Wirecard-Skandal:"Lippenbekenntnisse sind nicht genug"

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Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hofft für das Gesetz zur Finanzmarktintegrität auf die Unterstützung der Union. Lippenbekenntnisse seien nicht genug, sagt er. (Foto: Michael Kappeler/picture alliance/dpa)

Nach dem Wirecard-Skandal wurden schärfere Regeln gegen Anlagebetrüger und Bilanzfälscher gefordert. Zügig haben Finanzminister Scholz und Justizministerin Lambrecht dazu nun ein Gesetz erarbeitet. Und auch die Union will mitziehen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die Bundesregierung ist offenbar fest entschlossen, die nach dem Skandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard versprochenen schärferen gesetzlichen Regeln gegen Anlagebetrüger und Bilanzfälscher so schnell wie möglich zu verabschieden. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) gab am Montag den Entwurf des Gesetzes "zur Stärkung der Finanzmarktintegrität" in die interne Ressortabstimmung. Scholz hat die Regeln zusammen mit Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) erarbeitet. Das Kanzleramt prüfte den Entwurf und ließ die Abstimmung mit den anderen Ministerien zu. Der Finanzminister fordert die Kollegen nun auf, zügig mitzuarbeiten. "Alle, die zusammen mit mir grundlegende Reformen gefordert haben, können nun zeigen, wie ernst es ihnen ist", sagte Scholz der Süddeutschen Zeitung. "Lippenbekenntnisse sind nicht genug, jetzt brauchen wir wirkliche Unterstützung."

Geplant sind striktere Pflichten und Auflagen für Wirtschaftsprüfer und ein härteres Durchgreifen der Finanzaufsicht bei Verdacht auf kriminelle Machenschaften. Bilanzprüfer sollen anders als bisher alle zehn Jahre das Unternehmen wechseln - wie es in Europa üblich ist. Sie müssen stärker für ihre Ergebnisse haften; bei extremen Fehlleistungen sollen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe möglich sein. Die Haftungshöchstgrenzen sollen von vier auf 20 Millionen Euro erhöht werden; bei grober Fahrlässigkeit soll es keine Grenze geben. Wirtschaftsprüfer sollen kaum noch gleichzeitig beraten und prüfen. Scholz sagte, die neuen Regeln sorgten dafür, "dass auf Bilanzen und die Testate von Wirtschaftsprüfern mehr Verlass ist".

Scholz und Lambrecht ziehen mit dem Gesetzentwurf die Konsequenzen aus dem im Juni aufgeflogenen Betrug des ehemaligen Dax-Konzerns. Wirecard hat Anleger unter den Augen von Prüfern und Politik um mehr als drei Milliarden Euro geprellt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte noch im September 2019 bei einem Besuch in China für Wirecard lobbyiert.

Die Opposition im Bundestag setzte zur Aufklärung des größten Bilanzbetrugs in der jüngeren Geschichte einen parlamentarischen U-Ausschuss durch. Er läuft bis April 2021. Für Scholz, den seine Partei bereits zum Kanzlerkandidaten erkoren hat, ist der Ausschuss eine Bürde im Bundestagswahlkampf 2021. Obwohl die Betrügereien von Wirecard unter Scholz' Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) und dessen damals für junge Finanzunternehmen zuständigen Staatssekretär Jens Spahn (CDU) begonnen haben, steht Scholz als Finanzminister im Fokus. Ihm untersteht die Finanzaufsicht Bafin, die den Betrug nicht entdeckt hatte.

Für die CDU ist der Ausschuss heikel, weil Lobbyisten aus der CSU im Kanzleramt vorstellig geworden sind. Und auch weil Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) für die Wirtschaftsprüfer zuständig ist. Altmaier hatte sich zunächst heftig gegen striktere Auflagen für Wirtschaftsprüfer gewehrt - aber dann offenbar eingelenkt. Das Kabinett habe den Plan für schärfere Regeln von Scholz und Lambrecht "heute morgen zur Kenntnis genommen", twitterte Altmaier am 7. Oktober. Nun müssten beide nur noch "ihre Gesetzesentwürfe vorlegen". Am Montagabend dürften sie in Altmaiers Postfach gelegen haben. Er habe "ein klares Ziel", sagte Scholz. "Die schärferen Regeln sollen noch in dieser Legislaturperiode kommen."

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