Wortwörtlich - Koydls kleines Lexikon:Antalya - der Himmel auf Erden

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Warum das türkische Fremdenverkehrsamt noch heute König Attalos dankbar ist, was Mexiko mit dem Mond zu tun hat und warum Spanien seinen Namen einem Missverständnis verdankt. Die etymologische Wochendosis -

Wolfgang Koydl

Ibiza und Israel, Mallorca, Mexiko und die Malediven, Antalya oder Ägypten - was unsere Urlaubsziele betrifft, so scheint die einzige Grenze die Stratosphäre zu sein, die uns hindert, die Ferien im Weltall zu verbringen.

Der Apollo-Tempel in Side bei Antalya (Foto: Foto: dpa)

Doch hier unten auf Erden ist kein Fleck zu weit, zu klein oder zu überlaufen, als dass nicht Touristen dorthin aufbrächen. So unterschiedlich wie Klima, Geographie und Gewohnheiten der Einheimischen, so verschieden ist auch die Herkunft der Namen der Länder und Städte - von schlicht bis prächtig und geheimnisvoll.

Am eher banalen Ende liegt Mallorca. Insula maior nannten die Römer die "größere Insel" der Balearen, im Gegensatz zur kleineren insula minor, aus der Menorca wurde. Eine rein geographische Beschreibung verbirgt sich auch hinter den Bahamas: Baja mar sind auf spanisch seichte Gewässer - und die gibt es rings um diese Inselgruppe. Ibiza wiederum ist phönizischer Herkunft: Die Seeleute aus der Levante beschrieben die Insel schlicht und zutreffend als ibshim - Pinieninsel.

Andere Orte wiederum tragen die Namen realer Personen, wobei der Preis für die kühnste Wortschöpfung fraglos Saudi-Arabien zusteht. Staatsgründer Ibn Saud klebte selbstbewusst seinen Familiennamen an die Halbinsel Arabien.

Nimmt man diese Methode zum Vorbild, so müsste England Windsorland heißen, und Österreich Habsburgistan. Heute kaum mehr nachvollziehbar ist, weshalb das tropische Inselparadies der Seychellen nach Jean Moreau de Séchelles benannt wurde.

Der Herr war Finanzminister des französischen Königs Ludwig XV., und als solcher hatte er wohl etwas damit zu tun, dass die Inselgruppe 1756 der Französischen Ostindien-Kompanie zugesprochen wurde. Weniger honorig war der spanische Kapitän Juan de Bermúdez, der - ganz richtig - im Jahre 1503 als erster Europäer den Mini-Archipel Bermuda sichtete.

Eine Siedlung nach einem Menschen zu benennen, ist so alt wie die Menschheit. Bevor Stalin von Stalingrad über Stalino bis Stalinabad überall in der Sowjetunion und im gesamten Ostblock (Stalinstadt = Eisenhüttenstadt) seine Spuren hinterließ, war es Alexander der Große, der derart geehrt wurde. Doch anders als bei dem roten Tyrannen haben die Namen der Alexander-Städte - sei es Alexandria in Ägypten oder Iskenderun (Alexandretta) in der Türkei - Jahrhunderte überdauert.

Ein antiker Herrscher kleineren Kalibers war König Attalos II. von Pergamon. Er befahl seinen Untertanen, ihm "den Himmel auf Erden" zu finden und dort eine Stadt zu bauen. Das Resultat war Attaleia - das heutige Antalya.

Eine Bezeichnung wie "Himmel auf Erden" lässt das Herz türkischer Fremdenverkehrsverantwortlicher höher schlagen. Ähnlich blumig erklärt sich der Name der Malediven. Nimmt man das Sanskrit-Wort maladvipa zur Grundlage, dann wäre es eine "Girlande von Inseln".

Mischt man, wie es einige Sprachforscher tun, das Tamilische malai = Berg mit diva, Sanskrit für Insel, erhält man bergige Inseln. Und auch eine arabische Etymologie ist denkbar: Der Sultan hatte seinen Palast - arabisch mahal - auf der Hauptinsel Male. Dhibat al-mahal war somit die Palastinsel.

Den Kanarischen Inseln hingegen ging ihr verführerischer Name verloren: Fortunae Insulae, die Glückseligen Inseln, nannte sie der römische Autor Plinius. Später verbanden die Römer sie mit dem massigen Mastiff, der dort gezüchtet wurde. Canis, der Hund, stand Pate, und keine Kanarienvögel.

Tiere gaben übrigens auch großen Ländern ihren Namen. Spanien etwa geht auf das phönizische i-sepanim zurück: Die Insel der Schliefer. Dies ist eine Art von Murmeltier, das die Phönizier von zu Hause kannten und mit den Hasen verwechselten, die ihnen an der iberischen Küste entgegenhoppelten.

Und Italien entstand vermutlich aus viteliu. Damit bezeichneten die Osker, die vor den Römern im Süden der Halbinsel lebten, einen jungen Bullen. Als vitello - fein geschnittenes Kalbfleisch - ist er wenigstens noch auf italienischen Speisekarten erhalten.

Undurchsichtig wird es, wenn man Ägypten auf den Grund gehen will. In direkter Linie steht das griechische Aígyptos, das der griechische Geograph Strabo so zutreffend wie langweilig mit Aigaiou hyptios - unterhalb der Ägäis - bezeichnete. Stolze Ägypter freilich bevorzugen die Etymologie vom altägyptischen Namen der Pharaonen-Hauptstadt Memphis: hawit ku pitan, der Tempel des Gottes Ptah.

Die größte Auswahl an Deutungsvarianten indes hat Mexiko. Je nachdem, welcher Quelle man glaubt, kann mexxica von dem Nahuatl-Wort für Sonne, Agave oder Mond abgeleitet werden. Als am wahrscheinlichsten gilt metztli = Mond und xictli = Nabel. Der Platz im Nabel des Mondes beschreibt die Stadt im Zentrum des Texcoco-Sees, in dem Mexiko-Stadt gegründet wurde. Und in diesem See spiegelte sich der Mond.

Die Deutung ist allemal romantischer als die Herkunft des Namens der mexikanischen Halbinsel Yucatán: Als spanische Konquistadoren die Einheimischen nach dem Weg fragten, erhielten sie - so die Legende - die Antwort in der Landessprache: Yuc Atan. Zu deutsch: Ich bin nicht von hier.

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