Wahlprognose:Schulz-Effekt: SPD überholt Union

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Umfragen sehen die Sozialdemokraten erstmals seit zehn Jahren vorne - und Bouffier attackiert den Kanzlerkandidaten.

Von Stefan Braun, Berlin

Auch gut drei Wochen nach der Nominierung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD profitieren die Sozialdemokraten massiv von der öffentlichen Zustimmung für ihren neuen Frontmann. Jüngste Umfragen vom Wochenende zeigen, dass die SPD auf Bundesebene entweder an die Union herangerückt ist oder diese gar schon überholt hat. Das weist unter anderem eine Umfrage des Emnid-Instituts für die Bild am Sonntag aus. Hier liegt die SPD mit 33 Prozent bereits einen Punkt vor CDU und CSU, das ist erstmals seit zehn Jahren der Fall. Andere Befragungen von Ende der vergangenen Woche sehen die Union noch vorn - allerdings mit einem immer knapperen Vorsprung.

Deutlich im Vorteil ist die SPD derzeit auch in Nordrhein-Westfalen. Im größten Bundesland, in dem Mitte Mai ein neuer Landtag gewählt wird, hat die SPD laut einer Umfrage für den Westdeutschen Rundfunk zuletzt fünf Prozentpunkte zugelegt. Sie liegt nun mit 37 Prozent deutlich vor der CDU, die um zwei Punkte auf 30 Prozent absackte. Die Leidtragenden sind auf allen Ebenen vor allem die kleinen Parteien, zuallererst die Grünen. Sie haben im Bund und in Nordrhein-Westfalen verglichen zur Lage vor zwei oder drei Monaten bis zu fünf Prozentpunkte verloren und kommen aktuell noch auf sieben Prozent. In der Partei sorgt das für heftige Unruhe; Vertreter des linken Flügels fordern inzwischen ein klares Bekenntnis zur SPD als angestrebtem Koalitionspartner.

Aus der Union kamen am Wochenende harsche Töne Richtung Schulz. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier warf Schulz indirekt vor, wie der US-Präsident Donald Trump mit bewusst falschen Behauptungen Wahlkampf zu betreiben. Bouffier sagte dem Berliner Tagesspiegel, die Behauptungen von Schulz seien "nahezu alle falsch". Der SPD-Kanzlerkandidat beklage eine angebliche Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse und stelle Jugendarbeitslosigkeit als großes Problem dar. Dabei sei bei beiden Beispielen das Gegenteil richtig. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte am Sonntag in der ARD über Schulz, "die Schau ist kurz, es muss schon ein bisschen Substanz kommen".

Das EU-Parlament widersprach am Wochenende allerdings Meldungen, Schulz habe in seiner Zeit als Präsident unrechtmäßig enge Vertraute in höhere Posten gebracht. Der Pressedienst des Parlaments sagte der Deutschen Presse-Agentur, das Parlament habe keine Informationen darüber, "dass Mitarbeiter regelwidrig versetzt oder befördert worden" seien. Weiter hieß es, Schulz habe auch keine Kompetenzen überschritten, weil er als Präsident einem Mitarbeiter nachträglich eine Zulage gewährt habe. Allerdings stehe eine Prüfung durch den Haushaltskontrollausschuss des EU-Parlaments noch aus.

Zuletzt war Schulz in die Kritik geraten, weil einer seiner engsten damaligen Mitarbeiter, der heute seinen Wahlkampf leitet, seinen eigentlichen Dienstsitz in Brüssel hatte, aber einen sehr großen Teil des Jahres in Berlin verbracht und dafür eine Auslandszulage sowie ein großes Reisebudget erhalten hatte.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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