Wirtschaft im 21. Jahrhundert:Spekulativer Überschwang

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Die Wirtschaft ist zu Beginn des neuen Jahrtausends von Übertreibung geprägt. Erst platzt die "New-Economy-Bubble", dann löst die "Subprime"-Krise die erste Rezession der Weltwirtschaft seit dem Krieg aus.

Der Trend zu großen Firmenübernahmen und Fusionen, der in den neunziger Jahren begonnen hatte, kulminiert im neuen Jahrtausend. Im November 2000 ist sie dann schließlich perfekt - die bis dato größte feindliche Übernahme aller Zeiten: Für 190 Milliarden Euro übernimmt der britische Mobilfunkbetreiber Vodafone den Mischkonzern Mannesmann.

Der Neue Markt: Voller Euphorie gestartet, gibt es ein krachendes Ende. (Foto: Foto: ddp)

Die feindliche Übernahme des deutschen Traditionsunternehmen durch die Engländer wird in den deutschen Medien als Ende des rheinischen Kuschelkapitalismus' gebrandmarkt.

Der Düsseldorfer Konzern, der mit der Herstellung von Röhren groß geworden war, hatte in den neunziger Jahren in den neuen Geschäftsbereich Telekommunikation expandiert. Mit dem Aufbau des D2-Netzes gehört Mannesmann schließlich auch zu den Pionieren der neuen Mobilfunktechnologie, verhebt sich dann aber im Monopoly immer neuer Firmenübernahmen.

Althergebrachte Wirtschaftlichkeit zählt nicht mehr

Vodafone schwingt sich durch etliche Übernahmen zwar zum größten Mobilfunkunternehmen der Welt auf - doch das allein macht das britische Unternehmen noch nicht renditestark: Der erbitterte Preiskampf auf den schnell gesättigten Mobilfunkmärkten drückt auf die Gewinnmargen, was den Wert der Vodafone-Aktie um zwei Drittel abstürzen läßt.

Revolutionäre Technologien wie der Mobilfunk und das Internet begünstigen im neuen Jahrtausend die Entstehung einer spekulativen Blase, die zunächst harmlos als "New Economy" bezeichnet wird. Diese neue Ökonomie scheint den Gesetzen althergebrachter Wirtschaftlichkeit trotzen zu können, doch das ist ein Irrglaube. Schon im Jahr 2000 mehren sich die Zeichen, dass die "New Economy" an ihre Grenzen gestoßen ist, doch kaum etwas symbolisiert das Platzen der Dotcom-Blase besser als das krachende Ende des Neuen Marktes.

Von der Deutschen Börse 1997 nach dem Vorbild der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq eingerichtet, sollte das neue Marktsegment den neuen Technologien Raum geben und jungen Unternehmen die Möglichkeit zur Eigenkapitalfinanzierung über einen Börsengang bieten.

Steil bergab

Die Euphorie ist zunächst riesengroß - in den ersten drei Jahren seines Bestehens verzwanzigfacht der Neue Markt seinen Wert.

Doch schließlich geht es steil bergab: In einer endlosen Reihe müssen immer mehr Unternehmen Insolvenz anmelden und Strafrechtssachen wie bei dem Telematikanbieter Comroad oder bei dem Medienunternehmen EM.TV beschäftigten die Gerichte.

Die deutsche Wirtschaft profitiert zu Beginn des Jahrtausends zwar von der New-Economy-Blase und kommt auf stolze Wachstumsraten - doch nach dem Einbruch an den Börsen und den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA stottert der Konjunkturmotor.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie die Finanzkrise die deutsche Realwirtschaft bremst.

Prekärer Renditehunger
:Maßlos in die Weltwirtschaftskrise

Größenwahnsinn und Immer höhere Erwartungen an die Rendite treiben die Weltwirtschaft zu Beginn des neuen Jahrtausends in die Rezession. Die deutsche Autoindustrie leidet besonders.

Vor allem die Erwerbslosigkeit entwickelt sich dabei zum Problem: In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends steigt die Arbeitslosenquote in Geamtdeutschland beständig - von knapp über zehn Prozent im Jahr 2001 auf 13 Prozent im Jahr 2005. Doch dann kommt es zu einer deutlichen Wende am deutschen Arbeitsmarkt. Schon 2006 beträgt die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt nur noch zwölf Prozent, ein Jahr später sind es nur noch zehn Prozent.

Die Regierungsparteien aus Union und SPD machen die Hartz-IV-Gesetze dafür verantwortlich, durch die der Arbeitsmarkt mit Beginn des Jahres 2005 reformiert worden ist. Die Opposition hält die höhere Erwerbstätigkeit hingegen durch die wieder stärker wachsende Wirtschaft begründet.

Alarmsignal Bear Stearns

Wie leicht der Arbeitsmarkt nach wie vor destabilisiert werden kann, zeigt sich schließlich in der Folge der Finanzkrise.

Erste Anzeichen für massive Verwerfungen an den Kapitalmärkten gibt es bereits 2007, als zunächst die US-Investmentbank Bear Stearns in Schieflage gerät und in der Folge die deutsche Mittelstandsbank IKB. Etliche Landesbanken müssen zudem mit Milliardenkrediten gestützt werden.

Mit der Pleite der amerikanischen Großbank Lehman Brothers am 15. September 2008 gerät das ohnehin fragile Weltfinanzsystem dann vollends ins Wanken - aus der Finanzkrise wird eine veritable Wirtschaftskrise. Mit der Hypo Real Estate hat zudem nun auch Deutschland einen Insolvenzfall in bis dato ungekannter Größenordnung.

Die Probleme des Finanzsektors hinterlassen schnell auch in der Realwirtschaft Schleifspuren. So sind die drei großen US-Autohersteller innerhalb kürzester Zeit de facto pleite, wodurch der deutsche Autohersteller Opel unmittelbar betroffen ist. Denn die Insolvenzgefahr der Muttergesellschaft General Motors bringt auch das Rüsselsheimer Unternehmen an den finanziellen Abgrund.

Profilierung durch Investorensuche

Da der Staat die Banken des Landes mit Milliardenbeträgen gestützt hatte, entbrennt schnell eine Diskussion darüber, ob nicht auch Opel und der ebenfalls in Schieflage geratene Automobilzulieferer Schaeffler staatliche Finanzspritzen verdienen. Schließlich hängen an dieser deutschen Schlüsselbranche Zehntausende Arbeitsplätze.

Die rot-grüne Bundesregierung widersetzt sich aber diesen Begehrlichkeiten: Im Falle der Banken habe gehandelt werden müssen, heißt es zur Begründung, da sonst möglicherweise das ganze Wirtschaftssystem zusammengebrochen wäre. Bei den Unternehmen der Automobilindustrie drohe diese Gefahr aber nicht. Der neue Wirtschaftsminister Guttenberg profiliert sich allerdings bei der Suche nach neuen Investoren für Opel.

Einen Trost haben die Europäer aber in der Finanzkrise: Der von ihnen in weiten Teilen des Kontinents zum 1. Januar 2002 eingeführte Euro erweist sich als Segen: Ohne ihn wären viele Euro-Länder noch deutlich stärker von der ersten weltweiten Rezession nach dem zweiten Weltkrieg betroffen.

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