Wolfgang Schäuble im SZ-Gespräch:"Schily hebelt die Flüchtlingskonvention aus"

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Unions-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble hält EU-Außenlager in Nordafrika für nicht durchdacht. Er wirft Innenminister Schily vor, Stimmungen in der Bevölkerung ausnutzen zu wollen, ohne aber praktikable Lösungen anzubieten.

Von Heribert Prantl und Christian Wernicke

Schäuble wandte sich entschieden gegen die Behauptung, bei Schilys Plänen handele es sich nur um die Fortsetzung des Asylkompromisses, den er, Schäuble, einst selber als damals verantwortlicher CDU-Innenminister betrieben habe.

Der Kompromiss zwischen Union, FDP und SPD war seinerzeit Voraussetzung für die Einschränkung des Asylgrundrechts 1993. Schäuble sagte: "Das war damals der Versuch, die Genfer Flüchtlingskonvention auf das deutsche Asylrecht umzuschreiben, weil wir ein Übermaß an Schutz hatten. Den haben wir auf das Niveau der Flüchtlingskonvention zurückgefahren". Der Schily-Vorstoß sei nun aber "nicht die Fortsetzung des Asyl-Kompromisses, sondern sein Gegenteil". Er solle die Flüchtlinge "außerhalb rechtlicher Ansprüche und Prüfung" halten.

"Nur eine alte Idee"

Zum Umgang mit Schiffbrüchigen brauche man die Lager nicht. Schäuble äußerte den Verdacht, dass Schily - "nicht zum ersten Mal" - zunächst "auf ein verbreitetes, verständliches Unbehagen in der Bevölkerung reflektiert, ohne eine wirkliche Lösung dafür anzubieten".

So aber dürfe man mit den Besorgnissen der Bevölkerung nicht umgehen, wenn man den Vorwurf der Demagogie vermeiden wolle. Schäuble stimmte Schily insoweit zu, als man nicht alle Afrikaner, die in Not sind, in Europa aufnehmen könne. "Aber so geht es auch nicht." Er sähe gern den Afrikaner, "der fröhlich in das Lager geht und sagt, endlich habe ich das gelobte Land erreicht". Schäuble: "Es wird ein Internierungslager".

Schilys Forderung, Schleuserkriminalität zu bekämpfen, wird von Schäuble unterstützt. Zu Vorwürfen, die dem Hilfsschiff Cap Anamur gemacht wurden, sagte er, es sei "fast eine Art Anstiftung von Schleusern", Schiffe kreuzen zu lassen um so Schlepperbanden zu veranlassen, Flüchtlinge ins Schlauchboot zu setzen.

Schäuble plädierte dafür, Flüchtlingslager der Vereinten Nationen und der Hilfsorganisationen besser zu unterstützen. Es sei aber "Unsinn", hier "juristische Vorschaltstellen" zu errichten.

Max Stadler, innenpolitischer Sprecher der FDP, forderte die Bundesregierung auf, sich von Schily zu distanzieren und sich "zur Tradition des humanitären Flüchtlingsschutzes in Europa" zu bekennen. Der Konstanzer Asylexperte Kay Hailbronner wurde im Handelsblatt mit dem Vorwurf an Schily zitiert, Guantanmo-ähnliche Zustände anzustreben.

Deutliche Kritik an Schily übte auch die EU-Kommission. "Wir stimmen dem nicht zu", erklärte eine Mitarbeiterin von Antonio Vitorino, dem für Justiz- und Innenpolitik zuständigen Kommissar, der . Schily greife im Kern nur "eine alte Idee" der britischen Regierung aus dem vorigen Jahr auf.

Dieser Vorstoß sei jedoch schon beim EU-Gipfeltreffen in Thessaloniki im Juni 2003 "von einer Mehrzahl der EU-Regierungen und auch von Herrn Schily selbst abgelehnt" worden. Eine EU-Studie hatte damals moniert, die Gründung solcher europäischer Transitzentren in Drittstaaten werfe "zahlreiche rechtliche, finanzielle und praktische Fragen" auf.

Vor allem sei zweifelhaft, ob Länder in den Herkunftsregionen den "wirksamen Schutz" für Asylbewerber gewährleisten könnten. Schily hatte auf EU-Programme zur Bekämpfung der illegalen Migration verwiesen.

Vitorinos Mitarbeiterin stellte nun klar, diese EU-Projekte sollten vor allem Entwicklungsländern helfen, Flüchtlingsströme aus Nachbarländern zu bewältigen. Hingegen plane Brüssel "keinerlei Vorschlag", etwa vor Sizilien gestrandete Flüchtlinge zurück nach Afrika zu verschiffen und dort von Beamten aus den EU-Staaten prüfen zu lassen.

Dafür fehle der EU ohnehin ein gemeinsames Asylrecht. Zudem verbiete dies auch die Flüchtlingskonvention: "Wer in Europa angekommen ist, hat Anspruch auf ein Verfahren in Europa".

(SZ vom 4.8.2004)

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