwendung, dass sich der Junior an einer Doktorarbeit über "Qualitätswettbewerb im marktwirtschaftlichen System" aufhielt.

Der Vetter des Vaters, Konrad Kaletsch, die graue Eminenz in der Firma, hat den jungen Flick noch geohrfeigt, als dieser schon promoviert und die Dreißig überschritten hatte. Trotzdem fiel die Wahl des Alten bei der Suche nach dem Konzernerben auf FKF.

Der Zweitgeborene Rudolf, der vermutlich der Thronfolger werden sollte, war im Krieg gefallen, der älteste Sohn Otto-Ernst kämpfte zu verbissen um Anerkennung. Er absolvierte zwanzig Mal das Sportabzeichen, um dem Vater zu imponieren. Der fand ihn in den sechziger Jahren mit 100 Millionen Mark ab.

Neffen abserviert

Seine Enkel Gert-Rudolf (genannt "Muck") und Friedrich Christian ("Mick") schätzte Flick senior mehr, und es kann durchaus sein, dass er sie als Konzernerben wollte.

Aber nach dem Tod des Vaters im Juli 1972 übernahm FKF die Macht und boxte die Enkel des Gründers, seine Neffen samt deren Schwester Dagmar, gegen eine bereits versteuerte Barabfindung von insgesamt 300 Millionen Mark aus dem Unternehmen.

Nach Abschluss der Transaktion im Jahr 1975 war Flick der Alleinherrscher über das größte private Industrievermögen in Deutschland. An seiner Seite hatte er einen neuen Übervater: den fast gleichaltrigen Eberhard von Brauchitsch.

Als Kind hatte Flick mit ihm schon in Berlin im Sandkasten gespielt, als die Lage in der Reichshauptstadt brenzlig wurde, gingen sie gemeinsam nach Bad Tölz, um dort das Abitur zu machen.

Sitzungen verschlafen

Brauchitsch machte für Flick die Geschäfte und entwickelte die Strategien. Dafür wurde er später im so genannten "Flick-Prozess" auch zur Rechenschaft gezogen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt. Flick versteckte sich oft hinter dem großen Brauchitsch.

In der Unternehmer-Kaste fiel Flick früh in Ungnade, weil er bei Aufsichtsratssitzungen nach durchzechter Nacht manchmal einschlief und zu Eskapaden neigte.

Flicks Entourage war dafür berüchtigt, dass sie Bars zerlegte, Glas und Geschirr zerdepperte und Bier in teure Pianofortes kippte. Flick bezahlte den Schaden. Er schaffte sich damals auch eine 20 Millionen Mark teure Yacht an, um über die Weltmeere zu kreuzen, und wenn er Laune hatte, ließ er mit dem Hubschrauber spezielle Walderdbeeren nachkommen.

Für seinen Unterhalt benötigte Friedrich Karl Flick in den achtziger Jahren 20 bis 30 Millionen Mark jährlich und gab gleichzeitig den Landsleuten in der Bild-Zeitung den freundlichen Rat: "Wir alle müssen den Gürtel enger schnallen." Die Gürtel in diesem Land sind ungleich groß.

Flick war ein Genießer, und seine Umgebung kannte seine Vorlieben. Auf Festen, die er sich oft von Gerd Käfer, dem Begründer des Münchner Feinkostkonzerns, ausstatten ließ, trommelte FKF gern auf dem Schlagzeug, das Käfer für den guten Kunden bereithielt.

Privat hatte Flick zunächst wenig Glück. Die Verbindung mit einer 19-jährigen Studentin hielt nicht lange. Auch die Hochzeit mit der Tochter eines Forstmeisters brachte ihm in der Beziehung nicht viel Freude. Immerhin wurden ihm zwei Töchter geboren, auf die er immer sehr stolz war.

Seine Witwe ist Ingrid Ragger, die er Anfang der achtziger Jahre im Hotel "Hospiz" am Arlberg an der Rezeption kennengelernt hatte. Sie war wohl die große Liebe seines Lebens.

Das Paar bekam 1999 Zwillinge, einen Sohn und eine Tochter, und auch auf sie war der Vater zeitlebens stolz. Als der Bruder seiner Frau Ende 1991 entführt wurde, zahlte Flick zehn Millionen Mark an Lösegeld.

Reichster Österreicher - als gebürtiger Deutscher

Flick, der immer beteuert hatte, er werde in Deutschland bleiben, zog 1994 wegen der Steuern nach Österreich. Dort redete kaum jemand vom Flick-Skandal, und der damalige Bundespräsident Thomas Klestil zeichnete den Steuerflüchtling 1997 mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen mit dem Stern für die Verdienste um die Alpenrepublik aus. Das österreichische Wirtschaftsmagazin Trend wusste regelmäßig zu berichten, dass der gebürtige Deutsche der reichste Österreicher sei.

Flick, der einen österreichischen und einen deutschen Pass hatte, war auch stets ein verlässlicher Wähler. Um Klestil zu unterstützen, fuhr ein Fahrer mit den Wahlunterlagen sogar ins Ausland, wo sich Flick aufhielt, damit der Milliardär sein Kreuzchen machen konnte.

"Ich weiß nur, welche Partei ich sicher nicht wähle, das ist die SPD", hat Flick in einem Interview vor ein paar Jahren erklärt. Das wäre auch ungerecht gewesen, weil er immer die CDU und speziell den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl hatte fördern lassen.

Auch in Österreich widmete sich Flick hauptsächlich der Vergrößerung seines Reichtums. Als er vor ein paar Jahren eines seiner seltenen Interviews dem Magazin Trend gab, erzählte er, wie er sein Geld angelegt habe: Zehn Prozent in Immobilien.

Der große Rest bestehe je zur Hälfte aus Aktien und Anleihen. Konten, die auch zur Ausgabenabdeckung herangezogen würden, hätten einen höheren Anteil an Bonds. 45 Prozent seiner Wertpapiere seien in Nordamerika platziert, 50 Prozent in Europa und nur fünf Prozent in Fernost. Er versuche, das Vermögen "ungeschmälert" an seine drei Töchter und den Sohn weiterzugeben.

Villa mit Bunker

In seinem Wiener Büro am Kärntner Ring 11-13 kümmerten sich meist vier Spezialisten um die Geldvermehrung. Zu den engsten Beratern gehörten bis zuletzt ein Düsseldorfer Anwalt und Eberhard von Brauchitsch.

Weltweit stehe er in Verbindung mit 40 Spezialisten, erklärte Flick im Trend-Interview. "Welche Rendite streben Sie bei der Veranlagung Ihres Vermögens an?", fragte der Interviewer. "Ich versuche, rund vier Prozent Rendite nach Steuern und Inflation zu erzielen. Klingt wenig, oder?", gab Flick zurück. Das ist Ansichtssache.

Flick brauchte das Geld auch, um die laufenden Ausgaben zu decken, und das war schon angesichts der Besitztümer nicht einfach. Er hatte zeitweise viele geräumige Immobilien, darunter einen Landsitz in den USA und eine mit drei Dächern asiatisch anmutende Villa in München, die sogar über einen Bunker verfügt.

In Österreich hatte er besonders weitläufige Niederlassungen in Wien, der Steiermark und am Wörthersee. Dort hatte er, direkt am Wasser, ein Häuschen von Leo Kirch gekauft und umgebaut: Wie die bunten Blätter berichteten, soll der Bau der Sommerresidenz 500 Millionen Schilling, mehr als 70 Millionen Mark, gekostet haben. Seit seiner Kindheit fühlte sich Flick in Rottenmann zu Hause. Dort hatte sein Vater ein Jagdhaus gekauft, das FKF sehr großzügig umbauen ließ.

Die Jagdleidenschaft war eine der auffälligsten Konstanten seines Lebens. Er bewies seine Treffsicherheit auf unzähligen Jagden. Mit seiner Ehefrau Ingrid besprach er einmal im Jahr die anstehenden Jagdtermine.

Am liebsten Auerhähne

Besonders gern schoss er am Großen Bösenstein in der Steiermark Auerhähne. Zu seiner Freude hatte auch seine älteste Tochter Alexandra eine eigene Jagd in Österreich gepachtet.

Seine Tochter Elizabeth bezog Anfang des Jahres ein Schlösschen am Attersee im Salzkammergut, das früher einmal Herbert von Karajan bewohnt hatte. Angeblich investierte sie in das Anwesen rund 28 Millionen Euro, um es wohnlich zu gestalten.

Friedrich Karl Flick war zwar stets von vielen Kumpels umgeben, aber die wenigen echten Freunde, die er hatte, sind in den vergangenen Jahren noch weniger geworden. Nur sehr schwer kam er über den Verlust seines langjährigen Weggefährten Sigi Hareis hinweg; der Skilehrer starb im Frühjahr 2000 an einem Herzinfarkt.

Flick war schon lange gebrechlich. Von einer Schulterverletzung, die er sich Mitte der neunziger Jahre zugezogen hatte, erholte er sich nur schwer. Im November 2000 brach er bei einer Jagd in Niederösterreich mit einem Kollaps zusammen und wurde in die Klinik München-Großhadern geflogen.

Die Ärzte versetzten Flick damals in ein künstliches Koma. 2004 erkrankte er erneut, lag wieder im Koma. Im Oktober 2005 wurde er bei einer Feier zum 80. Geburtstag des Münchner Auktionators Rudolf Neumeister gesehen, bei dem Flick häufig auch Gemälde für seine Häuser erworben hatte.

Seine Frau Ingrid schob ihn im Rollstuhl in den Gobelinsaal des Münchner Restaurants Lenbach, wo die Feier stattfand. Beobachter berichteten später, sie habe sich rührend um ihn gekümmert. Auch von Brauchitsch war gekommen.

FKF war die letzten Jahre ein ziemlich kranker Mann. Zur Reha zog er gern mit Gefolge ins Schlosshotel Bühlerhöhe im Schwarzwald. "Mein Vater", sagte er Reportern, "war schon so gern auf der Bühlerhöhe."

© SZ vom 7.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: