Wohnungseinbrüche:Innere Unsicherheit

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Die Zahl der Einbrüche steigt seit acht Jahren stetig, sie ist auf dem höchsten Stand seit 1999. Das ist so bedrohlich, weil ein Wohnungseinbruch immer auch einen Einbruch in die Intimsphäre bedeutet. Müssen jetzt private Sicherheitsdienste helfen?

Von Josef Kelnberger

Ein Wirt aus dem kleinen baden-württembergischen Ort Tiefenbronn gelangte vergangenes Jahr zu nationaler Berühmtheit, weil er der Polizei das Vertrauen entzog. Er finanzierte dem ganzen Ort einige Monate lang einen privaten Wachdienst, um der Einbrecherplage Herr zu werden. In der Zeit herrschte tatsächlich wieder Ruhe in dem beschaulichen, wohlhabenden Tiefenbronn. Doch als der Wachdienst ging, weil ihn niemand mehr bezahlen wollte, kamen die Einbrecher wieder. Eine Posse aus der Provinz?

Angesichts der neuen Kriminalstatistiken könnte man von einem Menetekel sprechen. Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist in Deutschland im achten Jahr nacheinander gestiegen und so hoch wie seit 1999 nicht mehr. Politiker aller Couleur überbieten sich nun mit Forderungen nach härteren Strafen, nach mehr Personal und mehr Rechten für die Polizei. Auch die Bundesregierung wird aktiv, auf ihrer Klausurtagung befassen sich die Fraktionsvorstände von Union und SPD mit dem Thema. Es dürfe, so heißt es zur Begründung, nicht dazu kommen, dass die innere Sicherheit privatisiert wird nach dem Motto: Sicher kann sich nur fühlen, wer das Geld für private Wachdienste hat. Reine Panikmache? Die Botschaft hat einen wahren Kern.

Die Opfer fühlen sich in ihrer privatesten Sphäre verletzt

Nun mag man darüber streiten, wie dramatisch die Zahlen wirklich sind. Etwas mehr als 150 000 Wohnungseinbrüche ergeben sich aus den Kriminalstatistiken der Länder für das Jahr 2014 - nach der Wende waren es weit mehr als 200 000. Und in fast der Hälfte der Fälle bleibt es beim Versuch des Einbruchs. Doch Sicherheit ist kein objektiver Tatbestand, sondern ein Gefühl. Wer Opfer eines Wohnungseinbruchs wird, ist in seiner privatesten Sphäre verletzt. Eine traumatische Erfahrung mit der Folge von Schlaflosigkeit, Angst, Panik. Viele Opfer geben ihre Wohnung auf, nachdem ihre Schränke und Schubladen durchwühlt und Gegenstände gestohlen worden sind, deren ideeller Wert oft größer ist als der materielle. Nirgends hat der politische Kampfbegriff der "inneren Sicherheit" so sehr seine Berechtigung wie in den vier Wänden der Bürger. Auf dem Spiel steht das Urvertrauen in den Staat.

Neu ist das Problem für die reichen Flächenstaaten im Süden und Südwesten der Republik. In Bayern ist die Zahl der Einbrüche, von einem niedrigen Niveau aus, vergangenes Jahr um ein Drittel gestiegen. Eine ähnliche Quote hatte Baden-Württemberg bereits im Jahr zuvor zu verzeichnen, nun stiegen die Zahlen noch einmal beträchtlich. Über die Ursachen gibt es angesichts der geringen Aufklärungsquote keine gesicherten Erkenntnisse. Aber die Sicherheitsbehörden sehen die größte Gefahr in den internationalen Banden, vorwiegend aus Ost- und Südosteuropa. Sie schätzen die Grenznähe, nutzen großzügige Autobahnen als Fluchtwege - und finden Häuser und Wohnungen vor, in denen tatsächlich einiges zu holen ist. Wie in Tiefenbronn. Es handelt sich letztlich, in den Worten von Baden-Württembergs Innenminister Gall, um "Armutskriminalität".

Europas soziale Probleme kann die deutsche Polizei nicht lösen. Sie setzt auf mobile, grenzüberschreitende Fahndung, bildet spezielle Ermittlungsgruppen, gleicht länderübergreifend Daten ab. Die Politik kann der Polizei am besten helfen, indem sie ihr neue Stellen schafft. Wie meist auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit, ist mehr Personal für die Polizei der bessere Weg als eine Verschärfung von Gesetzen. Aber auch die Bürger werden in ihre Sicherheit investieren müssen. Indem sie mehr Geld für sichere Fenster und Türen ausgeben, aber auch, indem sie wachsam bleiben und die Polizei alarmieren, wenn sie in der Nachbarschaft Verdächtiges bemerken. Nachbarn passen aufeinander auf: Das ist die richtige Form der Privatisierung von innerer Sicherheit.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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