Welterbe:Wien will hoch hinaus

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Ein neuer Wohnturm am Heumarkt könnte die Stadt den Welterbe-Status kosten. Er ist 20 Meter höher geplant, als es mit den Statuten der Unesco-Kommission vereinbar wäre. Die Stadt droht zum zweiten Dresden zu werden, das diesen Titel auch verlor.

Von Cathrin Kahlweit

Im Winter ist der Heumarkt besonders beliebt bei den Wienern: Dann öffnet hier der Eislaufverein seine Pforten. Bis heute ist er, vor allem sonntagmorgens, Kontaktbörse für die Sprösslinge der besseren Gesellschaft. Dauergäste erzählen sich, im kühlen Rund zwischen Stadtpark und Konzerthaus sei schon manch gutbürgerliche Ehe angebahnt worden. Nun sieht es so aus, als müsse der Eislaufverein umziehen, zeitweilig zumindest: Das Areal, neben dem ein Hotel steht, wird grundlegend umgebaut, das Hotel abgerissen und neu hochgezogen, daneben soll ein Wohnturm entstehen, ein Kongresszentrum, eine Sportanlage. Wenn das alles mal fertig ist, soll man am Heumarkt auch wieder Schlittschuh laufen können; der Vertrag wurde, optimistisch genug, auf weitere 99 Jahre geschlossen.

Schöne Sache, eigentlich, und Wiens Bürgermeister Michael Häupl wird auch nicht müde zu betonen, dass sich da auf historischem Gelände "ein neuer Platz mit großen Möglichkeiten" ergebe, dass das Projekt nach einer Nachdenkpause "optimiert" worden sei und nun von allen Beteiligten - Stadt, Investor, Architekt, Hotel, Eislaufverein, Fachbeirat für Stadtplanung - befürwortet werde.

Wenn das mal so einfach wäre. Tatsächlich ist das Bauprojekt eine Endlosgeschichte, die dazu führen könnte, dass Wien, kulturpolitisch gesehen, ein zweites Dresden wird: Die Unesco droht, der Hauptstadt den Status als Weltkulturerbe abzuerkennen. So geschehen in Sachsen, als Dresden nach einem Volksentscheid die Waldschlösschenbrücke über die Elbe baute und in der Folge seinen Welterbetitel verlor. Wien steht derzeit unter anderem in der Kritik, weil der Wohnturm, der entstehen soll, um mehr als 20 Meter das von der Unesco als Maximum für Welterbestätten festgelegte Maß von 43 Metern übersteigt. Es sei ganz klar, sagt Gabriele Eschig, Generalsekretärin der österreichischen Unesco-Kommission: Wien werde auf der nächsten Sitzung des Welterbekomitees in Krakau auf die rote Liste gesetzt. "Und wenn Wien sich nicht bewegt und nichts ändert, wird das Weltkulturerbe 2018 aberkannt."

Wien will sich aber nicht bewegen. Zwar hatte es im Sommer ein Vermittlungsverfahren gegeben, um das Projekt zu überarbeiten. Dabei wurde der Turm niedriger, das Hotel breiter, das Ergebnis hatte am Ende mit der ursprünglichen Ausschreibung im Architektenwettbewerb nur noch wenig zu tun. Gleichwohl hat nun der Fachbeirat für Stadtentwicklung, der im Sommer noch Bedenken hatte, zugestimmt. Sein Sprecher, der Architekt Rüdiger Lainer, betont allerdings, man habe nur beratende Funktion und müsse - schon aus Gründen der Rechtssicherheit - akzeptieren, dass sich andere Gremien dafür entschieden hätten. Dagegen keilte umgehend die Wiener Architektenkammer: Die Stadt unterwerfe sich Investoreninteressen. Man sei mittlerweile "bei einem Zustand angelangt, wo sich Grundstückseigentümer ihre Bebauungsbestimmungen selber" schrieben, lästert deren Vorsitzender Christoph Mayrhofer.

Die Neos fordern zwar nun auch für Wien eine Volksabstimmung. Aber in der Stadt scheint sich die Haltung durchzusetzen, dass der Verlust des Unesco-Status kein Drama wäre. Die Touristen, heißt es, kämen trotzdem.

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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