Wahlmanipulation:Neue Vorwürfe gegen Datenfirma

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Das inzwischen insolvente Daten-Unternehmen Cambridge Analytica soll mehr Wahlkämpfe beeinflusst haben als bisher angenommen. Das zeigen jüngst veröffentlichte Dokumente.

Von Simon Hurtz, München

Cambridge Analytica: Die zwei Worte stehen für die größte Krise in Facebooks Unternehmensgeschichte. Angeblich stehen sie auch für einen gewaltigen politischen Skandal. Das inzwischen insolvente Daten-Unternehmen soll geholfen haben, Wähler zu manipulieren. Donald Trump habe seinen Wahlsieg 2016 nicht zuletzt den psychologischen Tricks von Cambridge Analytica zu verdanken, hieß es - eine Behauptung, die sich hartnäckig hält, für die es aber keine Belege gibt.

Die Praktiken von Cambridge Analytica geraten nun erneut in den Fokus: Der Twitter-Account @HindsightFiles veröffentlicht Dokumente von der Whistleblowerin Brittany Kaiser, die vier Jahre lang für die Firma gearbeitet hat. Das Material soll Kaiser zufolge das "industrielle Ausmaß" belegen, mit der die US-Wahl 2016, das Brexit-Referendum und weitere Abstimmungen weltweit manipuliert worden seien.

"Ich habe große Angst vor dem, was bei der kommenden US-Wahl geschehen wird", sagte Kaiser dem Guardian. Es sei "offensichtlich, dass unsere Wahlsysteme weit offen für Missbrauch sind". Der Facebook-Skandal sei nur Teil weit größerer Vorgänge. Cambridge Analytica habe für Regierungen, Geheimdienste, Unternehmen und politische Kampagnen gearbeitet, um Menschen zu manipulieren.

Um die aktuellen Veröffentlichungen einzuordnen, muss man die früheren Vorwürfe kennen. 2018 wurde bekannt, dass sich Cambridge Analytica illegal Daten von 87 Millionen Facebook-Nutzern beschafft hatte. Diese Informationen soll das Unternehmen genutzt haben, um personalisierte Wahlwerbung zu schalten. Solche Anzeigen sind nicht verboten - ein "Skandal" wurde daraus, weil Cambridge Analytica eine offene Schnittstelle von Facebook ausnutzte, um auf Nutzerprofile zuzugreifen.

Bis heute ist indes nicht abschließend geklärt, was die Methoden von Cambridge Analytica bewirkt haben. Es gibt Dutzende vergleichbare Unternehmen, bereits Barack Obama hatte in den Wahlkämpfen 2008 und 2012 auf einen datengestützten Wahlkampf und personalisierte Botschaften gesetzt. Die Art und Weise, wie Trump und das Pro-Brexit-Lager mit maßgeschneiderten Anzeigen Angst und Vorurteile schürten, mag unangenehm sein - illegal ist sie nicht.

Neu veröffentlicht wurden nun fünf Dossiers - über Brasilien, Iran, Kenia und Malaysia sowie John Bolton, den ehemaligen Sicherheitsberater des US-Präsidenten Donald Trump. Das vorliegende Material zeigt, dass Cambridge Analytica in diesen Ländern aktiv war und Bolton mit dem Unternehmen zusammengearbeitet hat.

Auch Deutschland und Österreich tauchen in den Dokumenten auf. In einer Liste angeblicher potenzieller Geschäftspartner finden sich zwei E-Mails an Cambridge Analytica: 2016 fragte ein Mitarbeiter der Berliner Datenanalysefirma Ubermetrics, ob Interesse an einer Zusammenarbeit bestehe. Man berate viele Politiker und Parteien, darunter CDU, SPD und sogar Angela Merkel. Ubermetrics sagt, dass sich daraus keine Geschäftsbeziehung ergeben habe. Der Angestellte, der die E-Mail verschickte, arbeitet nicht mehr für das Unternehmen. Auf eine SZ-Anfrage antwortete er bislang nicht.

© SZ vom 08.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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