Wirbelsturm vor US-Küste:Das schlechte Beispiel des Präsidenten

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Als Hurrikan Katrina vor drei Jahren kam, reagierte George W. Bush rat- und tatlos: Warum der Präsident versagte.

Varinia Bernau

"Jetzt muss gehandelt werden", sprach Senator John McCain, als er am Sonntag in die von Hurrikan Gustav bedrohten Gebiete reiste - und sich dort als ein Mann der Tat inszenierte, der die Ärmel hochkrempelt und anpackt. Denn: Die Bilder vom schlechten Katrina-Krisenmanagement der Bush-Regierung sind stärker haften geblieben als die Akzente, die McCain bereits damals dagegensetzte.

George W. Bush blickt auf die Trümmer von New Orleans - drei Tage nach dem Wüten von Hurrikan "Katrina" machte sich der Präsident erstmals ein eigenes Bild von der Naturkatastrophe. (Foto: Foto: AFP)

Hurrikan Gustav, der nun auf dieselbe Region zurast wie vor drei Jahren Katrina, richtet die Aufmerkamkeit auf eines der desaströsesten Kapitel der republikanischen Regierung. Die Popularitätswerte des Präsidenten waren im Zuge von Katrina auf einen historischen Tiefststand von 36 Prozent gesunken. Groß ist die Gefahr für McCain, damit in Verbindung gebracht zu werden.

Als der Hurrikan Katrina Ende August 2005 kam, stand das mächtigste Land der Welt hilflos da: Es fehlte an Sandsäcken, nachdem die Deich gebrochen waren - und an Helfern, diese zu stemmen. 10.000 Menschen harrten vier Tage lang im Convention Center aus: ohne Wasser, Lebensmittel, Medikamente. Es kam zu Plünderungen und Vergewaltigungen. Bilder von verwesenden Leichen und resignierten Ordnungskräften gingen um die Welt - Bilder, die auf erschreckende Weise zeigten, wie empfindlich die hoch entwickelte Industrienation tatsächlich war.

Und dazu ein Bild des Präsidenten, das so gar nicht zu einer der größten Naturkatastrophen in der Geschichte der USA passen wollte: George W. Bush saß gemütlich am Lagerfeuer - und spielte Gitarre. Dieses Bild zeige die tief sitzende Gleichgültigkeit des Präsidenten gegenüber fundamentalen Regierungsaufgaben, analysierte damals die New york Times. Und dem alleingelassenen Bürgermeister von New Orleans entfuhr in einem Radiointerview ein wütendes: "Die in Washington sollen endlich ihren Arsch hochkriegen und etwas tun."

Die Kritik an George W. Bush konzentrierte sich zunächst auf diese Symbole: Zwei Tage nach Katrina harrte der Präsident immer noch auf seiner Ranch aus, ehe er den für fünf Wochen geplanten Urlaub abbrach - und der Naturkatastrophe die gebührende Aufmerksamkeit schenkte.

Die Medien rechneten damals vor, dass der Präsident bereits an etwa 320 Tagen seiner viereinhalbjährigen Amtszeit im Urlaub geweilt habe, während sich der durchschnittliche Amerikaner gerade einmal 14 freie Tage im Jahr gönnte. Erst mit Verspätung signalisierte Bush, dass die Bundesregierung mit ihm an der Spitze für Hilfe in der Not sorgt. Am Montag war Katrina über die Staaten Louisiana, Mississippi und Alabama hinweggefegt. Am Freitagmittag besuchte der Präsident die Gebiete.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Versäumnisse beim Hochwasserschutz und bei der Ölversorgung sich die Bush-Administration vorwerfen lassen musste!

Das geflügelte Wort von den "zwei Einsätzen am Golf" ging um: Am Persischen Golf hatte George W. Bush nicht schnell genug in den Krieg ziehen können, am Golf von Mexiko, wo es um die eigenen Landsleute ging, zeigte er sich mehr als zögerlich. Und so wurde die Kritik bald schon sachlicher: Zu wenig Vorsorge, zu wenig Geld für Dammbauten und Pumpsysteme habe es gegeben.

George W. Bush besucht Anfang September 2005 die Menschen in dem vom Tropensturm zerstörten New Orleans. (Foto: Foto: AP)

Diese Kritik zielte auf die Versäumnisse der Bush-Administration: Zwar waren etwa im Bundesstaat Louisiana während der Ära Bush etwa 1,9 Milliarden US-Dollar an die für Kanal- und Dammbau zuständige Bundesbehörde gegeben worden - aber ein großer Teil davon war nicht in den Hochwasserschutz geflossen.

Seit 1965 gibt es ein Programm, um das unter dem Meeresspiegel gelegene New Orleans vor Überflutung zu schützen. Zwar hatten seither fast alle Präsidenten daran gespart, aber Bush gab sich besonders knauserig: Während sein Vorgänger Bill Clinton noch 100 Millionen US-Dollar jährlich dafür ausgab, waren es unter Bush nur noch 75 Millionen Dollar.

Zweifel an Finanzierbarkeit der Hurrikan-Hilfe

Doch zwei Jahre vor Katrina blieb das Geld für Dämme und Pumpstationen gänzlich aus: Es werde gebraucht für den Krieg im Irak, hieß es in Washington. Eine Delegation aus Louisiana, die um Hilfsmittel für die von Erosion bedrohten Marschgebiete bat, wurde von der Bush-Administration wieder nach Hause geschickt. Selbst die 188 Millionen Dollar für den Bau einer notwendigen Flutkontrollpumpe am Mississippi wurden nicht genehmigt. Stattdessen feuerte Bush den Chef des Ingenieurkorps der US-Armee, der diesen Vorschlag unterstützt hatte.

Im Zuge des 11. September 2001 hatte Bush die einst eigenständige Federal Emergency Management Agency dem neu geschaffenen Heimatschutzministerium unterstellt. Und das hatte vor allem mögliche Terroranschläge auf dem Radar - nicht aber eine Naturkatastrophe wie Katrina, die sich mit ausreichender Vorwarnzeit angekündigt hatte. Die leitenden Mitarbeiter des Ministeriums hielten es bei der Evakuierung von New Orleans selbst dann nicht für nötig, Militär anzufordern, als der Wirbelsturm die Stärke 5 erreicht hatte.

Bald warfen Kritiker dem Präsidenten Bush auch die durch Katrina verursachte Ölknappheit vor: Der Wirbelsturm hatte unter anderem acht wichtige Raffinerien unbrauchbar gemacht; die Benzinpreise stiegen zum Teil auf das Doppelte. Bilder von langen Schlangen an den Tankstellen waren im Fernsehen zu sehen - und ein hilfloser Präsident sagte in einer kurzen Ansprache: "Kaufen Sie kein Benzin, wenn Sie nicht müssen!"

Zu wenig politischer Druck auf die Ölkonzerne

Bush wies das Energieministerium an, strategische Erdölreserven des Landes anzuzapfen. Doch es war offensichtlich, dass es die Ölkonzerne jahrzehntelang versäumt hatten, in neue Raffineriekapazitäten zu investieren, obwohl sie bei der Preistreiberei um den Treibstoff Milliardengewinne eingefahren hatten. Und so wurde nun auch der Politik vorgehalten, nicht rechtzeitig Druck auf die Wirtschaft gemacht zu haben.

Drei Tage nach dem Wüten von Katrina beantragte Bush schließlich 10,5 Milliarden Dollar Soforthilfe beim Kongress und kündigte die Entsendung von 7000 Soldaten an - doch kam die Kritik an seinem Missmanagement bereits aus den eigenen Parteireihen; auch von McCain.

Bush räumte ein, dass die Hilfsmaßnahmen in den ersten Tagen unzureichend gewesen seien. Doch er zeigte nicht nur Reue - er schob den "schwarzen Peter" auch den Behörden auf Regional- und Bundesstaatebene zu. Auch wenn der Präsident eigenmächtig Einheiten der Nationalgarde in Katastrophengebiete schicken kann, wird Washington in der Regel erst dann aktiv, wenn Bürgermeister und Gouverneur Bundeshilfe anfordern. Und gerade die Gouverneure der betroffenen Staaten hatten sich ebenfalls sehr zögerlich gezeigt.

Drei Wochen nach Katrina hielt Bush - symbolträchtig im legendären Französischen Viertel von New Orleans - eine Rede: Er versprach neben Aufbauhilfen auch, dass Washington mehrere Monate lang die Krankenkosten für die Opfer übernehme. Kommentatoren deuteten dies eher als Rettungsversuch seiner Popularität denn als Rettungsversuch für die Hurrikanopfer. Und unter den Abgeordneten im US-Kongress, der die finanziellen Mittel bewilligen muss, entbrannte bald eine Diskussion über die Finanzierbarkeit des von Bush verkündeten Vorhabens.

Auch Republikaner zeigten sich skeptisch. "Wir wissen, dass es um eine große offene Rechung geht", sagte damals Senator McCain, "wir können sie nicht zukünftigen Generationen hinterlassen."

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