Es liegt in der Natur der Sache: Die Entscheidung über den Bau eines Flughafens, eines Bahnhofs, einer Wasserstraße oder eines Atomendlagers ist nun einmal komplexer als die über einen Hasenstall. Beim Hasenstall sind die Betroffenen an einer Hand abzuzählen und die Interessenlagen übersichtlich.
Bei Großprojekten ist das anders. Sie greifen ein in die Substanz der Natur, sie betreffen Hunderttausende oder gar Millionen Menschen. Und man kann Großprojekte nicht wie einen Hasenstall einfach abbrechen und woanders wieder aufbauen.
Darum hat es schon seinen Sinn, wenn Genehmigungsverfahren einige Zeit dauern: Die Bürger sollen ordentlich angehört, ihre Bedenken und Einwände sollen ordentlich berücksichtigt werden. Diesem Zweck dient das Planfeststellungsverfahren - genauer gesagt: diesem Zweck sollte es dienen. Aber das funktioniert schon derzeit nicht so richtig; regelmäßig ist es ein Verfahren zur Rechtfertigung getroffener Entscheidungen, die den Betroffenen dann mittels ein paar Auflagen versüßt werden.
In Zukunft wird das Planfeststellungsverfahren, so ist zu befürchten, noch schlechter funktionieren: Das Bundesinnenministerium hat in einem Gesetzentwurf "zur Vereinheitlichung und Beschleunigung " die bisher in zahlreichen Gesetzen verstreuten Regeln zusammengefasst; das Planfeststellungsverfahren für alle Großprojekte über und unter der Erde soll künftig einheitlich im Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt sein. So weit, so gut.
Schlecht aber ist, dass mit dieser Zusammenfassung eine Verschlechterung der Bürgerbeteiligung einhergehen soll: Ob es Erörterungstermine gibt ("Turnhallentermine" genannt, weil der Ansturm der Bürger so groß ist, dass man große Räume braucht), soll generell ins Belieben der Behörden gestellt werden. Zur Begründung ist von Beschleunigung die Rede und davon, dass die Turnhalle nicht als Demonstrationsbühne für Querulanten missbraucht werden soll.
Öffentlichkeit also nach Behörden-Gusto: Es wird so eine Tendenz generalisiert, die sich im Verkehrswegebeschleunigungsgesetz angekündigt hatte, das nach der Wende in Ostdeutschland galt; es wurde 2006 im Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz aufs ganze Land ausgedehnt. Natürlich: Der Bürger kann später klagen. Aber ein Gerichtsprozess ist doch kein Ersatz für kluge Bürgerbeteiligung bei der Planung. Im Übrigen ist das Gericht nur Rechtskontrolle, nicht politische Kontrolle.
Misstrauen gegen den Bürger ist, so hat es Stuttgart 21 gelehrt, ein furchtbarer Fehler. Wenn man die Bürger ausbootet, wird das Planfeststellungsverfahren notleidend; dann werden Feuerwehreinsätze wie der von Heiner Geißler notwendig. Nach den Stuttgarter Erfahrungen ist es also ein Desaster, wenn ein neues Gesetz nur die bisherigen Gesetze fleißig zusammenfasst und mit einer bürgerfeindlichen Tendenz versieht.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière ist ein Kenner des Verwaltungsrechts. Er weiß: Im europäischen Vergleich rangiert Deutschland in puncto Bürgernähe und Öffentlichkeitsbeteiligung (entgegen gängiger Meinung) auf den hinteren Plätzen. In keinem anderen EU-Staat sind die Ausschlussregeln für Einwendungen so streng: Wer in Deutschland seine Bedenken nicht innerhalb knapper Frist vorbringt, ist damit für immer ausgeschlossen. Das Planungsrecht ist ein Basta- Recht. Es fehlt die Erkenntnis, dass Verwaltung für die Bürger da ist. Ihr sollte Minister de Maizière auf die Sprünge helfen. Wie? Man kann einen Bürgerentscheid in die Planfeststellung einbauen. Man kann den Erörterungstermin einem externen Mediator übertragen (wie dies das gescheiterte Umweltgesetzbuch vorgesehen hatte).
Wenn die Bürger in Planungsverfahren vor allem als Störer betrachtet werden, sind Störungen programmiert. Das neue Verwaltungsverfahrensgesetz muss daher zurück in die Werkstatt.