Missbrauchsskandal:Staatsanwalt ermittelt gegen Woelki

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Rainer Maria Woelki, Kardinal von Köln, erklärte, er sei erst im Juni mit den Missbrauchsvorwürfen gegen Sternsinger-Chef Winfried Pilz befasst worden. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Eine frühere Mitarbeiterin hat in einem Interview schwere Vorwürfe gegen den Kölner Kardinal erhoben. Sie habe es "nicht mehr ausgehalten, Dinge aus erster Hand zu wissen", sagt sie.

Die Staatsanwaltschaft Köln hat am Mittwoch ein Ermittlungsverfahren gegen Kardinal Rainer Maria Woelki eingeleitet. Untersucht werde der Vorwurf der falschen eidesstattlichen Versicherung, sagte Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn.

Die ehemalige Assistentin des Personalchefs im Erzbistum Köln, Hildegard Dahm, hat in einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger gesagt, dass sie Woelki frühzeitig über Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren Sternsinger-Chef Winfried Pilz informiert habe. Sie habe es "nicht mehr ausgehalten (...), Dinge aus erster Hand zu wissen, die den öffentlichen Aussagen von Kardinal Woelki widersprechen, speziell zum Fall des früheren Sternsinger-Präsidenten Winfried Pilz", sagte Dahm.

Dem 2019 gestorbenen Pilz werden Missbrauchsvorwürfe gemacht. Woelki hat in einem presserechtlichen Verfahren versichert, erst ab der vierten Juniwoche dieses Jahres mit dem Fall befasst worden zu sein. Dahm sagte nun in dem Interview, sie habe im Januar 2015 persönlich eine Excel-Liste für Woelki erstellt mit allen damals aktuellen Missbrauchsfällen. Auf dieser Liste hätten 14 Namen gestanden, darunter der von Pilz. Ihr Chef habe die Liste in ein Gespräch mit Woelki mitgenommen.

Hinterher habe sie ihren Chef gefragt, was Woelki zu der Liste gesagt habe. Darauf habe dieser geantwortet: "Das hat den Kardinal überhaupt nicht interessiert." Sie sei daraufhin "wie versteinert" gewesen. Vom Kölner Stadt-Anzeiger darauf hingewiesen, dass Woelki sage, er sei erst im Juni 2022 mit dem Fall Pilz befasst worden, antwortete Dahm: "Das ist nicht wahr. Mag sein, dass er sich das Blatt mit Pilz und den anderen 13 Namen nicht angeschaut hat. Aber befasst habe ich ihn damit. Ganz eindeutig. Deshalb war ich auch so entsetzt über die Selbstdarstellung des Kardinals in der Öffentlichkeit."

Dahm war von 2013 bis 2017 im Generalvikariat - der Zentralverwaltung des Bistums - beschäftigt. Danach übernahm sie in einem Kirchengemeindeverband die Verwaltungsleitung. Zu ihrer Motivation für den Gang an die Öffentlichkeit sagte sie: "Das musste jetzt einfach raus. Ich will nicht, dass später einmal Menschen zu mir kommen und mich fragen: 'Du hast doch so viel gewusst. Warum nur hast du nichts gesagt?'"

Das Erzbistum weist die Vorwürfe zurück und erwägt arbeitsrechtliche Schritte gegen die Frau. Die Aussagen der ehemaligen Mitarbeiterin seien ein erneuter und unbegründeter Versuch, "Kardinal Rainer Maria Woelki eine falsche eidesstattliche Versicherung zu unterstellen", heißt es in einer Stellungnahme des Erzbistums.

Der Vorsitzende der Unabhängigen Aufarbeitungskommission für den sexuellen Missbrauch im Erzbistum Köln, der Verfassungsrechtler Stephan Rixen, äußerte sich alarmiert über die Enthüllungen. "Wir erwarten jetzt zeitnah eine minutiöse Darstellung der Abläufe im Fall Pilz", sagte Rixen dem Kölner Stadt-Anzeiger. Dahm sei eine "Top-Zeugin". "Wenn es stimmt, dass eine Täterliste den Kardinal nicht interessiert hat, dann frage ich mich: Was wird in diesem Erzbistum eigentlich für ein Spiel gespielt?"

Die Reformbewegung Maria 2.0 appellierte aufgrund der Vorwürfe an alle Gemeinden im Erzbistum Köln, Firmtermine mit Woelki sowie auch mit seinen Weihbischöfen abzusagen. Für die Firmlinge solle es Informationsabende geben, um sie darüber aufzuklären, welche Rolle die Amtsträger bei der Vertuschung der Taten sexualisierter Gewalt gespielt hätten. Das Erzbistum Köln hat zu den Vorwürfen bisher noch nicht Stellung genommen.

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