Wohnraum:Regeln und Rendite

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Immobilienunternehmen behaupten, neue Vorschriften machten den Bau von Wohnungen unattraktiv. Plausibel ist das nicht.

Von Benedikt Müller

Es sind markige Worte, mit denen die Wohnungswirtschaft gegen die Reformpläne des Bundesjustizministers kämpft. Heiko Maas (SPD) habe einen "Masterplan zur Abschreckung privater Investoren" erarbeitet, poltert etwa der Immobilienverband Deutschland (IVD). Wenn der Staat den Spielraum für Mieterhöhungen einschränke, lohne es sich für viele Investoren nicht mehr, neue Mietwohnungen zu bauen, so die Argumentation. Und wenn Vermieter die Kosten für Modernisierungen nur noch zu einem kleineren Teil auf Mieter abwälzen dürften, dann würden sie künftig eben nicht mehr modernisieren. Dies lege den Grundstein für "die Schrottwohnungen von morgen", warnt der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft (GdW).

Die Immobilienunternehmen haben eine gewisse Verhandlungsmacht, deshalb können ihre Verbände so laut agieren. Denn in vielen Städten fehlen Wohnungen, es sind viel mehr Zuwanderer gekommen als erwartet, es ziehen aber auch mehr Menschen vom Land in die Stadt als vorhergesehen. Je nach Schätzung müssten bundesweit 350 000 bis 400 000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden. Doch die Zahl der Neubauten bleibt seit einigen Jahren hinter dem Bedarf zurück (siehe Grafik). Auch im vergangenen Jahr sind nur gut 300 000 neue Wohnungen genehmigt worden. Öffentliche Wohnungsunternehmen können die Lücke alleine nicht füllen. Deshalb ist der Staat darauf angewiesen, dass Immobilienunternehmen oder Privatleute neu bauen oder bestehende Häuser aufstocken.

Doch haben Maas' Pläne das Zeug dazu, den Wohnungsbau abzuwürgen? Positive Anreize setze die Reform zwar nicht, sagt Konstantin Kholodilin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "Die geplanten Maßnahmen werden es weiter erschweren, eine angemessene Rendite mit Mietwohnungen zu erwirtschaften." Allerdings, betont Kholodilin, greifen die Regeln nicht bei der Erstvermietung von Neubauten. Die Miete einer nagelneuen Wohnung darf der Eigentümer weiter frei festsetzen. Erst wenn er die Miete später erhöhen will, darf er das jeweils ortsübliche Niveau nicht überschreiten. Bis dahin genießen selbst überhohe Erstmieten Bestandsschutz. Das heißt: Neubauten sind von der Reform nicht betroffen, vorausgesetzt, das erste Mietverhältnis hat eine Weile Bestand. Zudem bleiben Immobilien dank anhaltend niedriger Zinsen und steigender Preise attraktiv. In bestehenden Mietverhältnissen würde Maas' Reform allerdings die Möglichkeiten für Mieterhöhungen einschränken. Würden Mietspiegel künftig Verträge der vergangenen acht statt vier Jahre abbilden, dann würde die ortsübliche Miete in 14 der 15 größten Städte Deutschlands sinken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Steinbeis-Hochschule Berlin im Auftrag des IVD. Demnach wären etwa für eine durchschnittliche Bestandswohnung in München statt 11,93 Euro pro Quadratmeter nur noch 11,18 Euro "ortsüblich". Denn der Mietspiegel würde nicht nur die starken Steigerungen der vergangenen vier Jahre erfassen. Nur in Duisburg würde das Niveau leicht steigen. Der Verband warnt, die Verschärfung könnte daher den Wert vermieteter Immobilien drücken.

Doch auch dieser Zusammenhang ist umstritten. "Im Großen und Ganzen ist nicht zu erwarten, dass Vermieter den Wert ihrer Immobilien stark nach unten korrigieren müssten", sagt Philipp Wass, der bei der Ratingagentur Scope die Wohnungswirtschaft analysiert. Investitionen in Immobilien brächten seit Jahren stabile Erträge. "Wenn man keine exorbitanten Gewinne erwartet, werden sich Neubauten auch in Zukunft lohnen." Und sollte ein Vermieter die Miete nicht regulär gemäß dem Mietspiegel erhöhen können, bliebe ihm immer noch der Weg der Modernisierung.

Denn wenn er den Wert einer Wohnung erhöht, etwa durch den Anbau eines Balkons, darf der Vermieter einen Teil seiner Modernisierungskosten auf die Miete umlegen. Gerade große, börsennotierte Vermieter investieren seit Jahren mehr Geld in Sanierungen. "Für sie ist es zurzeit vielfach rentabler, ihre eigenen Bestände zu modernisieren, als Wohnungen von anderen Eigentümern aufzukaufen", sagt Wass. Schließlich ist der Kauf von Mietshäusern deutlich teurer geworden. Modernisierungen lassen sich dagegen genauso günstig finanzieren, dank der niedrigen Zinsen sogar deutlich günstiger als früher.

Unter anderem deshalb will Justizminister Maas die maximale Umlage von elf auf acht Prozent der Kosten senken. Gerade für Wohnungskonzerne, die in großem Stil sanieren, bliebe dies auch nach der Reform ein lohnendes Geschäft, sagt Wass. "Modernisierungen wären immer noch ein probates Mittel, um Mieten zu erhöhen." DIW-Experte Kholodilin befürchtet dagegen, gerade private Kleinvermieter hätten nach der Änderung tatsächlich einen geringeren Anreiz, Wohnungen energetisch zu sanieren, also etwa Wände zu dämmen oder neue Fenster einzubauen. "Das würde die Umweltziele der Bundesregierung gefährden." Schließlich geht die Hälfte des Energiebedarfs hierzulande auf das Heizen zurück.

© SZ vom 13.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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