Zahl der Mediziner:Aberwitz mit Ansage

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Seit Jahren beklagen Verbandsvertreter und Kommunalpolitiker einen Ärztemangel. Und trotzdem gibt es nicht mehr Studienplätze. Doch bisher bewegen Bund und Länder nur wenig. Das hat auch mit den hohen Kosten zu tun.

Von Susanne Klein

Einerseits werden in Deutschland nicht genug Ärzte ausgebildet, um alle Patienten zu versorgen. Andererseits scheitern jedes Jahr Zehntausende junge Menschen daran, einen der äußerst raren Studienplätze für Humanmedizin zu ergattern: Das Problem grenzt an Aberwitz. Zumindest ein Teil der abgelehnten Bewerber würde aber dringend benötigt - in ländlichen Hausarztpraxen und in Kreiskrankenhäusern zum Beispiel. Dem Mangel an Ärzten, die in Deutschland ausgebildet werden, steht ein Studienplatzmangel gegenüber. Dabei wollen Zehntausende Medizin studieren: Mehr als 43 000 bewarben sich für das laufende Wintersemester, fast zwei Drittel mehr als vor 20 Jahren. Doch die Angebotslücke ist gewaltig, 9176 Plätze stellten die 35 deutschen Fakultäten für Humanmedizin in diesem Herbst bereit (im Sommersemester kommen noch mal etwa 1600 hinzu).

Ein Medizin-Studienplatz kostet sieben Mal mehr als ein Platz in Jura

Der Widerspruch ist offensichtlich, Abhilfe jedoch kaum in Sicht. Seit Jahren fordern Ärztevertreter mehr Studienplätze für Medizin, Kommunalpolitiker von Niedersachsen bis Niederbayern appellieren an ihre Landesregierungen, den Hochschulen das nötige Geld zur Verfügung zu stellen. "Um wieder ausreichend Ärzte für die Patientenversorgung zu haben, ist eine Steigerung um zehn Prozent dringend notwendig", sagt Frank Ulrich Montgomery, der Präsident der Bundesärztekammer. Doch selbst diese Quote, die das Missverhältnis bei den Bewerberzahlen kaum lindern würde, hat wenig Aussicht, realisiert zu werden. Denn ein Medizin-Studienplatz kostet laut Statistischem Bundesamt jedes Jahr etwa 32 000 Euro, sieben Mal mehr als zum Beispiel ein Platz in Rechtswissenschaft. Bei tausend zusätzlichen Plätzen macht das jährlich 32 Millionen Euro. Geld, das die Bundesländer erst einmal aufbringen müssten, und zwar ohne es bei anderen Studiengängen abzuknapsen.

Bleibt die Hoffnung auf den Bund. Doch als der mit den Ländern dieses Frühjahr den "Masterplan Medizinstudium 2020" verabschiedete, mischte sich ins Lob für die überfällige Studienreform die Enttäuschung über einen fehlenden Finanzplan. Eine Erhöhung der Studienplatzkapazitäten hätten die Verhandler zugunsten des Haushaltsvorbehalts der Länder auf unbestimmte Zeit vertagt, bemängelte Montgomery. Auch die Ärztegewerkschaft Marburger Bund ist damit unzufrieden.

Immerhin einigten sich beide Seiten im Masterplan darauf, den Ärztemangel zu bekämpfen, indem die Bundesländer bis zu zehn Prozent der Studienplätze an Bewerber geben dürfen, die sich zu einer Hausarzttätigkeit auf dem Land verpflichten. Der niedersächsische Städte- und Gemeindebund appellierte unlängst an seine Landesregierung, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, verlangte aber auch 200 weitere Medizinstudienplätze - ein Fünftel dessen, was Montgomery fordert. In Bayern sind beide Wege schon beschlossen, die Landarztquote und 250 neue Studienplätze, angesiedelt in Augsburg.

Bundesweit aber bleibt die Lage vermutlich so verfahren wie bisher: Solange die Unis zu wenig Mediziner ausbilden, müssen weiter Tausende Ärzte aus dem Ausland rekrutiert werden. Und solange Interessenten hier leer ausgehen, werden sie zu Tausenden zum Studieren ins Ausland gehen.

© SZ vom 20.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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