Weltkonjunktur:Vorsicht, Dummheit!

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Eine globale Rezession droht, weil Regierungen keine vorausschauende Politik machen. Das könnte Deutschland schwer treffen.

Von Claus Hulverscheidt

Der Rat aus Washington war eindeutig gewesen. Angesichts der vielen konjunkturellen Risiken, hatte es geheißen, müssten die Regierungen der Welt jetzt "klug handeln", sich eng abstimmen und "teure politische Fehler vermeiden". Wenn alle Beteiligten den Empfehlungen folgten, so Gita Gopinath, Chefökonomin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Mitte April bei der Vorstellung ihres neuen Konjunkturausblicks, werde sich eine globale Rezession gewiss vermeiden lassen.

Wenn. Denn im Moment spricht wenig dafür, dass die führenden Wirtschaftsnationen die Zeichen der Zeit tatsächlich erkannt haben. Im Gegenteil: Statt die vielen Brandherde zu löschen, die die Weltkonjunktur bedrohen, wird vielerorts unverdrossen weitergezündelt. Die USA und China schicken vor Beginn ihrer jüngsten Handelsrunde Unfreundlichkeiten hin und her und kündigen noch höhere Zölle an. Die italienische Populisten-Koalition zerlegt sich selbst, statt die Probleme des Landes anzugehen. Die Briten wollen aus der EU austreten, schaffen es aber nicht. Und nun droht womöglich noch ein bewaffneter Konflikt zwischen den USA und Iran, der nicht nur Menschenleben kosten und den Nahen Osten ins Chaos stürzen, sondern auch den Ölpreis kräftig in die Höhe treiben könnte.

Zuletzt hat sich die Wirtschaftslage stabilisiert - auch in Deutschland

Für die Weltkonjunktur ist das alles Gift - was vor allem deshalb tragisch ist, weil sich die Wirtschaftslage zuletzt stabilisiert hatte: In den USA ist das Wachstum trotz nachlassender Impulse durch die Steuerreform robust, in China scheint die Gefahr eines Einbruchs vorerst abgewendet zu sein, und sogar in der so exportabhängigen Bundesrepublik, die wie kaum ein anderes Land unter der grassierenden Unsicherheit leidet, gab es Hoffnungszeichen.

Viel wird nun davon abhängen, ob US-Präsident Donald Trump in der Handelspolitik einen konstruktiveren Weg einschlägt oder seinen aggressiven Kurs der vergangenen Monate fortsetzt. Am Donnerstag wollten Vertreter der USA und Chinas in Washington erneut über ein Abkommen verhandeln, das die hohen Exportüberschüsse der Volksrepublik reduziert und Technologiediebstahl sowie Ideenklau eindämmt. Trump hatte für den Fall, dass keine Vereinbarung zustande kommt, damit gedroht, von diesem Freitagmorgen an die bereits bestehenden US-Zölle auf chinesische Einfuhren im Wert von 200 Milliarden Dollar von zehn auf 25 Prozent zu erhöhen.

Ob es dazu kommt, war zunächst ungewiss. Sicher dagegen ist: Sollte sich der Konflikt in den kommenden Monaten zuspitzen, könnte das Chinas Wachstum um bis zu 1,5 Prozentpunkte schmälern. Das klingt nach wenig, hieße aber, dass dem Land umgerechnet rund 175 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung verloren gingen. Das träfe vor allem die deutsche Exportindustrie hart und könnte die Bundesrepublik in eine Rezession stürzen. Dabei ist noch nicht einmal die Gefahr eingerechnet, dass Trump auch die EU mit Strafzöllen überzieht, etwa auf Autolieferungen.

"Eine globale Rezession ist nicht unser Basisszenario", hatte IWF-Ökonomin Gopinath im April erklärt - was beruhigender klingt, als es ist. Denn dreht man die Aussage um, lautet sie sinngemäß: Eine Weltwirtschaftskrise ist zwar nicht die wahrscheinlichste aller Möglichkeiten, im Falle großer politischer Dummheit aber auch nicht ausgeschlossen.

© SZ vom 10.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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