Werdegang Wisniewskis in der RAF:Gefangener der deutschen Geschichte

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Wie Stefan Wisniewski zur RAF kam - ein kurzer Abriss über das Leben des Mannes, gegen den die Bundesanwaltschaft wegen des Buback-Mordes nun neu ermittelt.

Willi Winkler

Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft hat Stefan Wisniewski den gelben Mercedes gefahren, mit dem das RAF-Kommando "Siegfried Hausner" am 5. September 1977 das Fahrzeug blockierte, in dem Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer saß.

Peter-Jürgen Boock, Sieglinde Hofmann, Willy-Peter Stoll und Wisniewski ermordeten mit 119 Schüssen Schleyers Fahrer und die drei Polizisten im nachfolgenden Auto und entführten den Arbeitgeberpräsidenten. Sechs Wochen später wurde dieser von RAF-Mitgliedern ermordet, deren Identität nie geklärt wurde.

Wisniewski, gegen den die Bundesanwaltschaft jetzt neu ermittelt, kam 1953 in einem Schwarzwalddorf zur Welt. Seinen Vater wird er kaum mehr wahrgenommen haben; der ehemalige Zwangsarbeiter Stanislaw Wisniewski aus Polen starb ein halbes Jahr später an einer chronischen Nierenentzündung. Im Konzentrationslager Dachau hatte er die Nummer 12 2962 getragen.

Keine Anerkennung als Nazi-Verfolgter

In einem Gespräch, das 1997 in der tageszeitung erschien, machte Wisniewski sich und den anderen Beteiligten an der Schleyer-Entführung zum Vorwurf, dass sie in ihrem Video für die Bundesregierung ihr Opfer nicht bloßgestellt hatten: Mitglieder der SS - wie Schleyer - trugen ihre Blutgruppe am Arm eintätowiert.

Schleyer hätte das Schild "Gefangener seiner eigenen Geschichte" tragen sollen. Während der ehemalige SS-Offizier Schleyer (Mitgliedsnummer 22 7014) in der Nachkriegszeit zum mächtigsten Wirtschaftsführer der Republik aufstieg, scheiterte die Witwe Wisniewski mit dem Antrag, ihren Mann als Nazi-Verfolgten anzuerkennen.

Der Sohn entwickelte sich zum schwererziehbaren Kind und brach im Jahr 1974 nach dem Hungertod von Holger Meins endgültig mit dem Staat. In einem palästinensischen Ausbildungslager im Jemen lernte er das Schießen. In der "Offensive 77" der RAF war er nach dem bisherigen Kenntnisstand vor allem an der Schleyer-Entführung beteiligt.

Im Jahr darauf wurde Wisniewski in Paris festgenommen. Er prügelte sich mit Gefängnisbeamten, versuchte auszubrechen und wurde 1981 unter anderem wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. 1999 kam er auf Bewährung frei.

Die polnische Autorin Hanna Krall hat Wisniewski in Köln-Ossendorf besucht und darüber eine Erzählung geschrieben. Demnach gaben US-Befreier dem Zwangsarbeiter Wisniewski einen Knüppel und forderten ihn auf, sich an den Deutschen zu rächen.

"Ich danke Ihnen", soll er gesagt haben, "aber für solche Sachen eigne ich mich nicht." Der Sohn, der den Vater nicht kannte, machte ihm deshalb immer Vorwürfe. Er machte es anders und wurde der Gefangene der deutschen Geschichte.

© SZ vom 26.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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