Wahlkampf in Afrika:Nigeria braucht jetzt Nerven

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Nach einem chaotischen Wahlkampf entscheidet sich heute die Nachfolge des scheidendenden nigerianischen Staatsoberhauptes Olusegun Obasanjo. Wer wird Nigerias nächster Präsident?

Arne Perras

Die Nigerianer brauchen jetzt Nerven. 60 Millionen Bürger sollen sich an diesem Samstag in die Schlangen vor den Wahllokalen einreihen und einen neuen Präsidenten wählen. ,,Es ist schon ein Erfolg, wenn diese Wahl einigermaßen geordnet über die Bühne geht'', sagt der Politologe Ibrahim Mu'azzam von der Bayero Universität in Kano. Denn zum ersten Mal in der Geschichte des westafrikanischen Ölriesen würde dann die Macht von einer zivilen Regierung an die nächste übergeben.

Ein glanzvoller Tag für Nigeria dürfte der 21. April nicht werden. Wer die Abstimmung als Reifetest für Nigerias Demokratie betrachtet, wird dem Land mit seinen 140 Millionen Einwohnern schon jetzt schlechte Noten ausstellen müssen. Chaotischer hätte der Wahlkampf kaum verlaufen können. Und massiver Betrug bei den Gouverneurswahlen am vergangenen Wochenende lassen für die Präsidentenwahl nichts Gutes erwarten. Vor allem ist aber bei der Kür der Kandidaten so viel manipuliert worden, dass die Legitimität der Wahl schon in Frage steht, bevor sie überhaupt beendet ist.

Kronprinz ohne Rückhalt

Die Krise hatte damit begonnen, dass der scheidende Präsident Olusegun Obasanjo versuchte, nach acht Jahren an der Macht noch einmal für eine dritte Amtsperiode zu kandidieren. Dafür hätte Nigeria die Verfassung ändern müssen, und das stieß auf so viel Widerstand, dass Obasanjo mit seinem Plan scheiterte. Ein erbitterter Gegner einer dritten Amtszeit war damals Obasanjos Vize, Atiko Abubakar. Deshalb zerstritten sich die einstigen Weggefährten, und der Präsident ließ seinen Kronprinzen fallen.

Stattdessen suchte er einen anderen, ihm gewogenen Spitzenkandidaten für die regierende ,,Demokratische Volkspartei'' (PDP), über den er vermutlich weiterhin Einfluss ausüben will. Dieser Mann heißt Umaru Yar' Adua und gilt als ziemlich konturloser Kandidat, über den viele Nigerianer wenig wissen. Bezeichnend war, dass bei den großen Wahlkampfveranstaltungen stets Obasanjo im Vordergrund agierte, ganz so, als trete er selbst noch einmal an. Das nährt Vermutungen, dass der 55-jährige Yar' Adua doch nur eine Marionette Obasanjos ist. Manche westliche Diplomaten aber treten solchen Befürchtungen entgegen. Sie haben den Eindruck gewonnen, dass Yar' Adua durchaus eine eigenständige politische Persönlichkeit sei.

Obasanjos Widersacher Abubakar gab sich indes nicht geschlagen, er wechselte ins Lager der Opposition. Allerdings wurde er wegen massiver Korruptionsvorwürfe zunächst als Kandidat des ,,Action Congress'' (AC) für die Wahl ausgeschlossen. Und erst in dieser Woche entschied das Oberste Gericht, dass er nun doch wieder zugelassen werden muss. Es gibt wenig Zweifel, dass der Präsident die treibende Kraft hinter Abubakars Ausschluss war. Viele Nigerianer sind überzeugt, dass Obasanjo die Wahlkommission und die Korruptionswächter des Staates für seine eigenen politischen Zwecke missbraucht hat. Das heißt nicht, dass die Vorwürfe gegen Abubakar aus der Luft gegriffen wären. Etwa 125 Millionen Dollar soll der 60-Jährige unterschlagen haben, und dafür wurden auch Belege erbracht. Aber solche Untersuchungen wurden als Waffe vor allem gegen die Opposition eingesetzt, obgleich auch Politiker der PDP als äußerst korrupt gelten. Sogar Obasanjo ist zuletzt ins Zwielicht geraten, weil er Geld aus der Staatskasse nicht sauber eingesetzt haben soll.

Ob es jetzt noch rechtzeitig gelungen ist, Abubakars Namen auf 60 Millionen Stimmzetteln zu ergänzen, ist fraglich. Und am Freitagnachmittag sorgte die Wahlkommission für komplette Verwirrung, als sie im Fernsehen erklärte, dass die Wahlzettel noch gar nicht im Land seien.

Zusätzlich zu Abubakar gibt es noch einen wichtigen Oppositionskandidaten, den einstigen Militärmachthaber Muhamadu Buhari. Er tritt für die ,,All Nigeria People's Party'' (ANPP) an. Ein Bündnis gegen die Regierungspartei PDP zu schmieden, ist der Opposition misslungen. Und so hat nun der Unbekannte Yar'Adua beste Chancen, seinen Paten Obasanjo als Präsidenten zu beerben.

Dafür spricht auch, dass die PDP über das meiste Geld und das beste Netzwerk im Land verfügt. Schon bei den Gouverneurswahlen sicherte sich die Partei einen Großteil der Posten. ,,Parteien in Nigeria orientieren sich kaum an Programmen'', sagt Nnamdi Obasi von der International Crisis Group in Abuja. Sie dienen als Sprungbrett für die große Politik, wo die Pfründe verteilt werden. Viele Politiker nutzen dieses System, um sich an den Milliardeneinnahmen aus der Ölförderung zu bereichern, die mehr als 80 Prozent der Staatseinnahmen ausmachen. In den Ranglisten von Transparency International wird Nigeria unter den korruptesten Staaten der Welt geführt. ,,Wir sehen hier immer das gleiche Muster'', sagt ein Jurist der Anti-Korruptionsbehörde ICPC. ,,Die sehr ehrlichen Leute bleiben sehr arm, und unter den Wohlhabenden finden sich überall Diebe.''

Nun geht es bei den Wahlen also vor allem um den Zugriff auf Milliarden in der Staatskasse. Das bereitet den Nährboden für Gewalt. ,,Schon ein kleiner Konflikt kann sich in Nigeria zum Flächenbrand entwickeln'', warnt Klaus Pähler, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Abuja. Und Zündstoff dürfte es reichlich geben, nach all der Verwirrung um die Stimmzettel und Kandidatur Abubakars. Wenn die Gewalt im Zuge der Wahlen tatsächlich ausufert, könnte es passieren, dass Obasanjo den Notstand ausruft und am Ende doch selbst weiterregiert.

© SZ vom 21.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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