Weihnachtsansprache:Steinmeiers Geduld

Der Bundespräsident hat in seiner Rede um Geduld gebeten. Die wird man auch mit ihm haben müssen.

Von Heribert Prantl

Der Bundespräsident hat in seiner ersten Weihnachtsansprache getan, was seines Amtes ist: Er hat neben dem Christbaum stehend eine Rede gehalten, in der er um Vertrauen geworben hat - um Vertrauen in die Politik und die Gesellschaft. Er hat sich bemüht, alles richtig zu machen und zu zeigen, dass er die Wut der Menschen über den Zerfall ihrer Lebensorte und die Verödung ihres Lebens verstanden hat. Sogar die Schwierigkeiten der Regierungsbildung wusste Steinmeier in mildem Licht zu sehen.

Steinmeier hat um Geduld gebeten; die wird man auch mit ihm haben müssen. Man hätte gern ein bisschen Weihnachtsfreude gespürt bei seiner Rede. Man hätte gern das Gefühl gehabt, dass der Präsident den Menschen in die Augen schaut, nicht irgendwo ins Leere. Das Lob des oft bewundernswerten bürgerschaftlichen Engagements wäre kraftvoller gewesen, wenn der Präsident zugleich darauf hingewiesen hätte, dass dieses Engagement den Staat nicht von seiner Verantwortung entbindet zu verhindern, dass die soziale Infrastruktur privatisiert wird und am Ende verschwindet. Der Staat kann nicht darauf warten, dass Tafeln und engagierte Bürger den Sozialstaat ersetzen. Dieser hat seine Pflichten zu erfüllen, dass private Engagement ist die Kür.

Ein Appell an die Pflichten der Politik und ein bisschen Selbstkritik in diesem Zusammenhang hätten dem Weihnachtsappell nicht geschadet.

© SZ vom 27.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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